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Plenarsitzung

Widersprüche zwischen Anspruch und Realität

23. Feb. 2016

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt hat am Dienstag, 23. Februar, seinen XII. Tätigkeitsbericht an Landtagspräsident Dieter Steinecke übergeben. Der Bericht umfasst den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 31. März 2015, bezieht aber darüber hinaus insbesondere rechtspolitische Entwicklungen bis Anfang Februar 2016 mit ein.

Landesdatenschutzbeauftragter Harald von Bose (l.) übergibt seinen mehr als 300 Seiten starken XII. Tätigkeitsbericht an Landtagspräsident Dieter Steinecke. Foto: Stefanie Böhme

Es ist der letzte Bericht in der Amtszeit des Datenschutzbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Harald von Bose. Sein vorläufiges Fazit lautet: Es bestehen Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit. „Die Realität von Internet und Datensammeln stößt auf die Grundrechtsprinzipien. In der digitalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts muss Privatsphäre ein Wert an sich bleiben, weil es sonst keine freie Gesellschaft mehr ist. Hierfür ist ein entsprechendes Bewusstsein und breites Engagement notwendig“, so von Bose.

Menschen werden immer „gläserner“

Der Europäische Gerichtshof habe zwar in seinen Entscheidungen zum „Recht auf Vergessen“, zur Vorratsdatenspeicherung und zum Verhältnis von EU und USA als nicht sicherem Datenhafen die Grundrechte gestärkt, allein entsprechende Folgerungen stünden aber noch aus. Die Menschen würden „gläserner“ – ob als Bürger, als Verbraucher, als Kunde, im Verhältnis zum Staat, zu Unternehmen und zu anderen Menschen, auch als Autofahrer, als Patient, zuhause, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit.

Von Bose kritisiert die massenhafte Vorratsdatenspeicherung, durch die Daten über Daten gesammelt werden. Grundrechtsfreundliche Konsequenzen aus den Erkenntnissen des Whistleblowers Edward Snowden seien kaum gezogen worden; vielmehr würden NSA, BND und auch die Verfassungsschutzbehörden der Länder agieren weiter intransparent. „Guter Datenschutz ist nicht nur Ausdruck von Verfassungskonformität im Sinne von Grundrechtsschutz und des Stellenwertes von Freiheit und Demokratie. Er ist auch klug, da er Vertrauen vermittelt. Datenschutz ist insofern Aufgabe des Rechts, der Technik, der Kontrolle und der Bildung“, resümierte Harald von Bose.

Medienkompetenz inklusive Datenschutz intensivieren

Eine wesentliche Empfehlung für die 7. Wahlperiode lautet, dass bei der Vermittlung von Medienkompetenz in Schulen und Bildungseinrichtungen zukünftig verstärkt und verbindlich datenschutzrechtliche Aspekte einzubeziehen. Die geplante Bildungspartnerschaft zwischen dem Land und der Firma Microsoft werde unter diesem Gesichtspunkt nicht allen Wünschen gerecht, sagte der Landesdatenschutzbeauftragte.

Von Beratungs- zu Kontrollbehörde

Mit den neuen Aufgaben und Befugnissen infolge der EU-Datenschutz-Grundverordnung werde die seit langem geforderte Personalverstärkung der Behörde noch dringlicher, so der Landesbeauftragte. Seine Dienststelle werde zukünftig auch als Aufsichtsbehörde gegenüber Behörden einschließlich der Ministerien wirken. Auch die Kontrollaufgaben gegenüber Unternehmen wüchsen an. „Für eine unabhängige und effektive Wahrnehmung des Amtes und seiner Aufgaben ist ein Stellenaufwuchs unabdingbar. Sonst können die Herausforderungen nicht bewältigt werden.“

  • Schwerpunkte der Beratungsdienste des Landesbeauftragten

    • die Gesetzgebung des Landes, u. a. den Justizvollzug, das Archivrecht und das Gaststättengesetz
    • die europäische Rechtsentwicklung, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung und die Safe-Harbor-Regelung
    • Videoüberwachungsfälle, insbesondere im Unternehmensbereich und privaten Umfeld
    • den IT-Dienstleister des Landes Dataport
    • die Mitwirkung bei Initiativen zu mehr Medienkompetenzvermittlung und Bildung in der digitalen Welt

  • Empfehlungen und Hausaufgaben für die 7. Wahlperiode

    • Reform der Sicherheitsgesetze
    • mehr Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit bei der Vermittlung von Medienkompetenz
    • Umsetzung der Empfehlungen der Enquete-Kommission des Landtages für E-Government und Open Government als Teil einer Digitalen Agenda des Landes

  • Hinweise für Behörden und Unternehmen

    • Verwendung von Patientenakten bei der Krankenhausabrechnung
    • Vertraulichkeit in Arztpraxen
    • Hausbesuche des Jobcenters als letztes Mittel
    • Akteneinsicht beim Jugendamt
    • Datenschutz ist Chefsache – Datenschutzmanagement in Unternehmen
    • Aufzeichnung von Telefongesprächen
    • Videoüberwachung