Die Fraktion DIE LINKE brachte einen Antrag ein, durch den darauf hingearbeitet werden soll, die rückwirkende Erhebung von Straßenausbau- und Anschlussbeiträgen für Wasser- und Abwasserleitungen zu beschränken. Das Kommunalabgabenrecht und die Verwaltungspraxis hätten dem Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu entsprechen, heißt es im Antrag. Mögliche Rechtsangleichungen müssten vom nächsten Landtag und der neuen Landesregierung schnellstmöglich vorgenommen werden. Die Fraktionen von CDU und SPD brachten einen Alternativantrag ein.
Anschlussmaßnahmen lange überschritten
Laut dem seit 1991 gültigen Kommunalabgabengesetz war eine entsprechende Satzung Voraussetzung für die Erhebung von Beiträgen, erinnerte Gerald Grünert (DIE LINKE). Durch zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts wurde darauf hingewiesen, dass die derzeitige Handhabung des Kommunalabgabengesetzes – also die rückwirkend geänderte oder erlassene Beitragssatzung und damit die verspätete Erhebung von Beiträgen – überprüft werden müsse.
In vielen Fällen sei die Verjährungsfrist für die Beitragserhebung für Bau- und Anschlussmaßnahmen lange überschritten gewesen, so Grünert. Das Bundesverfassungsgericht habe aber verdeutlicht, dass Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt eingefordert werden dürften. Wenn Verbände und Kommunen die rechtliche Lage nicht erkannt hätten, müssten sie das Versäumnis allein schultern. „Die einzige Aussage Ihres Alternativantrags ist die Aussetzung der Beiträge zu empfehlen – was anderes wollen wir auch nicht, daher ist Ihr Antrag keine Alternative“, monierte Grünert in Richtung Koalition.
Erlass zur Aussetzung der Beiträge ausgegeben
Durch das Ende 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften werde dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung getragen, versicherte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Damit habe man erstmalig deutliche Regelungen für die zeitliche Begrenzung von Beitragserhebungen aufgezeigt. Stahlknecht sicherte eine entsprechende Prüfung zu, um darzulegen, welche Folgen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Zahlung des Herstellungsbeitrags II hat. Es könnte sein, dass eine Rechtsverwirkung eingetreten sei, so der Innenminister. Die Beitragserhebungen der Verbände und Kommunen sollen zunächst durch einen Erlass aus dem Ministerium ausgesetzt werden, bis die Konsequenzen aus den vorliegenden Gerichtsurteilen ausgewertet worden seien.
„Rechtsfrieden an der Abwasserfront“
Das Kommunalabgabengesetz sei kein einfaches Sujet, räumte Rüdiger Erben (SPD) ein. Die Betroffenen wollten wissen, wie es weitergehe. Es gehe um ein neues Austarieren vom Vertrauen der Betroffenen und den fiskalischen Interessen der Verbände und Kommunen. „Wir brauchen kluges und überlegtes Handeln“, sagte Erben. „Unser Ziel ist, den Rechtsfrieden an der Abwasserfront in Sachsen-Anhalt herzustellen.“ In ihrem Alternativantrag begrüßen CDU und SPD die Ankündigung des Ministeriums für Inneres und Sport, bis zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen bezüglich der Regelungen zur zeitlichen Obergrenze für die Beitragsfestsetzung auszusetzen. Zudem soll die Landesregierung prüfen, inwieweit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (1BvR 2961/14 und 1BvR 3051/14) Auswirkungen auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt hat.
Viele fragwürdige Beitragserhebungen
Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erinnerte daran, dass man im Landtag bereits mehrfach Diskussionen zu den Altbeiträgen geführt habe. Die Frage war: Wann soll der Schlussstrich unter die Möglichkeit der Beitragserhebung gezogen werden? Die Grünen hätten sich für Ende 2014 ausgesprochen, das sei von der Koalition nicht gewollt gewesen. Im vergangenen Jahr habe des dadurch einen Run auf die Festsetzung von Altbeiträgen gegeben. Es sei zu vielen rechtlich fragwürdigen Beitragserhebungen gekommen, die rechtskräftig geworden und bezahlt worden seien. „Was passiert damit? Was machen die Verbände mit den eingenommenen Beträgen?“, fragte Meister. Der juristische Ausgang war und sei offen.
Lösung muss gefunden werden
Bei den kommunalen Abgaben handele es sich um eine schwierige Rechtsmaterie, betonte Jens Kolze (CDU). Die aktuelle Rechtsprechung im Land Brandenburg habe zu einer Beanstandung an der Erhebung von Altbeiträgen ergeben. Diese habe jedoch keine Auswirkungen auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt, so Kolze. Es gehe den Linken nur darum, die Beitragszahler zu ermuntern, die bereits ausgegebenen Bescheide nicht hinzunehmen, monierte Kolze. Falls die bestehenden Regelungen keinen Bestand hätten, müsse eine Lösung für diejenigen gefunden werden, die ihre Altbeiträge im vergangenen Jahr bezahlt hätten.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE in einer namentlichen Abstimmung (35:57) abgelehnt. Anschließend wurde der Alternativantrag von CDU und SPD mit den Stimmen der Koalition angenommen.