Die Elektromobilität wird laut Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit Jahren parteiübergreifend als zentraler Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende sowie den damit verbundenen Klimaschutz angesehen. Zugleich habe der Dieselskandal in der Automobilindustrie gezeigt, dass die Verbrennungsmotorentechnologie langfristig nicht zukunftsfähig sein könne. Um diese Thematik genauer zu erörtern, hatten die Grünen eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „Elektromobilität in Sachsen-Anhalt voranbringen“ beantragt.
Sachsen-Anhalt muss Standortvorteile nutzen
E-Mobilität sei ein gutes Beispiel für die Erkenntnis: „Nur auf der Agenda haben, reicht nicht“, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Im letzten Jahr seien die Sachsen-Anhalter Schlusslicht beim Kauf von Elektroautos gewesen. Bundesweit sei der Verkauf längst nicht in der Höhe angekommen, die einst geplant gewesen sei. In Ladeinfrastruktur oder den Massenmarkt sei bisher so gut wie gar nicht investiert worden. Die Einführung einer Kaufprämie für Elektroautos im Mai 2016 sei überfällig gewesen und im Grunde deutlich zu spät gekommen.
Lüddemann regte an, die öffentliche Verwaltung mit Elektroautos auszustatten. So könne man mit gutem Beispiel vorangehen und einen wichtigen Beitrag für das Ladenetz des Landes leisten. Bei Elektrobussen gingen die Großstädte in der Bundesrepublik mit gutem Beispiel voran. Auch in Städten in Sachsen-Anhalt, wo es bereits Stromnetze für Straßenbahnen gebe, könnten diese zum Einsatz kommen. Mofas mit Verbrennungsmotor seien nicht mehr die Zukunft; eine wichtige Rolle spielten jetzt schon Elektrofahrräder und könnten auch eine Alternative für junge Menschen sein. Hier könnte Sachsen-Anhalt Standortvorteile nutzen und hiesige Unternehmen in den Vordergrund bringen. Die weltweite Konkurrenz sei groß, noch sei Sachsen-Anhalt einen Schritt zurück, so Lüddemann.
Enormer Abstimmungsbedarf notwendig
Elektromobilität sei ein wichtiges Zukunftsthema und ein Querschnittsthema für Sachsen-Anhalt, betonte Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Wirtschaft, Umwelt und Verkehr seien davon gleichermaßen betroffen. Die Elektromobilität soll in den kommenden Jahren in Sachsen-Anhalt deutlich ansteigen, so der Minister. Sie sei schon lange kein Nischenthema; auf der Schiene funktioniere sie schon gut, auf der Straße noch nicht, räumte Webel ein. Elektroautos und -busse stünden noch am Anfang einer langfristigen Entwicklung. Erneuerbare Energien, alternative Energieformen und Stadtentwicklung müssten unter einen Hut gebracht werden.
„Wir werden den Menschen nicht vorschreiben, wie sie von A nach B kommen, aber wir wollen mit dafür sorgen, dass die Menschen in Sachsen-Anhalt nachhaltig unterwegs sein können“, erklärte Webel. Die Landesregierung arbeite darauf hin, eine energieeffiziente und emissionsarme Gesellschaft zu gestalten. Um die Elektromobilität in Sachsen-Anhalt voranzubringen, brauche es koordinierte und vernetzte Lösungen, damit Menschen sich durch eine grüne Mobilitätskette aus Bahn, E-Bus, Fahrräder und E-Auto-Sharing durchs Land bewegen könnten. Der Abstimmungsbedarf dafür sei jedoch enorm und müsse ihre Alltagstauglichkeit beweisen.
Beförderungskosten im Auge behalten
Das System Elektromobilität sei noch nicht ausgereift, erklärte Andreas Mrosek (AfD), das verhaltene Kaufinteresse sei auf die unzureichende Ladeinfrastruktur, zu geringe Reichweiten und zu hohe Anschaffungskosten zurückzuführen. Der Einsatz von Elektrobussen hänge von den Straßenbedingungen, den Einsatzgebieten und den Lademöglichkeiten ab. Positiv hervorzuheben seien ökologische Verbesserungen.
Aufgrund der nicht ausreichenden Entwicklung eines E-Bus-Netzes seien Investitionen in diesem Bereich für die betroffenen Fuhrunternehmen finanziell nur schwer umzusetzen, erklärte Mrosek. Man müsse bei der Umrüstung des ÖPNV auf Elektrofahrzeuge darauf achten, dass die Beförderungskosten für die Bürger bezahlbar blieben.
Übergangsfristen sind notwendig
Elektromobilität sei eines der wichtigsten Zukunftsthemen, denn sie bedeute Lebensqualität, sagte Dr. Falko Grube (SPD). Sie stehe für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Gesundheitsschutz. Niemand würde joggend hinter einem herkömmlichen Auto herlaufen und die Abgase einatmen; anders sehe es beim Laufen hinter einem surrenden Elektroauto aus. Grube lobte den Wirkungsgrad der Elektromotoren, der höher als bei Verbrennungsmotoren ausfalle. Auch die Lärmreduzierung sei nicht zu verachten.
Elektromobilität müsse alltagstauglicher werden, erklärte Grube. Es bestehe ein infrastrukturelles Reichweitenproblem, daher müsse das Netz der Ladestationen ordentlich gefördert werden. Bund und Unternehmen seien hierbei gleichermaßen gefragt. „E-Mobilität darf nicht zur sozialen Frage werden“, vernünftige Übergangsfristen seien notwendig. Denn jeder müsse sich ein E-Fahrzeug auch leisten können, wenn Neuzulassungen nur noch für solche erlaubt seien.
Öffentlichen Verkehr weiter voranbringen
Die entscheidende Frage für die Linken sei, wie Elektromobilität ohne Autos gelinge, erklärte Kerstin Eisenreich (DIE LINKE). Der Verkehr sei bedauerlicherweise im Pariser Klimaabkommen nicht berücksichtigt worden. Stattdessen würden immer mehr SUVs zugelassen und der Güterverkehr auf der Straße steige. Seit 1990 habe er um 60 Prozent zugenommen und verdränge den auf der Schiene, so Eisenreich.
Lärm-, Klima- und Gesundheitsschutz durch Elektromobilität sei nicht gering einzuschätzen, aber die Erzeugung und Entsorgung der Batterien sei sehr teuer und ebenso umweltbelastend. Die Verkehrssicherheit werde nicht verbessert, und das Verkehrsaufkommen werde nicht verringert. Man müsse vom „Autofetischismus“ wegkommen und den öffentlichen Verkehr (Bus und Bahn) stärken und vollständig elektrifizieren.
Die Linken fordern moderate Ticketpreise und die Förderung von Fuß- und Radverkehr, die besser mit dem ÖPNV verknüpft werden müssten. Die Umstellung des ÖPNV auf Elektromobilität sei wirtschaftlich für die Unternehmen in Sachsen-Anhalt nicht tragbar. Hier müsse Landesgeld her, um die Finanzierungslücke zu schließen.
Vorreiterrolle in Automobilindustrie behaupten
„Wir sollten die Flotten nach vorn bringen, es wäre ein großer Wurf, diese elektromobil zu gestalten“, erklärte Frank Scheurell (CDU). Sachsen-Anhalt sei ein Vorreiter in Sachen Elektromobilität – hier sei schließlich die erste elektrische Bahn gefahren, auch fahre in Sachsen-Anhalt die älteste elektrische Straßenbahn (in Halle).
Deutschland müsse seine Vorreiterrolle in der Automobil- und Zulieferindustrie behaupten, auch im Bereich der Elektromobilität. Es gebe jedoch zu wenige Ladestationen, lediglich 77 in Sachsen-Anhalt, beklagte Scheurell, aber nur wenn die Infrastruktur vorhanden sei, könne der Bürger auf Elektromobilität bauen. Dafür wolle man sich gemeinsam in der Kenia-Koalition einsetzen.
Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.