Sachsen-Anhalt sei auf keinem guten Weg, konstatieren die Grünen und initiierten für die letzte reguläre Sitzung des Parlaments in dieser Legislaturperiode eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „Demokratie stärken“. Schwerpunkte der Auseinandersetzung sollten unter anderem das nach Ansicht der Grünen mangelnde Wirtschaftswachstum und die Flüchtlingsfrage sein. Demokratie brauche Vertrauen, dass die Regierenden die Probleme der Zeit beherzt angehen und Herausforderungen annehmen, so die Grünen.
Nicht hinter Grenzen verstecken
Die Entwicklung des Landes sei vom Vertrauen der Menschen in Sachsen-Anhalt abhängig, erklärte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die schwarz-rote Landesregierung habe das Land an den Rand seiner Funktionsfähigkeit geführt. Der Tanz um die „schwarze Null“ habe das Land systematisch ausgezehrt. Als Beispiel nannte Dalbert die massiven personellen Einschnitte bei der Besetzung der Polizei, der Gerichte und in den Schulen des Landes und andere politische Fehlentscheidungen. Genau das bereite den Nährboden für die rechten Demokratiefeinde, die Ängste und Ressentiments schürten, so Dalbert.
„Wir brauchen nicht vermeintlich einfache Debatten über Obergrenzen“, sondern müssten über Integration und die Chancen reden, die die jungen hierher geflüchteten Menschen für Sachsen-Anhalt bedeuteten, betonte die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Gemeinsam solle unser Bundesland vorangebracht werden. Man dürfe sich nicht hinter Grenzen verstecken, sondern müsse die Chancen ergreifen. „Wir stehen für Demokratie und Weltoffenheit, wir setzen der Abschottung gelebte Demokratie entgegen. Wir wollen die Einwanderung nach Sachsen-Anhalt nutzen, statt Ängste zu schüren“, betonte Dalbert die Ziele grüner Politik.
„Sachsen-Anhalt ist kein Notstandsgebiet“
Demokratie brauche Vertrauen, bestätigte Staatsminister Rainer Robra (CDU) die These der Aktuellen Debatte. Demokratie brauche aber vor allem Mitwirkung, sie lebe davon, dass sich Menschen Tag für Tag für sie engagierten. „Wir müssen zeigen, dass dieses Engagement auch Anerkennung finde.“ Er könne nicht verstehen, warum die Grünen sich in Schwarzmalerei übten, so Robra.
Es stehe um unsere Wirtschaft nicht schlechter als in den anderen Ostländern; Steuereinahmen, Löhne und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs hätten zugenommen. Es seien keine neuen Schulden gemacht und sogar damit begonnen worden, Altschulden zu tilgen. Das stärke bei den jungen Menschen das Bewusstsein, in der Zukunft noch Gestaltungsraum für Politik zu haben. „Wir haben solide gewirtschaftet und auch in die Zukunft Sachsen-Anhalts investiert.“ Robra nannte die Förderwerkzeuge STARK III, die Planungssicherheit für die Theater und Orchester, das Teilentschuldungsprogramm STARK II und den Einstieg in die digitale Agenda.
„Sachsen-Anhalt ist kein Notstandsgebiet“, versicherte Robra, wer dies behaupte, habe den Blick für die Realität verloren. Die platte Kritik an der Flüchtlingspolitik der Landesregierung wies Robra deutlich zurück. Man könne die Flüchtlingspolitik nicht nur auf die ausgesprochenen Obergrenzen herunterbrechen. Aufnahme sei nicht Integration; dazu gehörten Spracherwerb, Ausbildung und Arbeit, die Anerkennung der Gesetze und Werte, betonte Robra.
Wer Vertrauen in die Politik stärken wolle, dürfe nicht die Leistung der Menschen herabwürdigen. Ministerpräsident Reiner Haseloff genieße das Vertrauen der Menschen, alle Umfragen würden dies bestätigen, zum Wohle des Landes nach innen und nach außen verdiene er eine zweite Amtszeit, erklärte der Staatsminister. Unser Land brauche Kontinuität aus der Mitte heraus, es sei in den vergangenen Jahren auf guten Kurs gehalten worden.
Der Staat fungiert als Mediator
Vertrauen bedeute, auf etwas zu setzen, an das man glaube und an das man sich binde, definierte Gerhard Miesterfeldt (SPD). Dies sei enorm wichtig, denn „wir leben in einer mit hoher Geschwindigkeit immer komplexer werdenden Welt“. Die weltweite Vernetzung entwickle sich jedoch zu einer „Verhetzung“, bedauerte der SPD-Politiker. Dies gelte auch und derzeit vor allem beim Thema Flüchtlinge. Unfassbares, Neues, und Fremdes erzeuge mitunter Angst, erklärte Miesterfeldt; Ideologen spielten mit diesen Ängsten, Demokraten aber sollten Wege zur Überwindung dieser Ängste aufzeigen.
Wo bleibt die Mitte? Was bleibt in der Mitte?, fragte Miesterfeldt. Demokratische Politik sei eine Politik der Verständigung, sie sei und bleibe eine Denkaufgabe; auch Irrtum und Eingeständnis gehörten dazu. Der Staat habe die Aufgabe eines Mediators, er müsse aufklären und vermitteln, er müsse für das Machbare den Kompromiss finden.
Vertrauensverlust wiedergutmachen
Das Thema ist so aktuell und auch so alt wie kein anderes: Welches Vertrauen haben Menschen in politische Akteure und Institutionen, sagte Wulf Gallert (DIE LINKE). Ein Klischee besage, niemals werde so viel gelogen wie vor einer Wahl oder auf einer Beerdigung, so Gallert: „Es wird in diesem Jahr so wichtig sein wie nie zuvor, diesem Klischee zu widerstehen.“ Man habe es ohnehin mit einem substanziellen Vertrauensverlust in die politische Klasse zu tun, das sei gefährlich, denn es gehe auch um den Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen.
Gallert kritisierte die Flüchtlingspolitik der Landesregierung und bezeichnete die Umsetzung von Obergrenzen als falsch. Man könne niemanden in ein völlig zerstörtes Land zurückschicken. Alle, die sich mit der ökonomischen Situation des Landes auseinandergesetzt hätten, hätten erkannt, dass Sachsen-Anhalt unter den ostdeutschen Ländern in fast allen Bereichen die rote Laterne innehabe. Eine zehnjährige wirtschaftliche Stagnation mit dem Fall des Ölpreises zu erklären, wie sie Staatsminister Rainer Robra mitbegründet hatte, sei ein Zeichen wirtschaftspolitischer Inkompetenz, so Gallert abschließend.
„Sachsen-Anhalt funktioniert“
„Schwarzmalerei schaffe gewiss kein Vertrauen“, betonte André Schröder (CDU) und kritisierte deutlich die Äußerungen von Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert. Die Grünen seien staatsvergessen, und auch das führe zu Politikverdrossenheit. „Sachsen-Anhalt funktioniert, der Staat funktioniert“, zeigte sich Schröder überzeugt. In den letzten 14 Jahren unter einer CDU-geführten Landesregierung habe die Arbeitslosigkeit mehr als halbiert werden können. Das durchschnittliche Einkommen sei um 30 Prozent gewachsen, die Exportquote sei vervierfacht worden, die Zahl der ausländischen Studierenden habe verdreifacht werden können.
„Politik hat Gemeinwohl zu formulieren und Strukturen zu ordnen, damit knappe Ressourcen bestmöglich eingesetzt werden können“, sagte Schröder. Bisweilen seien auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Dies gilt auch in der Flüchtlingspolitik. Eine Obergrenze ergebe sich aus den Belastungsgrenzen eines Staates, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende: das Herz sei weit, die Möglichkeiten aber endlich.
Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.