Eine von Offenheit, Humanismus und Solidarität geprägte aktive Zuwanderungspolitik sollte nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE das Credo der Bundes- und Landespolitik sein. In einem entsprechenden Antrag betonen sie zudem, dass die Unterscheidung zwischen ökonomisch nützlicher und unerwünschter Migration kein positives Klima für Zuwanderung und Integration schaffe. Die verschiedenen Facetten der Zuwanderung sollen zukünftig im Zusammenhang gesehen und die Kommunen stärker unterstützt werden.
Paradigmenwechsel ist notwendig
Kein anderes Thema sei in den letzten Wochen so radikal diskutiert worden wie die Zuwanderung von Migrantinnen und Migranten. Dem Problem müsse sich die Politik stellen. Wulf Gallert, Fraktionsvorsitzender der Linken, habe diesbezüglich eine Regierungserklärung schon im Januar erwartet, wenn doch Tausende Menschen jede Woche auf die Straße gingen. Man müsse die Ängste der Menschen vor einem massiven sozialen Abstieg ernst nehmen und ihnen erklären, dass es falsch sei, das Problem den Migranten zuzuschreiben, sondern dass dies eine Folge der falschen Rentenpolitik in Deutschland sei. Zuwanderung entlaste seit Jahrzehnten die deutschen Sozialkassen.
Xenophobie sei in der Gesellschaft weit verbreitet, zudem sei es zu einer Ausweitung von ausländerfeindlichen Gewalttaten gekommen. Gallert kritisierte die Menschen, die Vorurteile und falsche Stereotype transportierten, Asylbewerber und Migranten seien per se gewaltbereit und Sozialkassen plündernd und wollten Parallelgesellschaften aufbauen. „Wir brauchen in Sachsen-Anhalt einen Paradigmenwechsel weg von der Ablehnung zum Willkommen“, forderte Gallert. Diesbezüglich freue er sich über die steigende Zahl an Menschen in Sachsen-Anhalt, die für Offenheit und Humanismus einträten.
Humanitärer Schutz und durchgesetzte Ausreise
Asylbewerber und Zuwanderung seien zwei unterschiedliche Themen, erinnerte Innenminister Holger Stahlknecht. Hier sei Differenzierung notwendig. Um die Lücken zu schließen, die die demographische Entwicklung reiße, bräuchte das Land auch Zuwanderung. Die entsprechenden Anreize müssten gezielter gesetzt werden, da sie bisher nicht im gewünschten Maße gewirkt hätten.
„Sachsen-Anhalt bekennt sich selbstverständlich zu seiner Verpflichtung, Menschen aufzunehmen, die Schutz bedürfen“, versicherte der Innenminister. Ihnen müsse es ermöglicht werden, sich schnellstmöglich in die Gesellschaft zu integrieren. Asylsuchenden, deren Verbleib in der Bundesrepublik noch nicht abschließend geklärt sei, stünden die Integrationsmittel nur begrenzt zur Verfügung; dies sei auch sinnvoll, so Stahlknecht. Die Verbesserung des Servicegedankens in den Ausländerbehörden, die zu Willkommensagenturen weiterentwickelt werden sollen, werde von Land und Kommunen angestrebt.
Fehlentwicklungen im Asylsystem müsse entgegentreten werden: Wenn kein humanitärer Schutz bestehe, dann müsse die Ausreise der Antragsteller auch konsequent umgesetzt werden, erklärte Stahlknecht. Das habe nichts mit Rassismus zu tun, sondern bedeute die Umsetzung geltenden Rechts. Es bestehe in Deutschland kein Grundrecht auf Einwanderung. Sachsen-Anhalt sei und bleibe ein weltoffenes Land, das die Potenziale der Migration zu schätzen wisse, betonte Stahlknecht. Er setze aber voraus, dass im Gegenzug die hiesige Kultur und Grundwerte respektiert und die deutsche Sprache erlernt würden.
Sprache wichtig für Integration
Vor dem Hintergrund der steigenden Flüchtlingszahlen auf der ganzen Welt, dürften Europa, Deutschland und Sachsen-Anhalt nicht die Türen schließen und den Betroffenen das Gefühl geben, dass uns ihr Leid nichts angehe, erklärte Patrick Wanzek (SPD). Seine Fraktion fordere die Chance zur Teilhabe von Anfang an, dies beinhaltet Bildung und Arbeitsmarktintegration sowie die Ermöglichung von Begegnung und Austausch. Man dürfe keinesfalls in solche Kategorien „wirtschaftlich nützlich“ und „nicht nützlich“ verfallen, das sei weder humanistisch noch christlich.
Sprache sei die wichtigste Voraussetzung für Integration; daher strebt die SPD Sprachkurse für alle Asylsuchenden an, egal welchem Status sie obliegen. Auch Krankenkassenkarten für Flüchtlinge nach dem Bremer Modell seien für die SPD denkbar. Wanzek sprach sich für eine bessere soziale Integration und das Recht auf Bildung aus (vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund). Noch fehle es an Lehrern mit dem Fach Deutsch als Zweitsprache.
Migration schmackhaft machen
Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erklärte, Sachsen-Anhalt brauche weitere Zuwanderung, um sich interkulturell zu öffnen. Das Klima müsse erst noch geschaffen werden, in dem Migration lohnenswert sei. Die Gesellschaft müsse sich dagegen wehren, dass Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig würden. Zuwanderung bedeute jedoch mehr, als nur einigen wenigen Auserwählten ein Willkommen zu sagen, betonte der Grünen-Abgeordnete. Es gelte, mehr junge Zuwanderinnen und Zuwanderer ins Land zu holen und in Ausbildung zu bringen; die Hürden dafür müssten gesenkt werden. Man müsse internationalen Studierenden den Verbleib in Sachsen-Anhalt schmackhaft machen und die Bedingungen für einen direkten Verbleib im Land schaffen.
Die Grünen sprechen sich zudem für die Erleichterung der politischen Partizipation und das Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten aus. Es sei falsch, Flüchtlinge und Asylsuchende jahrelang in Sammelunterkünften hausen zu lassen – und das ohne Aussicht auf einen Sprachkurs oder die Möglichkeit zu arbeiten. Die Fähigkeiten, die diese Menschen mitbrächten, würden einfach verschwendet, kritisierte Herbst.
Hilfe für Schutzberechtigte
Jens Kolze (CDU) resümierte die Ansichten der Linken folgendermaßen: Jeder, der wie auch immer nach Deutschland komme, solle hierbleiben dürfen, Abschiebungen seien inhuman, niemand müsse sich integrieren, jeder solle Zugang zum Leistungskatalog bekommen.„Das geht an der Lebenswirklichkeit unserer Bürgerinnen und Bürger vorbei“, betonte Kolze.
„Sachsen-Anhalt stellt sich seiner humanitären Verantwortung“, versicherte der CDU-Abgeordnete, die Analyse der Migrantenströme zeige aber, dass nicht alle Menschen wegen Verfolgung oder einer krisenhafte Lage nach Deutschland kämen, sondern dass deren Motivation im eigenen wirtschaftlichen Vorteil liege. Wirklich Schutzberechtigte soll die nötige Hilfe zukommen, bei abgelehnten Asylbewerbern solle jedoch die Ausreise durchgesetzt werden. Die CDU wolle die Asylverfahrensdauer beschleunigen, so Kolze.
Ein anderes Thema sei die Zuwanderung. Sachsen-Anhalt sei auf gezielte Zuwanderung angewiesen. Kolze erkenne die gesellschaftliche Realität an, dass in Sachsen-Anhalt immer mehr Muslime leben und ihr Recht auf freie Religionsausübung in Anspruch nehmen, dennoch bekenne sich seine Fraktion zur Bewahrung der historischen christlich-jüdischen Tradition der Deutschen.
Der Antrag der Linken wurde im Anschluss an die Debatte in den Ausschuss für Inneres und Sport (federführend) und mitberatend in die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie für Bildung und Kultur überwiesen.