- Opposition fordert bessere Flüchtlingsaufnahme und -betreuung
- CDU hält an konservativer Haltung fest
- Konsens bei Gewährung für Hilfe für Flüchtlinge
Eigentlich hatte es im Landtag zur Aussprache einer Großen Anfrage der Grünen zum Thema „Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Sachsen-Anhalt“ kommen sollen. Da die Zahlen aber vielerseits bereits veraltet sind, kam es stattdessen zu einer Generaldebatte über die Flüchtlings- und Asylpolitik in Sachsen-Anhalt. In der Aussprache behandelt wurde nebenher ein Entschließungsantrag der Grünen, der sich mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden befasst.
Keine Obergrenze für Flüchtlingsaufnahme
Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sieht stets große Dankbarkeit bei den ankommenden Flüchtlingen. „Wie sich die Bilder gleichen – vor 26 Jahren und heute“, so der Grünen-Abgeordnete. Die ankommenden Flüchtlinge hielten insbesondere den Ostdeutschen einen Spiegel vor. Das Land stehe vor einem Einwanderungsprozess, der uns herausfordere – dieser müsse angenommen und bewältigt werden. Eine Grundvoraussetzung dafür sei gutes Regierungshandeln, das Recht und Verfassung einhalte und das Ressourcen des Landes richtig einsetze. Einwanderung müsse als Chance und nicht als Bedrohung wahrgenommen werden. Denn wir bräuchten Einwanderung, so Herbst, da die Bevölkerungszahl sinke und damit auch die Zahl der Menschen, die sozialversicherungspflichtige Jobs wahrnähmen.
Herbst kritisierte, dass die ZASt Halberstadt nicht ausreichend hergerichtet worden sei. Die Landesregierung hätte viel eher erkennen müssen, dass diese eine ZASt nicht ausreiche. Damit habe die Landesregierung einen Teil der Probleme mitverursacht. Die Öffnung weiterer Stellen Mitte des nächsten Jahres sei zu spät. Ausbaden müssten es nun die Flüchtlinge und die Mitarbeiter in der ZASt. „Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine gesetzliche Verpflichtung, für die es keine Obergrenze gibt. Für Flüchtlinge ist das Boot niemals voll.“ Die Grünen sprechen sich für eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge aus; die Regelungen zur Gemeinschaftsunterkunft seien aus dem Aufnahmegesetz zu entfernen. Die Kommunen müssten noch stärker finanziell unterstützt werden, so Herbst: „Sachsen-Anhalt ist stark gefordert, aber nicht überfordert!“
Konservative und liberale Asylpolitik
Die Antworten der Großen Anfrage seien zum Teil schon überholt, räumte Innenminister Holger Stahlknecht ein. Es sei also nicht verwunderlich, dass Sören Herbst nicht auf die Ergebnisse eingegangen sei. „Wir stellen uns verspätet der Realität“, bekannte Stahlknecht, „nämlich den Folgen einer verfehlten Nahostpolitik.“ Es handele sich mittlerweile weniger um eine Asylfrage als vielmehr um eine Völkerwanderung. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seien mittlerweile 60 Millionen Menschen auf der Flucht und größtenteils auf dem Weg nach Europa. Europa bestehe allerdings nicht nur aus Deutschland, so der Innenminister.
Womit die Bundesrepublik konfrontiert wird, sei nicht vorauszusehen gewesen. „Wir werden die Herausforderungen meistern – gemeinsam mit den Landräten und unter Einhaltung der gültigen Gesetze“, erklärte Stahlknecht. Es müsse darum gehen, die Kulturen zueinanderzubringen und Integration im gültigen Rechtsrahmen zu betreiben. Stahlknecht verfolge somit eine konservative wie auch liberale Asylpolitik.
Weitere Erstaufnahmestellen einrichten
Viele Bürgerinnen und Bürger im Land hätten Angst vor der stetig wachsenden Zahl von Flüchtlingen, sagte Patrick Wanzek (SPD). Es gelte, die Bevölkerung frühzeitig zu informieren und aufzuklären. Vor allem gehe es um Menschen, die vor Krieg und Elend geflohen seien, erinnerte Wanzek. Er lobte die große Hilfsbereitschaft der Menschen im Land, diese Hilfe sei eine unbezahlbare Arbeit und eine gelebte Willkommenskultur. Die dringendste Aufgabe im Land sei jetzt die Unterbringung der Menschen im Winter (nicht im Zelt).
Es sei richtig, weitere Erstaufnahmestellen im Land zu installieren, da die Landkreise anderenfalls überfordert wären. Die Aufnahme der Asylsuchenden und ihre Integration sei eine gute Chance, junge Fachkräfte zu gewinnen. „Jeder Euro, den wir in Qualifizierung stecken, wird sich mehrfach auszahlen“, sagte Wanzek. Der SPD-Politiker verwies zudem auf die seit dem 1. September aktive Servicestelle für interkulturelle Kompetenz und die zusätzlichen finanzierten Sprachkurse für alle Asylsuchenden, unabhängig von ihrem Status.
Unterbringung muss keine Katastrophe sein
Die Zahl der Flüchtlinge steige weltweit – es sei also wahrlich keine Überraschung gewesen, dass auch Sachsen-Anhalt seinen Anteil zu leisten habe, sagte Henriette Quade (DIE LINKE). Dass die Landesregierung jetzt – wenn auch verspätet – Ausweichquartiere suche, sei ohne Alternative. Es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen in Zelten leben müssten, die sonst nur im Katastrophenfall zum Einsatz kämen, so Quade. Die Integrationsarbeit lebe vom Engagement Freiwilliger; Deutschunterricht, Kinderbetreuung, Sozialarbeit – alles werde von Ehrenämtlern erfüllt oder gar nicht. Für Unverständnis sorge die Tatsache, dass qualifizierte Freiwillige zum Teil weggeschickt würden.
Die Linken brachten einen Änderungsantrag zum Entschließungsantrag ein, wodurch der Vorgang beschleunigt werden soll, die Menschen aus den Zelten herauszuholen und in Wohnungen unterzubringen. „Aufgrund der weiterhin anhaltend hohen Asylantragsstellungen und der geänderten Verfahrensweise bezüglich der Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) ist unverzüglich eine zweite Clearingstelle in Sachsen-Anhalt einzurichten“, heißt es zudem im Änderungsantrag. Die Unterbringung der Flüchtlinge sei keine Katastrophe, wenn man keine Katastrophe daraus mache, betonte Quade abschließend.
Verbindliche Verteilquoten in Europa
Die Flüchtlingsfrage habe eine historische Dimension erreicht, sie sei die größte innen- wie außenpolitische Aufgabe geworden, erklärte André Schröder (CDU). Bund, Länder und Kommunen müssten jetzt an einem Strang ziehen. Zum Zeitpunkt der Antwort zur Großen Anfrage sei das Land sehr erfolgreich in Sachen Flüchtlingsaufnahme gewesen, vor Ort sei gute Arbeit geleistet worden.
„Angesichts der Dynamik müssen wir Probleme auch benennen dürfen“, betonte Schröder. Politik brauche nicht nur Optimismus, sondern auch Realitätssinn. Der von den Grünen eingeforderte Konsens, Zuwanderung als Gewinn zu betrachten, sei längst da. Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion sei Zuwanderung nur sinnvoll, wenn sie nach eigenen Vorstellungen gesteuert werden könne. Der humanitäre Flüchtlingsschutz bleibe richtig, ebenso die Integration von denjenigen mit Bleibeperspektive; mit der bloßen Verteilung der Menschen im Land sei es aber nicht getan.
Schröder forderte eine klare Unterscheidung zwischen wirklichen Flüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen und die Fokussierung der Bekämpfung der Fluchtursachen. Die CDU-Landtagsfraktion spricht sich zudem für verbindliche Verteilquoten auf die europäischen Staaten aus und setzt auf die Beschleunigung der Asylverfahren. Unter anderem wird ein längerer Verbleib in der ZASt angestrebt, bis der Asyl-Bescheid vorliegt. Albanien, Montenegro und das Kosovo sollen endlich als sichere Herkunftsländer anerkannt werden, sagte Schröder, der zudem ein Wiedereinreiseverbot innerhalb von drei Jahren für abgewiesene Asylsuchende einfordert. Die CDU verlangt eine Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Flüchtlingsunterbringung und die Durchsetzung geregelter Verfahren.
Im Anschluss an die Debatte wurden alle Drucksachen des Tagesordnungspunktes 5 in die Ausschüsse für Inneres und Sport (federführend) sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung (mitberatend) überwiesen.
Zur Antwort zur Großen Anfrage der Grünen (PDF)