Opfer könne jeder werden, daher gehe das Thema Opferschutz jeden an, es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagte Justizministerin Prof. Dr. Angela Kolb eingangs ihrer Regierungserklärung. Sie dankte ausdrücklich allen ehrenamtlichen Unterstützern und Opferschutzverbänden für ihre schwierige und ausdauernde Arbeit.
Opferschutzverbände besser vernetzt
Bereits der Entstehungsprozess des Opferschutzberichts habe das Netzwerk weiter intensiviert und enger geknüpft und damit ein wichtiges Ziel der letzten Jahre erreicht. Neben der besseren Vernetzung hätten Opferschutzverbände darauf hingewiesen, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund im Polizeidienst eingestellt werden sollten. Justizministerin Prof. Dr. Angela Kolb erklärte, damit sei in den vergangenen Jahren bereits begonnen worden, man wolle dies nun intensivieren.
Der Opferschutzbericht zeige nicht nur bereits Erreichtes, sondern auch das, was noch zu tun bleibe. Aktuell liege der Fokus auf der Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie, zentraler Punkt sei hier die Ausgestaltung der psychosozialen Prozessbegleitung. „Jedes Opfer benötigt Unterstützung, gerade im Strafprozess, wo viele Situationen noch einmal durchlebt werden“, sagte Kolb. Darum wurden in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe bundesweite Mindeststandards festgelegt, die Sachsen-Anhalt bereits heute umsetze, sowohl im Sozialbereich der Justiz, aber auch der Opfer- und Zeugenbetreuung.
Neuer Schwerpunkt: Opferschutz für Flüchtlinge
Unzufrieden zeigte sich die Justizministerin mit der verlässlichen Finanzierung von Frauenhäusern und Unterstützungseinrichtungen. Sie geht davon aus, dass – gerade in der aktuellen Situation, in der viele Frauen aus Kriegsgebieten nach Sachsen-Anhalt kommen – der Bedarf an Frauenhäusern hoch bleibe, eine verlässliche Finanzierung sei daher wichtig. Im nächsten Jahr wolle man sich zudem intensiv um die Flüchtlinge kümmern, die besonderen Schutz bräuchten, wie zum Beispiel Frauen, Kinder, Behinderte oder LSBTI. Dazu werde eine interministerielle Arbeitsgruppe mit dem Innen- und Sozialministerium gegründet. Konkret ginge es um die Gewährleistung von Schutzräumen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die Schulung von Fachkräften und den individuellen Unterstützungsbedarf dieser Flüchtlinge.
Abschließend betonte die Justizministerin, Opferschutz erfordere ständige Arbeit und Sensibilisierung, ein wichtiges Augenmerk zur Verbesserung des selbigen seien daher Fortbildungen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten. Hier gehe es insbesondere um den Umgang mit Traumata, um Belastungen der Verfahren besser bewältigen zu können. Gleichzeitig würden im Land mehr Psychotherapeuten mit dieser Zusatzqualifikation benötigt.
Opferschutzeinrichtungen finanziell unterstützen
Es sei von großer Bedeutung, wie wir als Gesellschaft mit Opfern von Straftaten umgehen, einen hundertprozentigen Schutz vor Straftaten gebe es jedoch nicht, sagte Eva von Angern (DIE LINKE). Der Opferschutz könne daher nie ohne den Umgang mit den Tätern gedacht werden. Sie unterstütze die Idee einer Opferstiftung, diese könne jedoch nur Teil einer Lösung sein; das finanzielle Defizit müsste vom Landeshaushalt getragen werden. Zwar wäre es wünschenswert, wenn es bundesweit einheitliche Standards beim Opferschutz gäbe, allerdings sei sie skeptisch, ob dies bald erreicht werden könne.
Kritik übte die Linken-Abgeordnete an der bevorstehenden Abwicklung des rechtsmedizinischen Instituts in Magdeburg. Es könne nicht überraschen, dass diese und andere Einrichtungen, wie zum Beispiel Trauma-Ambulanzen auf öffentliche Mittel angewiesen seien. Es sei wichtig, dass sich der Rechtsstaat zu deren Existenz bekenne und sie entsprechend unterstütze. Eine weitere Baustelle sei der Täter-Opfer-Ausgleich für Jugendliche, so von Angern. Dieser gebe dem Opfer die Chance, sich dem Täter gegenüberzusetzen und Fragen zu stellen. Daher sollte er standardmäßig genutzt werden. Abschließend warb sie dafür, „über den Tellerrand zu schauen und neue Wege zu gehen“.
Sachsen-Anhalt auf gutem Weg
Siegfried Borgwardt (CDU) erklärte, für seine Fraktion komme Opferschutz immer vor Täterschutz. Die vorhandenen Instrumente sollten konsequent weiter angewandt und einzelne Träger noch besser miteinander vernetzt werden. Borgwardt lobte die Beteiligung aller Ministerien am Bericht und betonte, dass die polizeiliche Prävention und der Opferschutz in Sachsen-Anhalt bereits sehr gut funktionierten. Insgesamt hätten der Landtag und die Landesregierung in der aktuellen Wahlperiode jede Menge erreicht, es gebe jedoch auch noch einige Baustellen.
Seine Fraktion wolle sich zukünftig beispielsweise dafür einsetzen, dass personenbezogene Daten von Tatopfern und Zeugen besser geschützt würden. Außerdem müsste dringend die verlässliche Finanzierung der Frauenhäuser, Beratungs- und Interventionsstellen geklärt werden. Die Opferarbeit sollte durch Geldauflagen der Täter gestärkt werden und die Aspekte des Opferschutzes müssten mit der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen in Zusammenhang gebracht werden.
Kein Platz für Gewalt in unserer Demokratie
„Das Land Sachsen-Anhalt ist auf dem Gebiet des Opferschutzes gut aufgestellt, allerdings haben wir auch noch einiges vor uns“, erklärte Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Ein wichtiger Punkt sei dabei der Schutz betroffener Frauen und Kinder. Die Grünen hatten im Rahmen einer Großen Anfrage bereits einen Entschließungsantrag zu dem Thema gestellt und hätten sich gewünscht, dass der Landtag diesem seinerzeit zugestimmt hätte. Das wäre eine konkrete Maßnahme zum Opferschutz gewesen, so Herbst.
Außerdem betonte er, dass Opferschutz sich auch explizit um betroffene Flüchtlinge kümmern müsse und zeigte sich erfreut über die Ankündigung der Ministerin, dies in einer interministeriellen Arbeitsgruppe tun zu wollen. Daneben müssten für mehr Diversität in der Landespolizei gesorgt und verstärkt qualifizierte Sprachmittler zum Einsatz kommen. Darüber hinaus bedeute Opferschutz auch, dass wir deutlich machten, dass in unserer Demokratie kein Platz für jegliche Form von Gewalt sei. „Wir dürfen weder den geistigen Brandstiftern noch den tatsächlichen Tätern das Feld überlassen“, sagte Herbst.
Opferschutz geht alle an
„Opferschutz geht uns alle an und damit auch alle Ressorts“, bekräftigte Petra Grimm-Benne (SPD) die Aussagen ihrer Kollegen. Mit dem Erleben der Straftat seien Belastungen verbunden, die über die Straftat hinausgingen, daher benötigten Opfer zwingend die Unterstützung der Gesellschaft. Grimm-Benne hob einzelne Aspekte des Opferschutzes heraus, so verhinderte eine gute Nachsorge beispielsweise, dass Täter erneut straffällig würden.
Zum Thema Opferschutzstiftung sagte sie, grundsätzlich seien sich die Fraktionen einig, dass diese sinnvoll wäre, allerdings gebe es unterschiedliche Meinungen darüber, wie sie „finanziell gefüttert“ werden sollte. Daher werde die SPD-Fraktion das Thema in der neuen Legislatur erneut aufs Tableau bringen. Grimm-Benne schloss sich der Justizministerin und Eva von Angern an und bedankte sich bei allen Opferschutzverbänden, namentlich dem Weißen Ring e.V., für ihre geleistete Arbeit.