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Plenarsitzung

„Runder Tisch hat ein gewisses Standing“

Mehr als sechs Jahre hat Probst i.R. Dr. Sens die Geschicke des Runden Tisches gegen Ausländerfeindlichkeit Sachsen-Anhalt geleitet. Jetzt hat er sein Amt aus persönlichen Gründen zur Verfügung gestellt und den Vorsitz abgegeben. Welche Bilanz Dr. Sens zieht und was sich trotz vieler Erfolge in puncto Willkommenskultur in unserem Land noch verbessern müsste, hat er uns in einem Interview erzählt.

Drei Verfechter für ein weltoffenes und tolerantes Sachsen-Anhalt: Landtagspräsident Detlef Gürth (r.) mit dem ehemaligen Vorsitzenden, Probst i.R. Dr. Matthias Sens (M.) und dem neuen Vorsitzenden des Runden Tisches, Dr. Eberhard Bürger. Foto: Stefanie Böhme

Redaktion: Wie ausländerfeindlich oder ausländerfreundlich ist Sachsen-Anhalt im Jahr 2015?

Matthias Sens: Ich glaube, Sachsen-Anhalt unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von anderen Bundesländern, auch wenn es in den bundesweiten Medien manchmal so rüber kommt, als ob Sachsen-Anhalt eine besondere Affinität zu rechtsextremen Gedankengut hat, aber ich denke, das trifft nicht zu. Gerade die Ereignisse in Tröglitz, sollte man nicht in dieser Richtung interpretieren, auch wenn sie von den Medien in diese Ecke gedrängt wurde. Aber ich denke, das haben sie nicht verdient.

Was hat der Runde Tisch in den letzten Jahren geleistet, um das dennoch immer latent angekratzte Image des Landes zu verbessern?

Der Runde Tisch wollte von Anfang an in erster Linie ein Gespräch zwischen denjenigen initiieren, die sich von Berufswegen mit Flüchtlingen beschäftigten (Politik/ Verwaltung) und denen, die sich für Flüchtlinge aus menschlichen Gründen einsetzen wollen. Das Image des Landes stand da nicht an erster Stelle. Wenn der Runde Tisch nebenbei auch ein bisschen dazu beigetragen haben könnte, das Etikett, das an Sachsen-Anhalt hing, etwas aufzuweichen, würde uns das natürlich sehr freuen.

Wie schaut ihre Bilanz nach Jahren als Vorsitzender des Rundes Tisches aus?

Die letzten Anhörungen in den Landkreisen haben bewiesen, dass der Runde Tisch mittlerweile ein gewisses Standing hat. Denn offensichtlich hat es sich ein bisschen herum gesprochen, dass wir kein Kontrollgremium sind, sondern dass wir Kommunikation und Beratung ermöglichen und es schaffen, verschiedene Akteure an einen Tisch zu bringen. Ich denke, dass konnte in den letzten Jahren weiter ausgebaut werden.

Außerdem beobachten wir, dass langjährige Forderungen des Runden Tisches jetzt endlich umgesetzt werden, wie zum Beispiel eine möglichst dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen. Hier haben sich Politik und Kommunen geöffnet und  erkannt, dass in der Bevölkerung das Verständnis für Asylbewerber nur geweckt werden kann, wenn es auch im Alltag Möglichkeiten des Kontakts gibt und die Flüchtlinge frühzeitig in unsere Gesellschaft integriert und nicht in Gemeinschaftsunterkünfte und später auch richtig abgeschoben werden dürfen. Und diese Veränderung ist glaube ich auch auf die Arbeit des Runden Tisches zurückzuführen.

Ein Schwerpunktthema in Ihrer letzten Sitzung als Vorsitzender war die „Willkommenskultur für Flüchtlinge“. Wie kann die verbessert werden? Was muss sich dafür ganz konkret tun, damit aus dem angestrebten Ziel Realität wird?

 Zum einen müssen Politik und Verwaltung die Rahmenbedingungen schaffen, um die Integration von Flüchtlingen zu erleichtern, zum Beispiel mit einer schnelleren und klareren bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen, aber auch bei der Sprachförderung könnte sich noch einiges verbessern. Zum anderen kann sich auch die Zivilgesellschaft noch stärker engagieren und da ist sicher das neue Netzwerkstelle „Willkommenskultur“ ein richtiger Schritt, denn auch ehrenamtliche Arbeit kostet Geld und muss gefördert werden, sonst kann sie nicht gelingen.