„Gesellschaftlichen Zusammenhalt durch mehr Vielfalt in den Medien stärken – Integration und Partizipation sowie interkulturelle Kompetenz im MDR ausbauen“ – das war das Thema einer öffentlichen Anhörung am Mittwoch, 21. Januar, im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. Hintergrund ist ein Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Landtagssitzung vom Juni 2014. In dem Antrag geht es unter anderem darum, mit Hilfe der Medien gesellschaftliche Integration zu fördern und interkulturelle Kompetenzen auszubauen, die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund im MDR zu berücksichtigen und zukünftig ein Mitglied mit Migrationshintergrund in den Rundfunkrat zu entsenden.
Die Ergebnisse in Kürze:
Alle Anzuhörenden betonten, wie wichtig die Anerkennung kultureller Vielfalt und die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien seien. Vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland und insbesondere Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren immer mehr zum Einwanderungsland entwickeln würden, komme den Medien beim Abbau von Stereotypen und der Förderung gesellschaftlichen Zusammenhalts eine besonders wichtige Rolle zu. Während der MDR diese Aufgaben als Querschnittsaufgabe versteht, sprachen sich Migrantenvertreter für einen Integrationsbeauftragten im Unternehmen, beziehungsweise eine direkte Vertretung im Rundfunkrat, aus.
Integration als Querschnittsaufgabe
Der MDR versteht die Förderung der Integration und den Ausbau interkultureller Kompetenz als Querschnittsaufgabe, erklärte Elke Lüdecke, Direktorin des Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt. Demnach sei nicht eine Person allein dafür zuständig, dass die Vielfalt ethnischer Gruppen in den kommunizierten Inhalten sichtbar werde, sondern dies werde als eine abteilungsübergreifende, den gesamten MDR durchziehende Aufgabe angesehen. Der MDR sei sich bewusst, dass Migration und Integration eine große Herausforderung darstellten und dass kulturelle Vielfalt für die Programmmacher kreativer Wert und Herausforderung zugleich seien.
Außerdem würde das Thema multikulturelle Gesellschaft und Integration bereits in der Ausbildung der Redakteure berücksichtigt, sagte Lüdecke weiter. So gab es 2013 eine Webdokumentation „Unsere bunte Heimat“ und zwei MDR-Redakteure hätten erst kürzlich die Online-Serie: „Nachbarn vom anderen Ende der Welt“ erstellt. Darüber hinaus beschäftige der MDR bereits einige Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, darunter so bekannte Gesichter wie „Brisant“-Moderatorin Kamilla Senjo.
„Die höchste Stufe des Rassismus ist das Verschweigen!"
Marianne Ballé Moudoumbou brachte ihre Erfahrungen als Mitglied des Rundfunkrats des Rundfunk Berlin Brandenburg in die Anhörung ein. Ihrer Meinung nach sei es sinnvoll, Integration und interkulturelle Kompetenz zur Querschnittsaufgabe zu machen, dennoch bedürfe es darüber hinaus einer Person, die sich wirklich darum kümmert. Sonst stünden viele Ziele nur auf dem Papier und würden nicht umgesetzt, sagte Moudoumbou. Sie selbst wurde von Vertretern aller Migrantenvereine aus Berlin und Brandenburg in den dortigen Rundfunkrat gewählt und betonte, wie wichtig diese freie Entscheidungsfindung sei.
Menschen mit Migrationshintergrund müssten sowohl vor als auch hinter der Kamera ihren Platz in den Rundfunkanstalten finden und sollten auch bei der Analyse und Planung von Medienangeboten einbezogen werden. Moudoumbou erklärte zudem: „Die höchste Stufe des Rassismus ist das Verschweigen!“ Sie habe den Eindruck, dass es in puncto Rassismus noch immer eine mangelnde Sensibilisierung unter einigen Redakteuren gebe.
LAMSA für Änderung des Rundfunkstaatsvertrags
Das Programmangebot des MDR habe sich in den letzten Jahren grundsätzlich sehr positiv entwickelt. Es gebe eine vielfältige und interessante Berichterstattung über unterschiedliche Kulturen und Religionsgemeinschaften in Mitteldeutschland, betonte Mamad Mohamad, Vorstandsvorsitzender des Landesnetzwerk Migrantenorganisation in Sachsen-Anhalt (LAMSA). Auch der Dialog zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Migrantenorganisationen hätte sich deutlich verbessert und intensiviert. Trotzdem gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten, darum unterstützte LAMSA den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Insbesondere eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrags hält Mohamad für zwingend notwendig. Migranten böten vielfältige Sichtweisen auf gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland und so könne das Programm des MDR nur davon profitieren, wenn ihre Sichtweisen noch stärker darin Platz fänden. Gerade vor dem Hintergrund der in diesem Jahr bundesweit gestiegenen Zahl an Flüchtlingen und Asylbewerbern würden Potenzial und Bedeutung des Themas sichtbar werden, so Mohamad.
Medien müssen gegen Stereotype arbeiten
Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, begrüßte den Antrag zur Stärkung kultureller Vielfalt in den Medien ebenfalls. Gerade während der derzeitigen Debatte um Pegida seien die Themen Integration, Partizipation und interkulturelle Kompetenz besonders aktuell. Kahane betonte, dass sich Deutschland und insbesondere die Menschen im Gebiet des Mitteldeutschen Rundfunks in den nächsten Jahren auf eine noch stärkere Einwanderung und gesellschaftliche Vielfalt einstellen müssten. Gerade in Regionen, wie Sachsen-Anhalt, in denen der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund eigentlich sehr gering ist (derzeit etwa 2 Prozent der Gesamtbevölkerung), sei die Medienarbeit zu diesen Themen umso wichtiger.
Kahane begründete diese These damit, dass viele Menschen im MDR-Gebiet nur wenig Kontakt zu Migrantinnen und Migranten haben und sich dadurch Vorurteile viel schneller verfestigen könnten. Dem müsste der MDR entgegenwirken, um eine angenehme Atmosphäre der Vielfalt zu schaffen, damit sich Flüchtlinge willkommen fühlten und auch Zuzug aus anderen Regionen Deutschlands möglich bliebe. So gebe es beispielsweise türkische Unternehmer, die grundsätzlich bereit wären, in Mitteldeutschland zu investieren, dazu müsse aber auch das gesellschaftliche Klima passen.
Interkulturelle Kompetenz kommt allen zugute
Interkulturelle Kompetenz werde nicht nur unter Migranten, sondern in der Gesellschaft insgesamt geschätzt, so Ekrem Senol, Chefredakteur und Herausgeber des Online-Magazins „Migration in Germany“ (MiGAZIN). Er stieß selbst immer wieder auf Vorurteile, Unkenntnis und einen Mangel an Sensibilität gegenüber migrationspolitischen Themen unter Redakteuren und gründete darum vor ein paar Jahren ein eigenes Online-Magazin. Die Medien müssten Einwanderern das Gefühl geben, dass sie ebenfalls zu ihrer Zielgruppe gehören. Es helfe nicht, nur über Migranten zu reden, sondern diese wollten selbst mitmachen, weil sie selbst sehr viel zu sagen hätten, betont Senol. Hier müsse der MDR mit gutem Beispiel vorangehen und zwar jetzt und nicht erst in der Zukunft.
Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien wird sich in einer seiner nächsten Sitzungen erneut mit dem Thema beschäftigen und dann eine entsprechende Beschlussempfehlung für den Landtag vorbereiten.