Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Ist der Friedhofszwang noch zeitgemäß?

„Zeige mir deinen Friedhof und ich sage dir, was für Menschen in dieser Stadt, in diesem Land leben“, sagen die einen. „Es gibt auch eine postmortale Würde und keinen Grund, den Willen des Toten zu missachten“, sagen die anderen. Beim Friedhofs- und Sargzwang gehen die Meinungen in Sachsen-Anhalt quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche deutlich auseinander.

Auch der Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Thema. So sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Ansicht, dass das Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes novelliert werden müsste und haben entsprechende Anträge und Gesetzesentwürfe eingebracht. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales haben im Mittwoch, 18. März, zahlreiche Vertreter von Verbänden, Religions- und Interessengemeinschaften die Gelegenheit genutzt, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung, Stellung zu dem Thema zu nehmen.

Aufhebung des Friedhofszwangs für Urnen

Die Bestatterinnung, die Landesinnung des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks und der Verband der Friedhofsverwalter e.V. in Sachsen-Anhalt sind gegen eine Aufhebung des derzeit bestehenden Friedhofszwangs. Ihrer Ansicht nach würde damit die Bestattungskultur grundsätzlich in Frage gestellt, zudem hätte dies weitreichende Konsequenzen für das Fortbestehen der Friedhöfe. Dr. Rüdiger Fikentscher, Vorsitzender des Vereins für Friedhofskultur in Halle und dem Umland e.V. ergänzte, die Bestattung einer Leiche müsste so geschehen, dass seine Würde und sein Andenken nicht gemindert würden. Dazu bedürfe es eines „inszenierten Abschieds“ an einem „jederzeit für jedermann zugänglichen, also öffentlichen Ort“.

Der Fachverband der Friedhofsgärtner im Landesverband Gartenbau Sachsen-Anhalt e.V. betrachtet Friedhöfe auch als Wirtschaftsraum. Verbandsvorsitzender Norbert Zalewski erklärte, schon jetzt sei zu beobachten, dass Bestattungen auf Friedhöfen zurückgingen. Immer mehr Menschen würden sich für eine Feuerbestattung entscheiden und die Urne anschließend auf den grünen Rasen kommen. Dies bedeute in letzter Konsequenz immer mehr Überhangflächen auf den Friedhöfen, dadurch weniger Einnahmen für die Kommunen, weniger Personal, schlechtere Qualität und gleichzeitig höhere Kosten, für diejenigen, die sich noch „traditionell“ beerdigen lassen möchten. Wenn die Entwicklung so weiter ginge, prophezeite Zalewski, würden die Friedhöfe schlussendlich entwidmet und aufgegeben.

Das Katholische Büro Sachsen-Anhalt und das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, vertraten ebenfalls die Auffassung, dass die Bestattungskultur Ausdruck dessen ist, wie die Gesellschaft mit ihren Verstorbenen umginge. Die Würde der Bestattungsorte sei zu wahren, so Stephan Rether vom Katholischen Büro. Für hochproblematisch hält die evangelische Kirche den Vorschlag, die Asche der  Verstorbenen im öffentlichen Raum zu verstreuen. Damit ginge ein konkreter Ort für individuelle und öffentliche Trauer verloren. Daneben sei offen, wie die Totenruhe in solchem Fall gewährleistet werden könnte, so Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser. Seiner Ansicht nach, seien „Erinnerungs- und Friedhofskultur ein hohes Gut und das sollten sie auch bleiben“.

Dagegen vertritt Dian Schefold, Prof. Dr. i.R. für öffentliches Recht an der Universität Bremen, die Rechtsauffassung, dass das Individualrecht jedes Einzelnen, über das was mit seinem Körper geschieht, auch nach dem Tode gültig bleibt. Demnach seien Tote nicht das Eigentum der Hinterbliebenen und ihre Freiheitsrechte könnten nicht mit dem Hinweis auf ein Jedermann-Recht auf Trauer und Tradition eingeschränkt werden. Für Schefold dürfte daher  eine Beerdigung auf einem Friedhof nicht verpflichtend sein.

Die gesellschaftliche Debatte zur Bestattungskultur sei in vollem Gange, erklärte Herr Möller vom Verband unabhängiger Bestatter e.V. Laut einer Umfrage der Verbraucherinitiative Bestattungskultur – Aeternitas hätten sich 59 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, dass sie keinen bestimmten Ort brauchten, um ihrer Verstorbenen zu gedenken. 21 Prozent der Befragten sagten, sie brauchten zwar einen bestimmten Ort, dies müsse aber nicht auf dem Friedhof sein. Möller sagte weiter, der Beisetzungszwang werde von vielen seiner Kollegen mittlerweile grundsätzlich in Frage gestellt.

Welche Meinungen die Anzuhörenden zur Aufhebung der Sargpflicht, einer Verkürzung der Bestattungsfrist von 48 auf 24 Stunden und das Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit haben, lesen Sie im Artikel „Anhörung zur Novellierung des Bestattungsgesetzes“. Außerdem lesen Sie dort, warum die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg die erste Leichenschau für dringend reformbedürftig hält.

Wie geht es nach der Anhörung weiter?

In den jeweiligen Fraktionen wird nun über die Meinungen und Verbesserungsvorschläge der Verbände und Interessengemeinschaften diskutiert. Danach wird im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales gemeinsam mit dem Gesetzgebungsdienst des Landtags eine  Beschlussempfehlung erarbeitet. Diese wird mit Bitte um Stellungnahme an die mitberatenden Ausschüsse übergeben, anschließend wird eine endgültige Empfehlung für das Parlament vorbereitet.