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Plenarsitzung

Hebamme soll Chefin im Kreißsaal werden

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN macht sich für die Hebammen im Land stark. Sie forderte in einem Antrag von der Landesregierung die Schaffung eines Arbeitskreises, der ein Konzept und eine Vereinbarung zur Einrichtung eines hebammengeleiteten Kreißsaals in Sachsen-Anhalt aufstellen und mögliche Standorte ausfindig machen soll. Zur Erreichung der Ziele sollen die Studien der Fachhochschule Osnabrück und der Universität Bielefeld sowie die entsprechenden Publikationen des Bundeshebammenverbandes aufbereitet und mit weiteren Fachleuten in Kontakt getreten werden. Die Fraktionen von CDU und SPD brachten einen Alternativantrag ein.

Geburt ein natürlicher menschlicher Vorgang

Der erste Kreißsaal dieser Art sei in Bremerhaven installiert worden, er stütze sich auf Konzepte aus den 1990er Jahren, die in Skandinavien und Österreich entwickelt worden seien. Die Grünen wollen ein Geburtshaus im Krankenhaus schaffen, das sich von ärztlich geleiteten Kreißsälen unterscheidet. „Wir wollen die Hebamme zur Chefin im Kreißsaal machen“, sagte Cornelia Lüddemann (Grüne), sie sollen eigenverantwortlich tätig werden, Ärztinnen und Ärzte sollen nur im Bedarfsfall hinzugezogen werden. Der Hebammenberuf, der ständig um seine Existenz ringe, seine Anerkennung ständig beweisen müsse, soll gestärkt werden, so Lüddemann.

Die Geburt solle wieder mehr als natürlicher menschlicher Vorgang betrachtet werden, die Kaiserschnittrate habe sich in den vergangenen Jahren wesentlich erhöht. Rund 30 Prozent der Geburten würden per Kaiserschnitt durchgeführt, dabei seien nur etwas mehr als zehn Prozent medizinisch nötig. Eine dänische Studie habe gezeigt, dass der Kaiserschnitt in Zusammenhang mit erheblichen gesundheitlichen Folgen für die Kinder stehe. So gebe es ein 23 Prozent höheres Risiko, an Asthma zu erkranken, ein 46 Prozent höheres Risiko für Immundefekte und ein elf Prozent höheres Risiko, an Leukämie zu erkranken.

Einen natürlichen Vorgang erleben

Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) zeigte sich interessiert am gestellten Antrag um die Hebammen. Die Idee, die natürliche Geburt mit dem Kreißsaal im Krankenhaus zu verbinden, sei zu begrüßen. Grundsätzlich sind hebammengeleitete Kreißsäle in Sachsen-Anhalt schon heute möglich; es sei allerdings eine Frage der Haftung, ob Hebammen als deren Leiterinnen eingesetzt werden könnten. Das Angebot richte sich an Frauen, die einen natürlichen Vorgang erleben und sich nicht direkt in medizinische Hände begeben wollten. Wenn es wirklich akute Schwierigkeiten gäbe, wären die Ärzte in unmittelbarer Nähe, so Bischoff.

Der Sozialminister sagte zu, die von Thüringen und Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenen Berichte über die Versorgungssituation in der Geburtshilfe und andere einschlägige Studien im Hinblick auf die im Land Sachsen-Anhalt vorhandenen Strukturen und Möglichkeiten auszuwerten. Dies ist eine der Aufgaben, die auch der Alternativantrag der Fraktionen von CDU und SPD beinhaltet.

Thema in der 7. Wahlperiode wieder aufgreifen

Wigbert Schwenke (CDU) bekannte sich ausdrücklich zu einem der ältesten Berufe der Welt – der Hebamme – und zur natürlichen Geburt. Trotz des Interesses am Thema komme der Antrag der Grünen zu einem schwierigen Zeitpunkt so kurz vor dem Ende der Legislaturperiode. Es fehle die Zeit für eine Fachdiskussion in den Ausschüssen. Daher schlagen CDU und SPD vor, zunächst die Untersuchungen aus Thüringen und Nordrhein-Westfalen auszuwerten und ein weiteres Vorgehen den Abgeordneten der 7. Wahlperiode zu überlassen. Laut Antrag von CDU und SPD sollen mit allen zuständigen Akteuren (insbesondere Landeshebammenverband, Krankenhausgesellschaft und Ärztekammer Sachsen-Anhalt) die Ergebnisse dieser Auswertung und die weitere Einrichtung hebammengeleiteter Kreißsäle im Rahmen einer Veranstaltung im für Gesundheit zuständigen Ministerium diskutiert werden.

Unterstützung für das Anliegen

Die Linken stimmen dem Anliegen des Antrags zu, erklärte Sabine Dirlich (DIE LINKE). Sie zeigte sich besorgt von der zunehmenden Zahl der Kaiserschnitte. Geburtenstationen gehören laut Dirlich durch den Abrechnungsschlüssel zu den unrentabelsten Abteilungen eines Krankenhauses. Der Kaiserschnitt hebe die Einnahmequote aber deutlich an: Die Geburt in einem Geburtshaus kostet die Krankenkasse 467 Euro, eine Hausgeburt 550 Euro, eine herkömmliche Vagninalgeburt im Krankenhaus 1600 bis 2150 Euro und ein Kaiserschnitt zwischen 2500 bis 5400 Euro. Zum Wohl der Kinder sei die Einrichtung hebammengeleiteter Kreißsäle sehr wünschenswert.

Selbstbestimmungsrecht der Frauen bewahren

Man könne sich gegen das Ansinnen des Antrag gar nicht aussprechen, aber ein Gedanke komme dabei zu kurz, betonte Petra Grimm-Benne (SPD): Man sollte das Selbstbestimmungsrecht und das Selbstverantwortungsrecht der Frauen nicht aus den Augen verlieren. „Wir müssen in Sachsen-Anhalt Angebote schaffen, die sich an den Wünschen der Schwangeren orientieren.“ Ebenso sei es wichtig, über die verschiedenen Formen der Geburt zu informieren. Die Zahl der Niederkünfte in Geburtshäusern sei erschreckend rückläufig, sagte Grimm-Benne.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Grünen abgelehnt. Stattdessen wurde mit den Stimmen der Koalition der Alternativantrag der Fraktionen von CDU und SPD angenommen (Enthaltung bei Linken und Grünen).