„Frauen sind nach wie vor nicht gleichberechtigt in Sachsen-Anhalt“, sagt Eva von Angern, Vorsitzende des Landesfrauenrates Sachsen-Anhalt e. V. In einem Interview anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März nennt sie Gründe für ihre These. Außerdem spricht von Angern darüber, wie der Landesfrauenrat noch mehr Frauen für die Politik begeistern möchte und was ihrer Ansicht nach die dringendsten Aufgaben auf dem Weg zu echter Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sind.
Redaktion: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Frauen in Sachsen-Anhalt ein, in puncto Gleichberechtigung, gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, gleiche Verdienstmöglichkeiten etc.?
Eva von Angern: Frauen sind nach wie vor nicht gleichberechtigt in Sachsen-Anhalt. Allein bei einer Betrachtung der Arbeitsmarktentwicklung lässt sich für 2014 feststellen, dass es in Sachsen-Anhalt rund 773 500 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gab. Davon sind 384 000 Frauen (also ca. 50 Prozent) und 117 000 geringfügig Beschäftigte. Hier beträgt der Anteil der Frauen 60 Prozent und dies geschieht nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht freiwillig, sondern die meisten Frauen würden lieber in Vollzeit arbeiten. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, da die Auswirkungen für die Rentenleistungen verheerend sind. Von Armut betroffen sind in Sachsen-Anhalt vor allem Rentnerinnen und alleinerziehende Frauen!
Im Landtag von Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 34 Frauen unter den 105 Abgeordneten, damit liegen wir bundesweit im Mittelfeld. Gemessen am Anteil in der Gesellschaft sind Frauen aber unterrepräsentiert. Wie können Frauen motiviert werden, sich stärker politisch zu engagieren?
Eva von Angern: Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e. V. engagiert sich für eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils in den kommunalen Vertretungen, aber auch im Landtag. Frauen sind noch immer unterrepräsentiert und manchmal gar nicht in der Kommunalpolitik vertreten. Das ist ein Umstand, den wir gemeinsam mit ihnen ändern wollen. Denn Frauen machen anders Politik. Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt sagt deutlich: eine Demokratie braucht Männer UND Frauen. Es gibt zum Beispiel Mentoring-Programme, bei denen erfahrene Politikerinnen Neueinsteigerinnen an die Hand nehmen. Wir vom Landesfrauenrat unterstützen diese Programme, weil sie unserer Ansicht am nachhaltigsten sind.
Hat sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft in den letzten 25 Jahren verändert? Wie haben Sachsen-Anhalterinnen das Land geprägt?
Eva von Angern: Die Friedliche Revolution im Herbst 1989 in der DDR hat auch zu zahlreichen emanzipationspolitischen Verständigungen zwischen Ost und West geführt. Und das ist gut so. In Sachsen-Anhalt konkret sind mir viele Frauen – parteiübergreifend – erinnerlich, die die Politik des Landes in allen Themen maßgeblich vorangebracht haben. Frauen haben für ein Frauenfördergesetz in Sachsen-Anhalt gestritten.
Frauen machen sich stark für Unterstützungssysteme für Frauen (Frauenzentren, Frauenschutzhäuser, Frauenberatungsstellen, u. a.). Frauen vernetzen sich und treten selbstbewusst und couragiert für ihre Rechte ein. Außerdem durfte der Landesfrauenrat dank europäischer Mittel viele tolle, engagierte Frauen in und bei der Unternehmensgründung begleiten. Meiner Ansicht nach hat das Land Sachsen-Anhalt erkannt, dass es einen Schatz zu heben galt und hat dies auch getan.
Quasi als kleines Geschenk zum Frauentag hat der Bundestag am Freitag, 6. März, die Frauenquote für Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen beschlossen. Was halten Sie davon?
Eva von Angern: Wir begrüßen das natürlich, allerdings reichen 30 Prozent und die Beschränkung auf börsennotierte Unternehmen nicht aus. Außerdem bleibt abzuwarten, wie die kleineren Unternehmen ihrer Selbstverpflichtung nachkommen werden. Aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung!
Was sieht der Landesfrauenrat in den nächsten Jahren als dringendste Aufgabe an und warum?
Eva von Angern: Wenn wir ganz viele Wünsche frei hätten, würden ganz oben die Sicherung der Gewaltschutzprojekte als Pflichtleistung und ihre finanzielle Absicherung stehen, ebenso die Einführung eines geschlechtergerechten Haushaltes, ein Paritégesetz für Sachsen-Anhalt und eine unabhängige Landesbeauftragte für Gleichstellung. Durch all diese Vorhaben würde ein Beitrag in Richtung Gleichstellung der Geschlechter geleistet werden.
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