„Solidarisch und entschlossen gegen Rassismus“ – mit diesem Antrag wollte die Fraktion DIE LINKE ein deutliches Zeichen gegen Fremdenhass und Rassismus setzen und allen Bürgerinnen und Bürgern danken, die sich bereits seit Jahren ehrenamtlich für die Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden einsetzen. Außerdem sollte die Landesregierung gebeten werden, Qualifikationen und Weiterbildungsangebote für die Versammlungsbehörden in Sachsen-Anhalt zu organisieren. Damit sollte ihnen größere Handlungssicherheit im Umgang mit rechten und neonazistischen Versammlungen und Veranstaltungen gegeben werden.
Alternativantrag der Fraktionen von CDU und SPD
Im Vergleich zum Antrag der Linken hebt der Alternativantrag von CDU und SPD die bereits eingeleiteten Maßnahmen hervor, wie beispielsweise den Erlass zum Schutz ehrenamtlich Tätiger. Ein länderübergreifender Informations- und Erfahrungsaustausch mitteldeutscher Verfassungsschutzbehörden soll fortgesetzt und die Behörden und Kommunen im Bedarfsfall noch besser unterstützt werden. Außerdem soll der Landtag die Durchführung von Regionalkonferenzen unterstützen, bei denen Akteure aus Justiz, Polizei, Kommunen und Landesverwaltungsamt zusammengebracht werden, um die Mitarbeiter noch stärker für eine Bekämpfung des Rechtsextremismus zu sensibilisieren.
Nach den Ereignissen von Tröglitz sei in der Berichterstattung teils von einer „neuen Dimension rechter Bedrohung und Gewalt“ gesprochen worden. Dem widersprach Henriette Quade (DIE LINKE) ausdrücklich. Einschüchterung, Androhung und Anwendung körperlicher Gewalt seien immanenter Bestandteil rechter und neonazistischer Politikonzepte. Für alle, die sich rechtsextremen Bestrebungen widersetzten, gehörten sie seit vielen Jahren zum Alltag, sagte Quade.
Hauptveranstaltungsort für Nazi-Konzerte
Bundesweit sei Sachsen-Anhalt ein Hauptveranstaltungsort für Nazi-Konzerte und oft würden diese mit handwerklichen Fehlern der Behörden begleitet, erläuterte Quade. Es fehle an der Auseinandersetzung mit den Inhalten bei Nazi-Konzerten sowie einer besseren Kooperation zwischen polizeilichen Einsatzkonzepten und Verwaltungsbehörden. Oft würde auch erst im Nachgang von Konzerten ermittelt. Obwohl das Thema schon länger im Landtag diskutiert werde, gebe es immer noch keine einheitlichen Richtlinien kritisierte Quade. Darum habe ihre Fraktion jetzt ganz konkrete Handlungsvorschläge unterbreitet.
Zwar sei klar, dass sich auch durch das entschlossenste behördliche Eingreifen Rassismus nicht verhindern ließe, dafür bedürfe es langfristiger politischer Konzepte und einem gesellschaftlichen Klima, dass Solidarität, Menschenwürde und Offenheit atme. Gleichzeitig sei ein klares politisches Signal jedoch unabdingbar, betonte Quade. „Wenn Staat und Verwaltung nicht alle Mittel ausschöpfen … verkommt staatliche und politische Ächtung von Neonazismus zu einer hohlen Phrase und bleiben die Betroffenen allein.“
Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) wies die Kritik von Henriette Quade zurück. Die Kraft eines Rechtsstaates zeige sich auch darin, dass er den Umgang mit seinen Gegnern den allgemeinstaatlichen Grundsätzen unterwerfe. Auch Äußerungen rechtsextremen Gedankenguts fielen unter die Meinungsfreiheit, solange nicht gegen geltendes Recht verstoßen werde. Dies gelte es immer zu bedenken, so Stahlknecht.
Stahlknecht stellt Maßnahmenkatalog vor
Gleichzeitig verwies er darauf, wie wichtig ehrenamtliches Engagement bei der Integration von Flüchtlingen sei und dass die Landesregierung bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen hätte, um hier unterstützend tätig zu werden. Stahlknecht erwähnte den „Erlass zum Schutz Ehrenamtlicher“, die neue Netzwerkstelle für Willkommenskultur sowie die von der Landesregierung zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel in Höhe von 700 000 Euro (für die Jahre 2015 und 2016) zur Förderung der Willkommenskultur. Stahlknecht erklärte zudem , dass er auf Regionalkonferenzen mit Sicherheitsbehörden und Landkreisen die Verantwortlichen zukünftig stärker schulen möchte, damit diese besser mit rechtsextremen Versammlungen umgehen könnten.
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Populismus dürften keinen Platz in Sachsen-Anhalt haben – dieses klare Zeichen sollte fraktionsübergreifend aus der Diskussion hervorgehen, betonte Patrick Wanzek (SPD). Es sei wichtig, dass ehrenamtlich Engagierte im Kampf gegen rechtsextreme Gruppen gestärkt und Behörden auf Kommunal- und Landkreisebene geschult und unterstützt würden. Wanzek erklärte weiter, Integration könne nur gelingen, „wenn die Flüchtlinge von den Menschen vor Ort mit offenen Armen willkommen geheißen werden“. Um Ereignisse wie in Tröglitz zu verhindern, seien frühzeitige Bürgerversammlungen ungemein wichtig. Dort müssten die Bürger informiert und mögliche Ängste beseitigt werden.
Gesellschaftliche Stimmung ist kälter geworden
Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist der Ansicht, dass es „kalt geworden“ sei in Sachsen-Anhalt und damit meinte er nicht die winterlichen Temperaturen, sondern die Stimmung gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern. Für Striegel besteht das Hauptproblem nicht in den rechtsextremen Ansichten einiger Bürger in Tröglitz, sondern vielmehr in der schweigenden Masse, die keine Worte fänden, wenn Menschen ausgegrenzt werden und Flüchtlinge nicht willkommen geheißen würden. Erlasse für die Versammlungsbehörden seien wichtig, aber an der „kalten Stimmung“ würden sie nichts ändern, sagte Striegel. Stattdessen sei es wichtig, die Zivilgesellschaft zu stärken.
Es sei unerträglich, wenn Demokraten von extremistischen Gruppen an der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit gehindert würden, sagte Jens Kolze (CDU). Leider sei Tröglitz in Deutschland kein Einzelfall, Drohungen über soziale Netzwerke und Schmierereien seien Teil der rechtsextremen Strategie. Die große Mehrheit der Sachsen-Anhalter erkenne jedoch die Notwendigkeit, dass den Flüchtlingen geholfen werden müsste. Politik habe die Pflicht, bereits ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Engagierte zu unterstützen. Innenminister Stahlknecht hätte nach den Ereignissen in Tröglitz schnell gehandelt und die von ihm erlassenen Maßnahmen zeigten bereits Wirkung, so Kolze.
Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) stellte die Frage, warum es in Tröglitz nicht gelungen sei, die schweigende Mehrheit für eine Aktion „gegen Fremdenhass“ zu motivieren. „Warum muss man in unserer Gesellschaft so tief graben, um menschliche Gefühle und Solidarität freizulegen?“ Es sei in den letzten Jahren viel unternommen worden, beispielsweise vom Netzwerk für Demokratie, aber offenbar reichten diese Programme alle nicht aus, vermutete Thiel. Er sagte, es gebe noch viel im Bereich Zivilcourage zu tun, allein mit Erlassen zum Versammlungsrecht, könne man das Problem nicht lösen.
Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für den Alternativantrag der Fraktionen von CDU und SPD. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde abgelehnt.