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Plenarsitzung

Für und Wider des V-Leute-Systems

Die Umstände, die im September 2012 zur Enttarnung des V-Mannes „Corelli“ beigetragen haben, führten im Rahmen einer, von der Fraktion DIE LINKE beantragten, Aktuellen Debatte zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Fraktionen des Landtages. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Anhand seines Handelns im Zusammenhang mit der Enttarnung des V-Mannes des Verfassungsschutzes „Corelli“ als Thomas Richter stellten Abgeordnete der LINKEN und der Bündnisgrünen Sinn und Zweck des V-Leute-Systems generell in Frage.

Bei dem V-Mann „Corelli“, der inzwischen an einem Zuckerschock verstorben ist, handelte es sich um einen, wie die Abgeordnete der LINKEN, Henriette Quade, sagte, „überzeugten Neonazi“ aus Sachsen-Anhalt, der 18 Jahre lang für den Verfassungsschutz über die rechtsextremistische Szene berichtet und dafür mehr als 300 000 Euro erhalten haben soll. Im August und September 2012 wurde öffentlich in der Berliner TAZ, in der Mitteldeutschen Zeitung, im MDR und in der Volksstimme Magdeburg sowie in Bundestagskreisen über die Person, die hinter „Corelli“ steckt, diskutiert und spekuliert. Dabei wurde der Name Thomas Richters genannt,

Um in dieser Situation Gefahr für Leib und Leben des Informanten abzuwenden, erklärte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), habe er am 17. September 2012 nach Telefonaten mit dem Bundesinnenminister und dem Chef des Bundesverfassungsschutzes vier Journalisten zu „streng vertraulichen Hintergrundgesprächen“ eingeladen. Er wollte damit erreichen, dass in den Medien verantwortungsvoll mit Fakten und Schlussfolgerungen umgegangen werde. Spekulationen in der Öffentlichkeit über die Tätigkeit von Thomas Richter als „Corelli“ hätten seiner Meinung nach Racheakte der rechten Szene auslösen können und sollten vermieden werden. Dem Minister wurde daraufhin Geheimnisverrat vorgeworfen, weil kurz danach offen über die Identität des V-Mannes berichtet wurde.

Stahlknecht wies die Vorwürfe zurück und betonte mehrfach, dass er wegen der Gefährdungslage lediglich seiner „Amtspflicht“ nachgekommen sei, und das auch wieder so tun würde. Er räumte jedoch ein, dass es aus heutiger Sicht sinnvoll gewesen wäre, die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) zeitnah über die Mediennachfrage zu Thomas Richter und die vertraulichen Hintergrundgespräche zu informieren. Die PKK nahm diese Einschätzung des Innenministers am 2. Juli 2015 während einer Befragung „zustimmend zur Kenntnis“. Sie erwarte vom Minister, dass er die PKK zukünftig bei ähnlich brisanten Sachverhalten „unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß“ informiert.

In der Aktuellen Debatte stellte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben im Zusammenhang mit der „Corelli“-Enttarnung fest: „Es hätte besser laufen können.“ Um den Vorgang umfassend aufzuklären, seien Berichte vom Bundestag angefordert worden. Deshalb wolle er noch keine endgültige Bewertung vornehmen. Erben verteidigte das V-Mann-System. Der Verfassungsschutz brauche „menschliche Quellen“. Das System sei jedoch zugleich die Schwachstelle, weil es nicht klar geregelt sei, welche kriminelle Vergangenheit ein V-Mann haben und welche Straftaten er begehen darf.

Als „Anachronismus des Rechtsstaates“ bezeichnete Sebastian Striegel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dagegen das System der V-Leute, die vom Staat gekauft seien. Der Staat mache sich mit Verbrechern gemein. „Nazis werden zu Staatsdienern“, sagte er, was Proteste bei den Koalitionären hervorrief. Striegel sprach sich für eine mittelfristige Abschaffung des Verfassungsschutzes aus. „Bis dahin müssen wir ihn besser kontrollieren“, sagte er.

CDU-Fraktionschef André Schröder stellte sich hinter Holger Stahlknecht und betonte: „Entscheidend ist aber, dass wir an der Rechtmäßigkeit des Handelns des Innenministers keinen Zweifel haben.“ Schröder befürwortete ebenfalls das V-Leute-System. „Meine Fraktion möchte auch in Zukunft nicht auf den Einsatz von sorgfältig ausgewählten V-Leuten verzichten“, sagte er. Ihr Einsatz sei „ein unverzichtbares Mittel der Informationsgewinnung“. „Wer keine Informanten will, der will auch keinen präventiven Verfassungsschutz“, so der Fraktionschef.

Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Wulf Gallert, hob im Zusammenhang mit der „Corelli“-Affäre die Verantwortung von Politik und Medien hervor und deutete an, dass der Innenminister die Medien informiert habe, um den LINKEN für die Enttarnung den schwarzen Peter zuzuschieben. Stahlknecht müsse die Verantwortung übernehmen, tue es aber nicht. Im Zusammenhang mit Informationen über „Corelli“ alias Thomas Richter war mehrfach die linke Bundestagsabgeordnete Petra Pau genannt worden. Stahlknecht verwahrte sich gegen die Vorwürfe von Gallert. „Ich finde es unredlich, dass Sie mir unterstellen, dass ich die Hintergrundgespräche geführt haben, um die LINKE zu desavouieren.“ Er habe sehr wohl Verantwortung übernommen, und zwar um Gefahr von einem Menschen abzuwenden.

Am Ende einer Aktuellen Debatte werden keine Beschlüsse gefasst.