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Plenarsitzung

Ein Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen

Eine „Ausbildungsplatzgarantie“ für alle Jugendlichen in Sachsen-Anhalt ist das Ziel eines Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Darin soll die Landesregierung aufgefordert werden, zusammen mit den Kammern und Gewerkschaften, jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu garantieren. Außerdem plädieren die Grünen für eine sozialpädagogische Ausbildungsbegleitung, die Modularisierung der Ausbildung, eine landesweite Etablierung von Konfliktlotsen und eine verbindliche Berufsorientierung ab der 5. Klasse

Jeder dritte Ausbildungsvertrag in Sachsen-Anhalt wird vorzeitig aufgelöst und noch immer gibt es rund 400 Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Foto: Kurhan/fotolia.com

Dalbert: „Wer will, der kann!“

Die Zahl der freien Ausbildungsplätze nähere sich der Zahl der Ausbildungssuchenden an, da könnte man sagen, alles bestens. Bei genauer  Betrachtung sehe man aber, dass dies nicht der Fall sei, sagte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 400 Jugendliche haben keinen Ausbildungsplatz gefunden, jeder dritte Ausbildungsvertrag wurde vorzeitig aufgelöst – Tendenz steigend. Dazu kämen hohe Durchfallquoten bei Gesellenprüfungen. Das führe dazu, dass derzeit mehr als 9 000 junge Menschen in Sachsen-Anhalt unversorgt seien. Für die Grünen sei die Frage der beruflichen Ausbildung daher auch eine Frage der Gerechtigkeit. Dalbert betonte: „Alle Menschen haben das Recht auf eine gute berufliche Ausbildung.“

Die Ausbildungsplatzgarantie soll die derzeit bestehenden Übergangssysteme (Berufsvorbereitungs- oder Berufsgrundbildungsjahr) mittelfristig überflüssig machen. Dabei sollte laut Dalbert gelten: „Wer will, der kann!“ Der Ansatz stelle den jungen Menschen in den Mittelpunkt und setze die Forderung nach einer „Ausbildung für alle“ nicht allein in Bezug auf einen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Für kleinere Betriebe könnte insbesondere der Vorschlag der Modularisierung der Ausbildung von Interesse sein, weil dadurch Verbundausbildungen erleichtert würden. Außerdem bekämen die Jugendlichen während der Ausbildung regelmäßig Rückmeldung über ihre Leistungen, die Durchfallquoten bei Gesellenprüfungen könnten reduziert und bei einem Ausbildungsplatzwechsel könnten bereits erbrachte Leistungen anerkannt werden. Darüber hinaus sprach sich Dalbert dafür aus, dass bereits existierende Modell der Konfliktlotsen – die bei Problemen zwischen Betrieb und Ausbildern moderieren – flächendeckend zu etablieren.

Bischoff: „Vieles ist bereits auf dem Weg“

Der Minister für Arbeit und Soziales, Norbert Bischoff (SPD), erklärte, das vorgebrachte Anliegen der Grünen sei bereits Teil des strategisch-konzeptionellen Vorgehens der Landesregierung. Im Fachkräftesicherungspakt Sachsen-Anhalts hätte die Wirtschaft Ende vergangenen Jahres bereits bekräftigt, dass sie allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zusichern wolle. Dazu gehöre auch ein Programm des Arbeitsministeriums und der Arbeitsagentur in Sachsen-Anhalt unter dem Titel „Zukunftschance – assistierte Ausbildung“.  Dabei würden junge Menschen auf verschiedene Art und Weise bei der Ausbildung unterstützt.

Das Konfliktlotsenprogramm in Handwerksbetrieben laufe noch bis Sommer 2015. Danach soll es laut Minister Bischoff ausgewertet und auf andere Betriebe ausgeweitet werden. Der Landesausschuss für Berufsbildung befasst sich bereits mit der Durchlässigkeit von Berufswegen und modularisierter Ausbildung, die zunächst als Modelle erprobt werden sollen. Darüber hinaus sei Sachsen-Anhalt derzeit das einzige Bundesland, das in der 7. Klasse verpflichtend ein Projekt zur Berufsorientierung vorschreibt. Dies sei insbesondere auch in den Gymnasien wichtig, sagte Bischoff und begrüßte in diesem Punkt den Ansatz der Grünen. „Wir wollen alle Anstrengungen unternehmen, um in den nächsten Jahren konkrete und bessere Schritte gehen zu können.“

Keindorf: „Modularisierung nicht sinnvoll“

Es sei bemerkenswert, wie die berufliche Bildung derzeit Einzug in die politische Debatte finde, aber Masse sei nicht immer gleich Klasse, sagte Thomas Keindorf (CDU). Die Forderung nach einer Ausbildungsplatzgarantie hätte man schon vor zehn Jahren gehabt. Garantie mache derzeit keinen Sinn, weil es immer weniger Auszubildende gebe. Außerdem würde eine Garantie vielen Jugendlichen schon in der Schule die Motivation nehmen, sich für eine Ausbildung zu qualifizieren. Den Vorschlag, die Übergangssysteme abzuschaffen, begrüßte er, da ein direkter Übergang von Schule in Beruf immer zu präferieren sei. Ganz ohne werde es vermutlich jedoch aufgrund bestimmter Defizite einiger Schüler nicht gehen.

Seiner Ansicht nach verberge sich hinter der von den Grünen geplanten Modularisierung eine Akademisierung der Ausbildung, die so im Handwerk schwer durchsetzbar sei. Zum einen fürchtet er eine Art „Zertifikatschaos“, zum anderen könnten Leistungsschwächere verleitet werden, nicht bis zum Ende der Ausbildung durchzuhalten und ihre Arbeitskraft früher auf dem Markt anzubieten. Das könne jedoch nicht Sinn und Zweck sein, da die Wirtschaft breitaufgestellte und flexible Mitarbeiter benötige. „Eine nachhaltige Beschäftigungssicherung kann auf diesem Wege nicht erreicht werden“, meinte Keindorf.

Thiel: „Maßnahmendschungel lichten“

Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) stellte fest, die Zahl der Ausbildungsplätze nehme nicht zu, sondern tendenziell ab und das liege nicht nur an den sinkenden Schülerzahlen. Seit Längerem gebe es das Problem, dass in bestimmten Berufszweigen eine große Nachfrage vorherrsche, in anderen die Bewerber jedoch fehlten. Dies hänge häufig von Kriterien wie Attraktivität, Entlohnung und Karrierechancen ab, so Thiel. Grundsätzlich teilen die Linken den Ansatz der Grünen nach einem „Recht jedes Jugendlichen auf eine Ausbildung“, allerdings müsse man bedenken, dass manche Jugendliche auch „nicht wollen“.

Die Forderung nach Modularisierung sei interessant, dabei sollte dies jedoch nicht als Option zum „Teilfacharbeiter“ verstanden werden, weil dies direkt in die prekäre Beschäftigung führe. Auch das Thema einer sozialpädagogischen Ausbildungsbegleitung sehen die Linken positiv, hier stelle sich jedoch die Frage, wo diese angesiedelt und wie sie finanziert werden solle.

Die Abschaffung der Übergangssysteme sollte noch einmal vertiefend diskutiert werden. Notwendig sei jedoch, den „unübersichtlichen Dschungel an Maßnahmen in diesem Bereich mit kraftvollen Schnitten zu lichten“. Hier stehe der Bund genauso in der Verantwortung wie das Land. Thiel betonte abschließend: „Wer sich als Unternehmer nicht rechtzeitig um den eigenen Fachkräftenachwuchs kümmert und Arbeitsplätze anbietet, die durch gute Arbeit gekennzeichnet sind, dem ist auch in absehbarer Zukunft nicht mehr zu helfen.“

Wanzek: „Systematische Berufsorientierung"

Ein klares Bild über die eigenen Fähigkeiten und die Anforderungen im Beruf erleichterten die Berufswahl. Daher sei eine systematische und transparente Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen notwendig, sagte Patrick Wanzek (SPD). Ähnlich wie der Arbeits- und Sozialminister verwies er darauf, welche Programme zur Förderung der beruflichen Bildung es bereits gebe. Das Sachsen-Anhalt-Forum habe bereits eine Art „Ausbildungsgarantie“ abgegeben, auch wenn dies vielleicht anders genannt worden sei. Wanzek kritisierte das bisherige Übergangssystem ebenfalls als undurchsichtig, nicht jede Maßnahme sei wirklich zielführend.

Begrüßenswert sei dagegen das Landesprogramm „Regionales Übergangsmanagement des Landes Sachsen-Anhalt“ (RÜMSA). Es soll Arbeitsbündnisse auf Landkreisebene unterstützen, die den Übergang von der Schule in den Beruf dauerhaft positiv gestalten helfen, sodass Jugendliche der direkte Übergang besser gelinge. Wanzek fügte hinzu, dass Bildungspolitik dafür sorgen müsse, die Zahl der Jugendlichen in Übergangsystemen zu minimieren.

Der Antrag wurde in die Ausschüsse für Arbeit und Soziales (federführend) und für Wissenschaft und Wirtschaft sowie für Bildung und Kultur (mitberatend) überwiesen.