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Plenarsitzung

Chancengleichheit auch für Flüchtlinge

Trotz Fachkräftemangels haben es jugendliche Flüchtlinge in Deutschland schwer, eine Ausbildung zu beginnen. Die Fraktion DIE LINKE will die Landesregierung mit einem Antrag auffordern, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Zugangsfristen zu den Instrumenten der Ausbildungsförderung ebenso verkürzt werden, wie der Zugang zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen an sich. Denn ohne Zugang zu Ausbildungsbeihilfe, Berufsausbildungsförderung oder BAföG könnten jugendliche Flüchtlinge keine Ausbildung beginnen, so die Linken.

Berufliche Ausbildung sei der Schlüssel zu Arbeitsmarktintegration und zu einem selbstbestimmtem Leben für Flüchtlinge in Deutschland, so Minister Norbert Bischoff. Foto: ehrenberg-bilder/fotolia.com

„Bildung wirkt nachhaltig“ und Chancengleichheit müsse auch für jugendliche Flüchtlinge gelten, sagte Bianca Görke (DIE LINKE). Die Bundesregierung habe zwar die Verkürzung der Zugangsfristen zum Ausbildungsmarkt verändert, nicht aber die Fristen zur Ausbildungsförderung. Dies sei absurd und müsse schnellstens geändert werden, so Görke. Selbst die Bundesagentur für Arbeit habe an die Bundesregierung appelliert, sich um dieses Thema zu kümmern.

Die berufliche Ausbildung sei der wichtigste Schüssel für die Arbeitsmarktintegration und ein selbstbestimmtes Leben, bestätigte Norbert Bischoff, Minister für Arbeit und Soziales (SPD). Daher starte die Landesregierung in Kooperation mit dem Landesnetzwerk der Migrantenorganisation Sachsen-Anhalt bereits in diesem Sommer ein Modellprojekt. Dabei werden jugendliche Migranten während ihrer Ausbildung begleitet, um weiteren Unterstützungsbedarf abzuleiten. Bischoff räumte jedoch ein, dass auf Bundesebene die arbeitsmarktpolitischen Instrumente noch nicht richtig abgestimmt seien. So sei eine Berufsbeihilfe derzeit tatsächlich erst ab vier Jahren ununterbrochenem Aufenthalts in Deutschland möglich.

Der Antrag sei grundsätzlich richtig, sagte Angela Gorr (CDU) und erklärte, sie sei froh, dass sich die Landesregierung auf den Weg gemacht habe, in allen gesellschaftlichen Bereichen für eine Sensibilisierung zu werben, damit das Wort „Willkommenskultur“ mit Leben erfüllt wird. Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betonte, Sachsen-Anhalt könne als Einwanderungsland nur erfolgreich sein, wenn Flüchtlinge und Asylsuchende einbezogen werden. Häufig könnten jugendliche Flüchtlinge einem Betrieb nicht zusagen, bis zum Abschluss der Ausbildung zur Verfügung zu stehen.

Die schnelle Integration müsse zukünftig auch als „Win-Win-Situation“ für die Unternehmen in Sachsen-Anhalt gestaltet werden, erklärte SPD-Abgeordneter Ronald Mormann. Nicht nur der unklare Aufenthaltsstatus jugendlicher Flüchtlinge wirke sich negative bei der Ausbildungsplatzsuche aus, in vielen Betrieben mangele es auch an interkultureller Erfahrung. Neben der finanziellen Unterstützung durch Berufsausbildungsförderung müsste laut Mohrmann vor allem der Kontakt zwischen Betrieben und Flüchtlingen hergestellt werden.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde in die Ausschüsse für Arbeit und Soziales (federführend) sowie Wirtschaft und Wissenschaft (mitberatend) überwiesen.

Die Bundesregierung plant eine Neuregelung der Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Der Landtag beriet über mögliche Auswirkungen und geeignete Maßnahmen für die neue Situation. Foto: Robert Kneschke/fotolia.com

Im Fokus: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Ein weiterer Antrag beschäftigte sich mit der Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt. Grund für den Antrag sei zum einen die gestiegene Zahl an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, zum anderen plane die Bundesregierung ein Neuregelung über die Verteilung dieser Flüchtlinge, erklärte Linken-Abgeordnete Monika Hohmann. Danach sollen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zukünftig nach Königsberger Schlüssel auf alle Bundesländer verteilt werden und nicht mehr – wie bisher – dort bleiben, wo sie angekommen sind. 

Laut Antrag der Linken solle bei der Betreuung und Unterbringung der Flüchtlinge das Kindeswohl immer Vorrang haben. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollten daher nur in Kommunen mit guter öffentlicher Infrastruktur gebracht werden. Die Beratung, Unterstützung und Aufsicht von Vormündern müsste durch die Jugendämter sichergestellt werden. Ein weiteres Problem sah Hohmann im Altersfeststellungsverfahren. Die Linken sprechen sich hier für das „Vier-Augen-Prinzip“ aus und würden es begrüßen, wenn ein zweiter Arzt die jugendlichen Flüchtlinge untersucht. Darüber hinaus wird die Landesregierung mit dem Antrag aufgefordert, eine zwei Clearingstelle in der Stadt Halle einzurichten.

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zeigte sich erfreut, dass im Landtag offenbar Konsens darüber bestehe, dass das  Kindeswohl immer Vorrang haben muss. Sie begrüßte den Antrag der Fraktion DIE LINKE und verwies auf den Änderungsantrag ihrer Fraktion. In diesem schlagen die Grünen vor, eine Art Kompetenzzentrum zur Unterbringung, Begleitung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zu schaffen. Diese Aufgabe könnte von ein oder zwei Jugendämtern übernommen werden, so Lüddemann. Zudem sollte die Landesregierung Informationsmaterial für die Flüchtlinge in altersangemessener Sprache und in mehreren Übersetzungen erstellen.

Norbert Bischoff, Minister für Arbeit und Soziales (SPD), betonte, dass seine Mitarbeiter das Thema im Blick hätten und seit Wochen in anderen Städten Deutschlands unterwegs seien, um Erfahrungen zu sammeln. Das Thema sei jedoch komplex und er sprach sich dafür aus, zunächst abzuwarten, welche strukturellen Änderungen der Bund mit seiner Neuregelung vorgibt. Sonst könnten Teile des Antrags vielleicht schnell überholt sein.

Dieser Argumentation schloss sich Patrick Wanzek (SPD) an. Wichtig sei aus seiner Sicht, den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein „Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln, ihnen Zeit zum Ankommen zu geben und sie bei der Suche nach neuen eigenen Perspektiven zu unterstützen“. Der Antrag zielte auf schnelle und individuelle Hilfe und das sei gut so, sagte CDU-Abgeordneter Eduard Jantos. Aufgrund der geplanten Gesetzesänderung durch den Bund sei es wichtig, offene Fragen so schnell wie möglich zu beantworten. Daher schlug er vor, das Thema im Ausschuss so schnell wie möglich zu behandeln.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurden in den Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend) sowie in den Ausschuss für Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.