Die Fraktion DIE LINKE hatte für die Oktober-Sitzungstage eine Aktuelle Debatte beantragt, in der die Kürzungen im Hochschulwesen besprochen werden sollten. Da die mit den Kürzungen verbundenen Einschränkungen in der Ausbildungskapazität und der derzeitige Zustand in der Unterrichtsversorgung in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert würden, hielten die Linken eine öffentliche Positionierung der im Landtag vertretenen Fraktionen dazu für geboten.
Lange: Hochschulpolitik ist planlos gestaltet
Die betroffenen Schüler, Lehrer und Eltern wehren sich öffentlich gegen den akuten Unterrichtsausfall und Lehrermangel an den Schulen in Sachsen-Anhalt, erklärte Hendrik Lange (DIE LINKE). Die Kürzungspolitik an den Hochschulen habe katastrophale Folgen. Auf dem Rücken der Lehrkräfte werde die Sparpolitik der Landesregierung durchgesetzt, kritisierte der Bildungsexperte der Linken. Es fänden in vielen Bereichen nicht tragbare Ausdünnungen statt, beispielsweise bei den Geisteswissenschaften an der Uni Magdeburg. Die Vielfalt der Angebote gehe verloren, nachgefragte Studiengänge müssten aufgegeben werden. Dies sei der Qualität der Hochschulen abträglich.
Bereits zweimal hätten CDU-geführte Landesregierungen massive finanzielle Einschnitte in den Hochschulen durchgesetzt. Dadurch seien Lehre, Forschung und Innovationskraft für das Land geschwächt worden. Der Lehrermangel von heute sei das Ergebnis der Reduzierung der Lehramtsausbildung nach Halle vor einigen Jahren, konstatierte Lange. Die vorgezogenen Stellenbesetzungen bei den Lehrern empfindet er als kaum wirksame Trostpflaster. Das Land werde in seiner Hochschulpolitik planlos regiert, es sei Zeit für einen Wechsel, erklärte Lange abschließend.
Von Finanznotstand weit entfernt
Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) konterte die Ausführungen Langes mit konkreten Zahlen: Die Grundfinanzierung und weiteren finanziellen Mittel wüchsen im nächsten Jahr deutlich an. Von Kürzungen könne keine Rede sein. Investitionen im höheren Millionenbereich seien auch an die Universitätskliniken geflossen. „Von einem Finanznotstand an unseren Hochschulen sind wir weit entfernt“, betonte Möllring. Kein Ausbildungszustand sei so abgesichert wie der der Lehrerausbildung. Knapp 15 Millionen Euro flössen in diesen Sektor. Die Zielvereinbarungen mit den Hochschulen seien das Ergebnis von Verhandlungen auf Augenhöhe.
Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) ergänzte die Aussagen seines Kabinettskollegen Möllring. So gebe es im Land eine Lehrzeitversorgung von 101,4 Prozent, diese Zahl sei stabil. Die zusätzliche Sprachförderung gelinge, neue Sprachlehrer würden eingestellt oder hätten ihre Arbeit schon aufgenommen. In 2015 seien 600 Lehrkräfte eingestellt worden, so viele wie nie in der jüngeren Geschichte Sachsen-Anhalts, so Dorgerloh. Für das neue Schuljahr seien insgesamt 670 Lehrerneueinstellungen eingeplant.
Alles im Rahmen des finanziell Machbaren
Ulrich Thomas (CDU) kritisierte, dass DIE LINKE keine neuen Konzepte vorgestellt habe, wie die Hochschulausbildung optimiert werden könnte, stattdessen sei nur das übliche Klagelied angestimmt worden. Viel lieber hätte Thomas etwas davon gehört, wie sich die Linken die schärfere Profilierung der Hochschulen im Land vorstellten oder wie die Absolventen besser im Land gehalten werden könnten. „Wir haben viel von Quantitäten, aber nichts von Qualitäten gehört“, monierte der CDU-Politiker. Wahrheit sei, dass sich Sachsen-Anhalt über 500 Studiengänge leiste, oftmals am tatsächlichen Bedarf vorbei. Dennoch führe die Hochschulpolitik der Landesregierung zur planbaren Finanzsicherheit für die nächsten Jahre.
Der Wissenschaftsrat habe festgestellt, dass das Hochschulsystem im Land seinen Auftrag eindrucksvoll erfülle. „Das sehen die Koalitionsfraktionen auch so. Deswegen geben wir jedes Jahr mehr als 700 Millionen Euro für die Universitäten und Hochschulen aus“, erklärte Ulrich Thomas. Verhängnisvolle Kürzungen könne er nicht erkennen. Die Freiheit von Forschung und Lehre müsse sich immer am finanziellen Rahmen des Machbaren orientieren, dies sei in die Zielvereinbarungen zwischen Landesregierung und Hochschulen eingeflossen.
Schwer abzuzahlende Hypothek
„Die Unterrichtsversorgung ist katastrophal in diesem Land“, konstatierte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der Unterricht fiele in Größenordnungen aus, die Zeiten könne man bereits in Wochen rechnen. Das Land habe zwar lange Lehrer/innen ausgebildet, sie aber schlussendlich nicht eingestellt, sondern an andere Bundesländer verloren. Die Schuljahre starteten schon mit einer Versorgungsdelle; die zusätzlichen Flüchtlingskinder hätten damit gar nichts zu tun, sie kämen noch auf das Problem obendrauf. Noch kompensierten die Lehrerinnen und Lehrer den Unterrichtsausfall, aber lange könne dies nicht mehr gelingen: „Die Lehrkräfte fahren jetzt schon auf Verschleiß.“
Die Einschreibungszahlen bei der Lehrerausbildung seien in den letzten Jahren abgesunken. Wenn 600 oder auch 800 Lehrer im Jahr fehlten, dann reichten doch 700 Ausbildungsplätze gar nicht, „da produzieren Sie doch schon wieder den nächsten Engpass“, erläuterte Dalbert in Richtung Regierungsbank. „Sie hinterlassen da eine Hypothek, die schwer abzuzahlen sein wird.“
Finanzmittel in gebührendem Umfang erhöht
Corinna Reinecke (SPD) widersprach dem Linken-Kollegen Lange, man könne es nicht so stehenlassen, „dass nichts passiert sei“. Reinecke erwähnte diesbezüglich das Personalentwicklungskonzept des Landes und den Einstellungskorridor für Lehrerinnen und Lehrer. „Wir haben sehr wohl reagiert, eine Änderung ist in Sicht.“ Die finanziellen Mittel für Schulen und Hochschulen seien in gebührendem Umfang erhöht worden. Die von den Linken initiierte Aktuelle Debatte stehe schon unter dem Zeichen des Wahlkampfes, kritisierte die Bildungsexpertin der SPD.
Neueinstellungen könnten nur getätigt werden, wenn entsprechende Kräfte verfügbar seien, aber der Lehrermarkt sei bundesweit leergefegt, erklärte Dr. Katja Pähle (SPD). Es müsse in Zukunft gelingen, die Lehrerausbildung zu einem wahren Ausbildungsschwerpunkt an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu machen. Man müsse verstärkt in die Schulen gehen und Lehreramtsstudenten für die naturwissenschaftlicher Fächer und ganz speziell für den Sekundarschulbereich gewinnen. Die Gestaltung des Bildungsbereiches müsse mit Vorausschau betrieben werden, an das Problem müsse langfristig und strukturell herangegangen werden.
Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.