Eine artgerechte Tierhaltung, die an die Fläche angepasst und auf mehr Wertschöpfung in der Region orientiert ist – das ist Ziel eines Antrags der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Unter anderem soll mehr Mitbestimmung der Gemeinden bei großen Nutztierhaltungsanlagen ermöglicht werden. Mit ihrem Antrag „Bestandsobergrenzen für Tierhaltungen einführen“ will die Fraktion DIE LINKE Obergrenzen für Nutztierbestandsgrößen definieren lassen. Die ökologische Belastbarkeit der Umgebung und die Minimierung der Lebendtierexporte sollen dabei bedacht werden.
Zum Antrag der Grünen zum Stopp von Tierfabriken (PDF)
Zum Antrag der Linken zu Bestandsobergrenzen (PDF)
Frederking: „Tierfabriken stoppen!“
Tierfabriken müssen gestoppt und die Landwirtschaft geschützt werden, forderte Dorothea Frederking (Grüne). Die Schließung des Schweinezuchtbetriebs Straathof in Gladau (Jerichower Land) sei eine Zäsur in der Schweinehaltung. Dieser Fall sei der Beginn der Wende in der Tierhaltung. Jahrelang habe die Landesregierung die Debatte relativiert, kritisierte Frederking: Die Erfahrung zeige, dass Anlagen ab einer bestimmten Größe nicht vernünftig geführt werden könnten, das Tierwohl könne nicht gewährleistet werden. Die Stellschrauben (auch für die Förderfähigkeit solcher Standorte) müssten gedreht werden.
Die Massentierhaltung sei bestimmt durch Enge, Einschränkung, Monotonie und aggressives Verhalten der Tiere. Die Grünen fordern deshalb in ihrem Antrag mehr Platz für die Tiere im Stall, das Verbot des Abschneidens von Körperteilen, Einstreu und Auslauf für Weidetiere. Das System von Tierfabriken setze auf Gewinnmaximierung, massenhaftes Leid sei die Folge. Die niedrigen Fleischpreise auf dem Markt lösten einen unglaublichen Preisdruck aus, der auf die Tierhalter einwirke. Dieser Teufelskreis müsse durchbrochen werden, forderte Frederking, es bedarf fairer Erzeugerpreise. „Die Menschen wollen kein Fleisch von gequälten Tieren kaufen“, zeigte sich die Umweltexpertin der Grünen überzeugt. Man müsse die Menschen aufklären, woher das im Handel angebotene Fleisch stamme und wie es erzeugt worden sei – dies müsse auf den Produkten auch gekennzeichnet sein.
Auf Einhaltung von Tierschutzstandards drängen
Es sei gut und richtig, über die Nutztierhaltung zu sprechen, sagte Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens, leider schössen einige Akteure dieser Diskussion über das Ziel hinaus. „Was wir brauchen, ist eine wissenschaftsbasierte Diskussion.“ Die Bundesregierung habe sich des Themas Tierwohl angenommen, um eine tiergerechte Haltung in Deutschland zu fördern. Auch in Sachsen-Anhalt werde sich zum Thema engagiert, so gebe es unter anderem seit dem Jahr 2011 das Forum Nutztierhaltung. Der Schweinezuchtbetrieb Straathof in Gladau sei nach dem Verbot aufgegeben worden. Die Missstände hätten längst abgestellt werden können. Aeikens bedauerte den Verlust von 40 Arbeitsplätzen, aber die Schuld trage das Unternehmen und nicht die Politik.
Aeikens kritisierte, dass einige der von den Grünen im Landtag geforderten Aspekte auf Bundesratsebene von den Grünen nicht getragen würden. Er sprach sich für eine intensive Diskussion der beiden Anträge – beispielsweise zur Mitbestimmung von Gemeinden bei Stallneubauten – im Umweltausschuss aus. Aeikens versicherte, auf die Einhaltung von Tierschutzstandards in unserem Bundesland zu drängen, schwarzen Schafen solle das Handwerk gelegt werden – „das sind wir dem Berufsstand der Tierhalter, aber auch den Nutztieren schuldig“.
Standards nicht freimütig ändern
Alles, was dem Tierwohl diene, sei zu begrüßen, sagte Jürgen Barth (SPD), man müsse aber schauen, ob es sinnvoll und umsetzbar sei. Barth lobte die im Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Bund niedergeschriebene Tierwohloffensive. Die von den Grünen vorgetragenen Einforderungen seien also „Regierungsprogramm“. Man dürfe auf Landesebene die Standards für die Tierhaltung aber nicht freimütig ändern, wenn dadurch die Tierproduktion in andere (EU-)Länder verlagert werde. Als Beispiel nannte Barth die Produktion von Eiern für Fertigteigwaren und Backmischungen: Zwar gebe es im deutschen Handel keine Eier mehr, die in Legebatterien erzeugt worden seien, aber in eben solchen genannten Produkten steckten sie doch drin, da sie in anderen Ländern produziert würden, wo diese Haltung erlaubt sei.
„In den Händen der Handelsketten“
Neben der Regelung der inneren Struktur und Organisation der Arbeit in den Tierhaltungsanlagen sei enorm wichtig, deren Rahmenbedingungen und das gesellschaftliche Klima zu verändern. Landwirtschaftliche Erzeugnisse seien mittlerweile zu Ramschartikeln geworden, kritisierte Hans-Jörg Krause (DIE LINKE). Das Schicksal der Tierhalter liege in den Händen der Handelsketten – das müsse sich ändern. Es sei überfällig, sich der Thematik über Bestandsobergrenzen für Tierhaltungen anzunehmen – vor allem vor dem Hintergrund der unzumutbaren Zustände im Gladauer Zuchtstandort des Unternehmens Straathof.
Krause lobte das Bekenntnis von Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Tierschutz im Dezember 2014; das Kind sei da freilich schon in den Brunnen gefallen. Die Bestandsgrenzen sollen nach Ansicht der Linken territorial abgewogen gesetzt werden, und dies so, dass europarechtliche Schutzvorgaben für Gewässer, Böden und Luft eingehalten würden. Auch die Linken sprechen sich in ihrem Antrag für eine Erweiterung des Mitspracherechts der Bevölkerung bei Standortentscheidungen für Stallungen aus.
Bestandsobergrenzen nicht notwendig
Bernhard Daldrup (CDU) zeigte sich erbost über das Unternehmen Straathof, das alle anderen Tierhalter in Sachsen-Anhalt in Verruf gebracht habe. Die Mehrzahl der Tierhalter in Sachsen-Anhalt halte sich aber an Recht und Gesetz, versicherte der CDU-Umweltexperte und warb für den Ausbau der Tierwirtschaft. Bestandsobergrenzen seien seiner Ansicht nach nicht nötig, sie ergäben sich bereits auf Basis der existierenden Grundsätze der Tierhaltung. Daldrup nahm die Tierhalter in die Pflicht, für ihre Tiere im ausreichenden Umfang zu sorgen. Werden regelmäßig Kontrollen durchgeführt, bedürfe es keiner gesetzlichen Veränderungen.
Im Anschluss an die beiden unmittelbar nacheinander geführten Debatten wurden die beiden Anträge in den Umweltausschuss überwiesen.