Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will die Integration von Flüchtlingen durch konkrete Maßnahmen im Bereich Bildung und Arbeit unterstützen. Im Wesentlichen gab es von allen Fraktionen Zuspruch für den Antrag. Verschiedene Standpunkte wurden bei der grundsätzlichen Frage sichtbar, inwieweit Zuwanderung und Asylsuche unterschiedlich betrachtet werden sollten. Am Ende der Debatte wurde der Antrag zur weiteren Beratung einstimmig in die Ausschüsse für Inneres und Sport (federführend) sowie Arbeit und Soziales (mitberatend) überwiesen.
In ihrem Antrag schlagen die Grünen fünf konkrete Maßnahmen vor. Zunächst soll die Landesregierung gebeten werden, bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung die schulische, berufliche und sprachliche Qualifikation der Flüchtlinge zu ermitteln, sowie Erstorientierungskurse in der deutschen Sprache und Gesellschaftsordnung anzubieten. Außerdem sollen Jugendliche und junge Erwachsene bei der Erlangung eines Schulabschlusses unterstützt werden. In einem vierten Punkt empfehlen die Grünen, dass wenn es zur Aufnahme einer Berufsausbildung kommt, Auszubildende während dieser Zeit nicht abgeschoben werden sollten. Schließlich wäre es aus Sicht der Grünen wünschenswert an die Hochschulen zu appellieren, bei der Studienberatung zukünftig auch Flüchtlinge in den Blick zu nehmen.
Echte „Ankommenskultur“ entwickeln
Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erläuterte am Beispiel eines jungen Mannes aus Dagestan im Kaukasus, wie schwer es ist – trotz der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten – in Deutschland Fuß zu fassen, beispielsweise einen Schulabschluss zu machen und eine Ausbildung zu beginnen. Der junge Mann ist seit 2012 in Magdeburg und habe noch immer weder das eine noch das andere, so Herbst. Zunächst wurde seine Jugend von Warlords in Dagestan verschwendet und dann durch die deutsche Bürokratie, dies sei unverantwortlich.
Nach Ansicht von Herbst bestehe ein krasser Widerspruch zwischen den immer wieder formulierten Zielen und Verlautbarungen zur Integration von Flüchtlingen und der gesellschaftlichen Realität. Oft scheitere der Staat an sich selbst un dies sei keine Frage der Gesetze, sondern oft der Einstellung und struktureller Integrationshemmnisse, die schon länger bestünden. „Für echte Willkommenskultur, braucht es eine echte Ankommenskultur“, betonte Herbst. Dabei dürfte nicht zwischen Arbeitsmigration und Geflüchteten unterschieden werden.
Zuwanderung und Asyl nicht vermischen
Genau dies sieht Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) anders. Seiner Ansicht nach sei es wichtig, bei allen Aktivitäten, den Sinn und Zweck des Asylverfahrens im Blick zu behalten. Er denke es sei falsch, Zuwanderung und Asyl zu vermischen. Das Asylverfahren sei kein Instrument der Einwanderung. Unterstützungsmaßnahmen sollten daher Asylsuchende im Blick haben, die vermutlich länger bleiben werden. Menschen, über deren Bleiberecht noch nicht entschieden ist, bezeichnete er als eine besondere Herausforderung. Stahlknecht wiederholte seine Position, dass diejenigen, die keinen Asylgrund haben, Deutschland wieder verlassen müssten, dies sei für ihn auch eine „Frage des sozialen Friedens“.
Bezug nehmend auf das konkrete Maßnahmenpaket der Grünen verwies der Innenminister darauf, dass sich bereits einige der geforderten Maßnahmen an der Schwelle zur Umsetzung befänden. So gebe es Überlegungen, ein Modellprojekt mit der Bundesagentur für Arbeit zu starten, in dem die Qualifikationen der Flüchtlinge schon in der ZASt ermittelt werden. Die Landesregierung bereite zudem Schritte vor, mit denen jugendliche Flüchtlinge bei der Ausbildung unterstützt werden können. In Kooperation mit LAMSA soll bereits in diesem Sommer ein erstes Projekt starten.
Skeptisch zeigte sich Stahlknecht beim Ausbau von Deutschkursen in der Erstaufnahmenstelle, da die Verweildauer in der ZASt sehr gering und die Fluktuation sehr hoch sei. Darüber hinaus erklärte er, dass das Aufenthaltsrecht es bereits zulasse, dass für Zwecke der Ausbildung der Aufenthalt in Deutschland verlängert werden könne. Mit einem entsprechenden Erlass will er noch diesem Sommer die Auslandsbehörden darauf aufmerksam machen, auch auf diese gesetzlichen Möglichkeiten zurückzugreifen.
Kein Bleiberecht durch die Hintertür
Sachsen-Anhalt werde in diesem Jahr mehr Menschen aufnehmen, als die gesamte Tschechische Republik, sagte Jens Kolze (CDU) und wollte damit verdeutlichen, dass Sachsen-Anhalt seiner humanitären Aufgabe durchaus gerecht werde. Seiner Ansicht nach, würden die Herausforderungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht differenziert genug betrachtet. Kolze räumte jedoch ein, dass trotz aller Bemühungen der Zugang zu Arbeit und Integration für Asylsuchende noch weiter verbessert werden könne. Konkret griff er Vorschläge zur Sprachvermittlung und bei der Unterstützung von Jugendlichen auf.
Daneben schloss er sich der Position von Innenminister Stahlknecht an: Wenn Menschen keinen politischen Grund für Asyl hätten, dann müssten sie zurück in ihre Heimatländer. Dies sollte laut Kolze zeitnah und schnell geschehen. Außerdem schlug er vor, dass diese Menschen in Zukunft gar nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden sollten, um diese nicht zu belasten. Als Beispiel nannte er insbesondere Asylantragsteller aus den westlichen Balkanstaaten, die fast immer mit einer Ablehnung rechnen müssten. Es dürfe kein Bleiberecht durch die Hintertür geben, weil sich Asylsuchende gerade in einer Integrationsmaßnahme befänden.
Förderung unabhängig vom Aufnahmestatus
Bianca Görke (DIE LINKE) begrüßte den Antrag der Grünen-Fraktion und betonte, wie wichtig nachhaltige Konzepte bei der Integrationspolitik sind. Sie hob die frühe Sprachförderung als essentiell hervor – unabhängig vom Aufenthaltsstatus eines Asylsuchenden. Es dürfe hier keine Selektion stattfinden. Außerdem plädierte Görke für eine umfassende Evaluation der Weiterbildungsangebote für Lehrer, Verwaltungsmitarbeiter und Sozialarbeiter. Grundsätzlich wiesen die Forderungen des Antrags in die Zukunft und werden daher von den Linken unterstützt.
An die aktuelle Ausstellung im Landtag „Angekommen“, die sich mit der schwierigen, aber gelungenen Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen im Zweiten Weltkrieg beschäftigt, erinnerte Silke Schindler (SPD). Damals sei die Aufgabe bewältigt worden, weil es notwendig und geboten war. Dies müsse auch heute das gemeinsame gesellschaftliche Ziel sein. Seit dem Asylgipfel im Januar seien viele Schwierigkeiten nach und nach schon aus dem Weg geräumt worden oder werden demnächst umgesetzt. Entsprechende finanzielle Mittel sollen in den Nachtragshaushalt eingestellt werden. Schindler sieht Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg, die noch bestehenden Hürden abzubauen und betonte abschließend, dass die SPD-Fraktion nicht von vornherein „zwischen willkommen oder nicht willkommen“ unterscheidet.
Am Ende der Debatte wurde der Antrag zur weiteren Beratung einstimmig in die Ausschüsse für Inneres und Sport (federführend) sowie Arbeit und Soziales (mitberatend) überweisen.