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Plenarsitzung

'89/'90: „Ein Aufbruch in die Freiheit!“

Was ist aus den blühenden Landschaften geworden, die den Ostdeutschen im Zuge der Deutschen Einheit 1990 versprochen wurden? 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist man beim Festakt von Landtag und Landesregierung in Halle/Saale diesen Spuren nachgegangen. Ehrengast und Festrednerin war Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Staatskapelle Halle unter der Leitung von Josep Caballé-Domenech.

Youtube-Video zum Festakt „25 Jahre Deutsche Einheit – 25 Jahre Sachsen-Anhalt“am 1. Oktober 2015 in Halle/Saale. Youtube

„Was war, wo kommen wir her und noch wichtiger: wohin richten wir den Blick in die Zukunft“, fragte Landtagspräsident Detlef Gürth zu Beginn des Festakts „25 Jahre Deutsche Einheit – 25 Jahre Sachsen-Anhalt“. Nicht nur die „neue“ Bundesrepublik – bestehend aus den 16 Ländern – feiert dieser Tage Silberhochzeit, auch Sachsen-Anhalt als Bundesland begeht sein 25. Jubiläum. Durch das noch von der letzten Volkskammer verabschiedete Länderwiedereinführungsgesetz war 1990 der Weg für föderale Strukturen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR frei gemacht worden.

Die hermetisch abgeriegelte Grenze sei im Herbst 1989 erst durch wenige, später durch sehr viele mutige Menschen im wahrsten Sinne des Wortes eingerissen worden, erinnerte der Landtagspräsident. „Aus dem Herbst ’89 wurde ein Frühling, ein Aufbruch in die Freiheit.“ Auch wenn genau dieses Gefühl nicht verlorengehen werde, werde es doch immer schwieriger, es den nachfolgenden Generationen – mit ihren eigenen Wünschen, Hoffnungen und auch Schwierigkeiten – zu vermitteln. Gerade deswegen sei es unbedingt notwendig, die Jugend von heute in der Politik mitzunehmen und mitgestalten zu lassen. „Wir können auf das Erreichte stolz sein“, versicherte Gürth, „aber für eine gerechte Welt ist immer noch viel zu tun.“ Die Würde des Menschen ist unantastbar, heiße es in Artikel 1 des Grundgesetzes – dieses Bekenntnis sei heute wieder so aktuell wie es die Verfassungsväter und -mütter schon 1949 erkannt hätten.

Jedes „und“ ist voller Hoffnung

Neben Kindern der Hallenser Kita „Juri Gagarin“, die zu Händels „Wassermusik“ ein Tänzchen aufs Parkett der Händel-Halle legten, vermittelten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Landes- und Bundesfinale von „Jugend debattiert“ ihre Wünsche für die Zukunft des Landes. Das Land solle ein Mehrgenerationenhaus werden, das allen Altersgruppen gerecht werde, seine Potenziale für zukunftsorientierte Arbeitsplätze ausschöpfen, es soll weltoffen und hilfsbereit sein, Umwelt, Wirtschaft und Bildung voranbringen, die Gemeinschaft stärken und die unscheinbare, aber unverzichtbare Demokratie sichern. Durch Sachsen-Anhalt solle ein nie aufhörendes „und“ gehen und voranschreiten, denn ein jedes „und“ sei voller Hoffnung.

Enorme Aufbauleistung vollbracht

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff erinnerte in seiner Ansprache an den Aufbruch 1989. „Wir sind das Volk“-Rufe seien vor 26 Jahren durch die Straßen geschallt; „es war die größte Protestaktion in der DDR nach dem 17. Juni 1953.“ Damals seien die entscheidenden Schritte in Richtung Freiheit getan worden. „Einheit und Freiheit – am 3. Oktober 1990 sind sie Wirklichkeit geworden, der Verfassungsauftrag von 1949 konnte endlich umgesetzt werden.“ Seitdem sei eine enorme Aufbauleistung vollbracht worden, ohne Masterplan. Dank der solidarischen Hilfe der westlichen Bundesländer und der Europäischen Union seien großartige Fortschritte gemacht worden.

Das heutige Sachsen-Anhalt sei seinerzeit durch eine der stärksten Umweltverschmutzungen in ganz Europa geprägt gewesen. „Heute sieht man davon kaum noch etwas“, freute sich Haseloff, es bestehe zudem ein solides Fundament für die Wirtschaft. Sachsen-Anhalt soll ein Zugpferd unter den deutschen Ländern werden – „dafür lohnt es sich zu arbeiten!“ Seinen Dank richtete der Ministerpräsident an die Kommunen, sie seien Botschafterinnen des Landes und bewiesen jeden Tag, dass in Sachsen-Anhalt die kommunale Selbstverwaltung lebe. „Sachsen-Anhalt hat seine zweite Chance genutzt“, betonte Haseloff, dennoch lebten die Menschen hier nicht auf einer Insel der Glückseligkeit. Hinsichtlich der vielen Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, sagte er: „Die EU muss eine gemeinsame Antwort finden, wir brauchen ein Europa der Solidarität.“ 

National, europäisch, global

In seinem Wappen habe das Land Sachsen-Anhalt die politische Wende von 1989 geschickt verarbeitet, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: eine Mauer mit einem offenen Tor. „Deutsche Einheit“ – das seien nüchterne Worte für einen der glücklichsten Momente im Leben der Deutschen. Heute sei die Bundesrepublik ein anderes Land als noch im Jahr 1990. Damals sei das Tor zur Freiheit aufgestoßen worden, hin zu wirtschaftlichem Aufschwung, zu neuen Chancen. Sachsen-Anhalt hatte nicht nur umwelttechnisch und wirtschaftlich einen schweren Weg zu bestreiten, auch eine Landestradition fehlte. Das Zusammengehörigkeitsgefühl musste erst noch wachsen, heraus aus regionalen Traditionen und Identitäten.

Der konsequente Strukturwandel im Land sei unumgänglich gewesen, erinnerte Angela Merkel. Haben viele vor 25 Jahren ihre Arbeit verloren und tiefe Einschnitte in die eigene Biographie hinnehmen müssen, so glänze Sachsen-Anhalt heute mit einem industriellen Kern, erfolgreichen Unternehmen und unvergleichbarer Natur. Die Infrastruktur sei sehr gut ausgebaut, es herrsche eine hohe Lebensqualität. „In Sachsen-Anhalt lässt es sich genauso gut leben wie in anderen Teilen der Republik“, lobte die Bundeskanzlerin. Viele Aufbrüche im Kleinen und im Großen seien dafür nötig gewesen, viele Herausforderungen und Rückschläge hätten diesen Weg begleitet. Es sei aber eine Stärke des Landes, des Bundes und der EU, in schweren Zeiten zusammenzustehen und Probleme zu meistern.

Die noch vor uns stehenden Aufgaben könnten nur gemeinsam bewältigt werden, erklärte Merkel. National, europäisch, global – nur im Zusammenwirken dieser Kräfte könnten die Fragen von heute beantwortet werden, so zum Beispiel das Thema Flüchtlinge. Man müsse den Menschen helfen (nationale Aufgabe), die Außengrenzen Europas schützen (europäische Aufgabe) und die Ursachen der Flucht vor Ort bekämpfen (globale Aufgabe). „Politik ist die Lehre vom Möglichen“, zitierte Angela Merkel abschließend Otto von Bismarck. Diese Möglichkeiten müssten nur erkannt werden.