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Plenarsitzung

Stahlknecht warnt vor Überforderung

Deutschland habe beschlossen, 20 000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, das sei gut und notwendig, erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Henriette Quade, es reiche aber nicht aus. „Deutschland ist nicht nur in der humanitären Pflicht, mehr zu tun, Deutschland ist auch in der Lage“, sagte Quade. Auch Sachsen-Anhalt könne das, wenn man die entsprechende politische Priorität setze. Aus diesem Grund hatte ihre Fraktion einen Antrag in den Landtag eingebracht, durch den sich die Landesregierung auf Bundesebene unter anderem „für sofortige humanitäre Hilfe für die vor den Milizen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) Geflüchteten“ einsetzen soll. Außerdem soll sich die Landesregierung für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland starkmachen.

Der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ging der Antrag noch nicht weit genug, sie stellte daher einen Änderungsantrag. Dieser enthielt zusätzlich, dass sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, die Dublin-III-Verordnung für jene auszusetzen, die auf der Flucht vor dem „IS“ nach Deutschland gelangt sind. Beide Anträge wurden nach der Debatte zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Ein klares politisches Signal aus dem Landtag heraus – wie von den Linken gewünscht – blieb damit aus.

Eine syrische Familie, die im Libanon Schutz vor dem Terror der IS-Milizen gefunden hat. Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien sind neun Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Foto: UNHCR/F. Juez

Linke: Politisches Zeichen setzen

Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE Henriette Quade betonte zu Beginn der Debatte, die Verteidigung der kurdischen Stadt Kobane im Norden Syriens sei zu einem wirkungsvollen Symbol für die Verteidigung demokratischer Prinzipien geworden. Mittlerweile seien neun Millionen Menschen aus Syrien geflohen und 5,2 Millionen Menschen im Irak bräuchten humanitäre Hilfe. Die Hauptlast würden derzeit die Nachbarstaaten tragen. Im Libanon sei derzeit jeder fünfte Mensch ein Flüchtling.

Mit dem Antrag gehe es den Linken vor allem darum, ein dringendes politisches Zeichen zu setzen, sagte Quade. Es gehe um die Frage: „Was können wir aus Sachsen-Anhalt heraus tun? Und was müssen wir tun, um Elend und Leid zu mildern?“ Ihrer Ansicht nach müsste Hilfe vor Ort geleistet werden, allerdings müssten auch Flüchtlinge in Europa aufgenommen werden. Nur so könne man vor Ort für Entlastung sorgen.

Stahlknecht warnt vor Überforderung

Holger Stahlknecht, Minister für Inneres und Sport (CDU), sagte, es stehe außer Frage, dass den Menschen in Syrien und im Irak geholfen werden müsse. Seiner Ansicht nach müsse die Hilfe jedoch in der Region selbst verankert sein. Viele Vertriebene würden gar keine Flucht nach Europa wollen. Er plädierte dafür, die vom UNHCR eingerichteten Flüchtlingslager im Nordirak auszubauen und winterfest zu machen. Außerdem würden Deutschland und Sachsen-Anhalt ihrer humanitären Verantwortung bereits gerecht werden, so der Minister.

Man werde auch zukünftig Schutzsuchenden, die zu uns kommen helfen, „aber auch Aufnahmemöglichkeiten sind Grenzen gesetzt“. Stahlknecht sagte weiter, es sei wichtig, die Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass das mit der Ruhe und Gelassenheit gehe, die gebraucht werde, um nicht irgendwelche schwierigen Situation zu schaffen, die extreme Gruppierungen ausnutzen könnten, um ihr politisches Kalkül daraus zu schlagen. Daher warnte Stahlknecht davor, „uns selbst nicht zu überfordern, im Sinne der Menschen die zu uns kommen und im Sinne unseres Selbstverständnisses als Land“.

SPD und CDU plädieren für internationale Kooperation

Ähnlich sah das auch SPD-Abgeordnete Silke Schindler. Sie sagte, Deutschland sei bei der Aufnahme von Flüchtlingen bereits vorangegangen – mehr als manch anderes europäisches Land. Nach Meinung von Schindler müssten Lösungswege auf europäischer und internationaler Ebene gefunden werden.

Jens Kolze (CDU) sprach sich ebenfalls dafür aus, dass Sachsen-Anhalt keinen Alleingang starten dürfe. Es bedürfe einer engen Zusammenarbeit mit anderen Ländern, dem Bund und anderen EU-Mitgliedsstaaten. Am 28. Oktober werde auf einer Konferenz in Berlin beispielsweise mit 40 weiteren Nationen über die Erweiterung und Verbesserung der humanitären Hilfe verhandelt. Eine Hauptaufgabe sieht Kolze momentan in der humanitären Hilfe vor Ort. Niemand dürfe die Augen davor verschließen, dass es bereits jetzt Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen gebe. Mit Blick auf die Aufnahme von noch mehr Flüchtlingen sagte Kolze: „Wer die pauschale flinke Forderung zur weiteren Aufnahme von Flüchtlingen erhebt, der muss auch sagen, wie man die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen will.“  

Herbst überzeugt: „Wir können mehr!“

Der flüchtlings- und migrationspolitische Sprecher der Grünen, Sören Herbst, betonte, dass sich Sachsen-Anhalt in seiner Verfassung zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, der Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekenne. (Artikel 4, Absatz 2 der Landesverfassung). Daraus leite sich eine Verantwortung ab, die nicht an den Grenzen des Bundeslandes ende, erklärte Herbst. Zwar seien im vergangenen Jahr Maßnahmen zur Flüchtlingshilfe ergriffen worden, allerdings könnten Deutschland und Sachsen-Anhalt noch mehr leisten, ist Herbst überzeugt.

Außerdem sprechen sich die Grünen für eine Entbürokratisierung der Aufnahmemodalitäten aus, damit die Aufnahme auch zügig möglich ist. Es könne nicht sein, dass Kontingentflüchtlinge, die bereits eine Zusage erhalten haben, nach Deutschland auszureisen, seit fünf Monaten wegen bürokratischer Hürden des deutschen Konsulats in Istanbul festsitzen, erklärte Herbst: „Wenn wir solche Kontingente auflegen, sind wir es den Menschen schuldig, nicht so mit ihnen umzugehen!“ Er verwies darauf, dass ein Jahr, nachdem Deutschland zugesagt hatte, 10 000 Flüchtlinge aufzunehmen, immer noch nicht alle in Deutschland seien. Außerdem wollen sich die Grünen dafür einsetzen, dass die Flüchtlinge, die auf dem üblichen Wege – also nicht als Kontingentflüchtlinge – nach Deutschland gekommen seien, nicht durch das Dublin-III-Abkommen gleich wieder in andere europäische Länder abgeschoben werden. Das seien wir den Menschen schuldig, so Herbst.

Quade bedauert fehlendes politisches Signal 

Henriette Quade bedauerte abschließend, dass Sachsen-Anhalt kein politisches Signal aussende, dies wäre auch für die hier lebenden Flüchtlinge wichtig gewesen. Die Linken hätte den Antrag bewusst allgemein gehalten, um einen Konsens unter den Abgeordneten aller Fraktionen zu erreichen. In der Bremischen Bürgerschaft sei dies vor Kurzem gelungen. „Ruhig und gelassen“, wie vom Minister gefordert, könne sie bei dem Thema nicht bleiben.

Zum Abschluss der Debatte haben die Abgeordneten den Antrag der Linken und den Änderungsantrag der Grünen einstimmig zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.