Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzte sich mit einem Antrag dafür ein, das Schnabelkürzen bei Legehennen zu verbieten. Aus Sicht des Tierschutzes sei diese Praxis völlig inakzeptabel, heißt es im Antrag der Grünen. Derzeit werden in vielen Boden- und Freilandgehegen – mit Ausnahme von Biohaltungen – routinemäßig die Schnäbel bei Küken gekürzt. Das Schnabelkürzen soll Kannibalismus und Federpicken auf engem Raum vorbeugen, ist allerdings sehr schmerzhaft für die Tiere. CDU und SPD brachten einen Alternativantrag ein, durch den die Legehennenbetriebe in Sachsen-Anhalt auf den bundesweiten Ausstieg aus dem Schnabelkürzen ab dem Jahr 2017 vorbereitet werden sollen.
Haltung an Tierbedürfnisse anpassen
„Wir gehen mit den Tieren nicht gut um“, erklärte Dorothea Frederking (Grüne) und forderte von Politik, Handel und Verbrauchern einen respektvollen Umgang mit Nutztieren. Beim im Antrag thematisierten Schnabelkürzen bei Legehennen handelt es sich um ein schmerzvolles Prozedere für die Tiere. Ohne Betäubung wird den Jungtieren mit einem heißen Messer oder per Infrarotstrahl der Schnabel kupiert (beschnitten), damit gegenseitiges Federpicken und Kannibalismus in der engen Haltung vorgebeugt wird.
Dabei handele es sich beim Schnabel um das wichtigste Tastorgan des Huhns, vergleichbar etwa mit den Finderspitzen beim Menschen, sagte Frederking. Amputationen seien laut Tierschutz verboten, die untere Veterinärbehörde könne sie aber erlauben, wenn der Eingriff für den Schutz der Tiere (im Umstand ihrer Haltung) unerlässlich sei. Diese Ausnahmeregelung sei in Deutschland leider die Regel. „Wir sind in der Pflicht, das zu beenden“, forderte Frederking.
Anstatt die Hühner an ihre Lebensbedingungen anzupassen, sollten die Haltungsbedingungen an die Tiere angepasst werden. Federpicken und Kannibalismus könnten so drastisch reduziert und verhindert werden. Die Tiere bräuchten zudem Auslauf im Freien und Tageslicht. Man müsse die Zusammensetzung des Futters ändern, ein Lichtmanagement einführen, dass Stallklima besser regeln und den Tieren Beschäftigungsmaterial anbieten.
Es sei zu unterstützen, dass in Sachsen-Anhalt die Schnabelbeschneidungen schnellstmöglich aufgegeben würden: Die Lebensmittelhändler hätten beschlossen, ab 2017 auf den Verkauf von Eiern zu verzichten, die unter der Praxis des Schnabelkürzens erzeugt worden sind. Es dürfe nicht länger mehr nur um Gewinnmaximierung gehen, der Wettlauf um billigere Ware sei zu stoppen. Der höhere Aufwand dürfe sich dann auch in fairen Preisen niederschlagen. Dass Eier aus Käfighaltung stehen gelassen würden, hätten auch wenige für möglich gehalten und doch gebe es sie heute in den deutschen Supermärkten nicht mehr, weil die Verbraucher das Tierwohl anerkannt hätten, so Frederking.
Nur stufenweises Vorgehen sinnvoll
Die Legehennenhaltung ist laut Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens seit vielen Jahren in der Diskussion. Zuletzt hätten Fragen zu den Haltungssystemen im Vordergrund gestanden, jetzt sei es das Schnabelkürzen. Die Notwendigkeit des Kürzens werde dabei ebenso diskutiert wie der Ausstieg aus dieser Praxis. Momentan gebe es jedoch kein Patentrezept, um Federpicken und Kannibalismus in den Ställen zu verhindern, sagte Aeikens. Sinnvoll sei nur ein stufenweises Vorgehen beim Ausstieg, ein kurzfristig festgelegter Termin würde zu vielen verletzten und verendeten Tieren führen (wenn die Ställe nicht entsprechend verändert sind). Es bedürfe aber keiner Etablierung einer Arbeitsgruppe, um das weitere Vorgehen zu koordinieren, sagte der Minister und erteilte dem Anliegen der Grünen damit eine Absage. Der von den Grünen geforderte Erlass zum Verbot des Schnabelkupierens sei entbehrlich, da es in Sachsen-Anhalt keine Brütereien für Legehennen gebe.
Dialog mit Wissenschaft und Wirtschaft
Der Ausstieg aus der Praxis des Schnabelkürzens solle so schnell wie möglich erfolgen, erklärte Jürgen Barth (SPD). Die Umstellung müsse jedoch unter Tiergesichtspunkten zum Erfolg gebracht werden. Verböte man es sofort, würde es zu vielen Schwierigkeiten in den Ställen kommen. Barth schlug vor, im Forum Nutztierhaltung eine Fachtagung durchzuführen, die den Ausstieg aus dem Schnabelkürzen thematisierte. Barth sprach sich gegen ein pauschales Misstrauen gegen die Betriebe im Land aus und hält den von den Grünen gewünschten Erlass (zum Verbot des Schnabelkürzens) nicht für angemessen. Nichtsdestoweniger seien höhere Tierschutzstandards nur zu begrüßen, auch wenn diese eine kleine Preissteigerung zur Folge hätten. Der SPD-Abgeordnete forderte – wie im Alternativantrag der Koalition notiert – eine sachliche Debatte im Agrarausschuss, darüber hinaus sei mit Betrieben und Wissenschaftlern in Dialog zu treten, um letzthin fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Nahrungsmittel nicht verramschen
„Es geht darum, Nägel mit Köpfen zu machen“, brachte Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) seinen Standpunkt in Sachen Schnabelbeschnitt auf den Punkt. In Österreich sei dieser Schritt schon vor zehn Jahren getätigt worden, seit 2005 dürfe dort nicht mehr kupiert werden. Ziel der Anstrengungen müsse jetzt sein, die Tiere nicht mehr auf ihre Haltungsbedingungen zurechtschneiden zu wollen. Vor einigen Jahren habe es eine ausgedehnte Debatte um die Käfighaltung von Legehennen gegeben – über die ökonomische Belastung durch deren Abschaffung spreche heute niemand mehr, weil sie sich bewährt habe. Krause prangerte dennoch die vielfache Willkür im Handel an: Eier, Fleisch und andere Nahrungsmittel würden wie Ramschartikel angeboten – da müsse das Wohl des Tieres zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Hier müsse entgegengesteuert werden.
Bewusstseinsumstellung erlangen
Es herrsche Konsens darüber, das Schnabelkupieren so schnell wie möglich abzuschaffen, räumte Bernhard Daldrup (CDU) ein und bestätigte die Forderungen des Alternativantrags der Koalition. Die Haltungsbedingungen müssten so an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden, dass die Gefahr des gegenseitigen Pickens nicht mehr gegeben sei. Man dürfe jetzt aber nicht vorschnell handeln – nicht zum Preis von anderen Tierschäden (man könne das Beschneiden nicht verbieten, wenn die Haltungsbedingungen noch nicht in Einklang gebracht worden seien), nicht zu Lasten der Wirtschaft und schon gar nicht aus reinem Populismus heraus, den Daldrup im Antrag der Grünen erkannt haben wollte. Die entscheidenden Regelungen seien schon auf den Weg gebracht, die CDU stehe für eine vernünftige, wissensbasierte Umstellung. Es müsse zur Bewusstseinsumstellung bei den Tierhaltern und den Verbrauchern kommen.
Der Antrag der Grünen wurde im Anschluss an die Debatte von der Koalition abgelehnt. Der Alternativantrag von CDU und SPD wurde mit deren eigenen Stimmen angenommen. Grüne und Linke enthielten sich.
Foto: K. Rockmann / pixelio.de
Foto: pixelio.de