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Plenarsitzung

Runder Tisch zur Flüchtlingspolitik

Die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Sachsen-Anhalt hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren verbessert, allerdings gibt es „auch noch Luft nach oben“. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des Jahresgesprächs zwischen Mitgliedern des Runden Tisches gegen Ausländerfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt und Vertretern aller vier Fraktionen im Landtag. Außerdem kamen alle Beteiligten überein, dass das Dublin-Abkommen auf Bundesebene noch einmal überdacht werden sollte. Am 9. Oktober verhandelten in Brüssel auch die Innenminister der europäischen Länder über das Thema.

9. Gespräch des „Runden Tisches gegen Ausländerfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt“ mit Vertretern aller vier Landtagsfraktionen. Foto: Stefanie Böhme

Als Schirmherr des Runden Tisches mahnte Landtagspräsident Detlef Gürth zu Beginn an, dass es gelingen müsse, „die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge und Asylsuchenden in unserem Land so hinzubekommen, dass wir uns nicht dafür schämen müssen“. Gleichzeitig dankte er den Mitgliedern des Runden Tisches für ihr Engagement. Durch ihre unermüdliche Arbeit sei es gelungen, viel Leid zu mindern und Erleichterungen und Verbesserungen zu schaffen, die laut Aktenlage oft kaum möglich schienen. Für die Zukunft sieht Gürth eine große Aufgabe darin, „noch größere Sensibilität für Flüchtlinge innerhalb der Bevölkerung zu schaffen, die nicht immer vorhanden ist“.

Weniger Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften

Die Wohnungsunterbringung erfolge mittlerweile zu 60 Prozent dezentral, im vergangenen Jahr waren es nur 52 Prozent, betonte Christa Dieckmann vom Ministerium für Inneres und Sport. Sie wertete dies als positives Zeichen. Auch wenn die vom Ministerium erlassenen Leitlinien für die Unterbringung und Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländerinnen und Ausländern in Sachsen-Anhalt nicht rechtsverbindlich seien, würden sich die meisten Kommunen trotzdem weitestgehend daran halten. 

Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte in Sachsen-Anhalt, fügte hinzu: „Die Kommunen sind sensibilisiert, was sie mit der Unterbringung der Flüchtlinge bewirken.“ Nachdem die Kommunen 2007/2008 mit dem Abbau von Wohnkapazitäten begonnen hatten, müssten sie jetzt wieder mehr Wohnraum organisieren. Sie verwies auf positive Rückmeldungen von kommunalen Wohnungsunternehmen, die bereit wären, noch mehr Flüchtlingen eine Wohnung zu stellen. Allerdings hätten die Wohnungsunternehmen betont, dass sie Unterstützung bei der sozialen Betreuung der Flüchtlinge und Asylsuchenden bräuchten.

Meinungen aus den Fraktionen

Die Fraktion DIE LINKE kritisierte, dass der Erlass zur Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu viele „Kann-Bestimmungen“ enthalte und damit zu viel Raum für Interpretationen biete. Stattdessen spricht sie sich für verbindliche gesetzliche Regelungen aus. Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Henriette Quade, betonte, dass ihre Fraktion eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge ganz klar befürworte. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Nordrhein-Westfalen betonte Quade, dass natürlich auch qualifiziertes Personal nötig sei. Die derzeitige Politik sei ihrer Ansicht nach nicht darauf ausgerichtet, die Asylsuchenden zu integrieren, sondern sie stattdessen möglichst schnell wieder loszuwerden.

Der flüchtlings- und migrationspolitische Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sören Herbst, sagte: „Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie in den 1990er Jahren und riesige Gemeinschaftsunterkünfte hochziehen.“ Auch Container-Lösungen hält er für falsch. Zwar habe er Verständnis dafür, dass in der momentanen Situation nicht jeder Flüchtling sofort eine Wohnung beziehen könne, allerdings müssten die Zeiträume in Gemeinschaftsunterkünften weiter verkürzt werden, so Herbst. Nicht länger als drei bis sechs Monate wären aus seiner Sicht angemessen. Zudem plädierte er dafür, die Leitlinien des Ministeriums dezidiert daraufhin zu überprüfen, welche Punkte rechtsverbindlich umgesetzt werden könnten.

Der Vertreter der SPD-Fraktion am Runden Tisch, Patrick Wanzek, schloss sich im Wesentlichen den Ausführungen der Linken- und Grünen-Fraktion an. Auch die SPD habe sich immer wieder für eine dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden ausgesprochen, außerdem müssten die Standards bei Unterbringung und sozialer Betreuung eingehalten werden. Nach Ansicht von Wanzek sollte sich auch der Bund stärker bei der Finanzierung einbringen.

Jens Kolze, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, sieht Sachsen-Anhalt mit den vom Innenministerium erlassenen Leitlinien auf einem guten Weg: „Wir sind ein weltoffenes Land und kümmern uns um die Menschen, die zu uns kommen.“ Eine komplett dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden hält Kolze jedoch für falsch, da die Menschen in der neuen Umgebung zunächst die Nähe ihrer Landsleute bräuchten. Bei den Beratungen zum Haushaltsentwurf werde derzeit geprüft, wie die finanziellen Mittel für die gestiegene Zahl an Flüchtlingen aufgestockt werden könnten, so Kolze.

Kommunalpolitiker sind gefordert

Monika Schwenke, Abteilungsleiterin Sozialarbeit im Caritasverband für das Bistum Magdeburg, sprach sich dafür aus, dass Landräte und Oberbürgermeister zukünftig mehr Verantwortung übernehmen sollten. Schwenke sagte, die Bevölkerung vor Ort schaue nach oben, wie Lokalpolitiker mit dem Thema Flüchtlinge umgehen, daran würden sie sich orientieren. Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen Sachsen-Anhalt, Albrecht Steinhäuser, ergänzte: „Wenn die Bevölkerung und die lokalen Vereine von Anfang an beteiligt werden, würden viele Konflikte gar nicht erst entstehen.“ Seiner Meinung nach müsste die Betreuung von Flüchtlingen zukünftig als „modulare Aufgabe“ verstanden werden.

Soziale Betreuung auch in dezentraler Wohnung

Eines der Module – hier waren sich alle Anwesenden einig – müsste zukünftig neben der reinen Unterbringung die soziale Betreuung der Flüchtlinge und Asylsuchenden sein. Hierzu bedarf es ausgebildeter und erfahrener Sozialarbeiter. Momentan sei es in vielen Gemeinschaftsunterkünften noch so, dass der Hausmeister für viele Flüchtlinge der einzige Ansprechpartner ist. Damit Flüchtlinge auch außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften sozial betreut werden können, müsste jedoch zunächst der Erlass des Ministeriums geändert werden, so die Landesintegrationsbeauftragte Susi Möbbeck. Die Sozialarbeiter könnten sich dann ihrer Ansicht nach nicht nur um die Flüchtlinge kümmern, sondern auch bei Konflikten mit der Nachbarschaft helfen.