Der Umweltausschuss des Landtags führte am Mittwoch, 22. Oktober, eine öffentliche Anhörung zur Novellierung des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt durch. Auf dem Plan standen gleich zwei Gesetzentwürfe, einer erster von der Landesregierung, ein zweiter von den Fraktionen von CDU und SPD. Die eingeladenen Fachleute hatten die Möglichkeit, zu beiden Gesetzentwürfen Stellung zu beziehen und gegebenenfalls Änderungswünsche vorzutragen.
Mit der Änderung des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt sollen alle rechtlichen Möglichkeiten der Unterschutzstellung von Europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der Richtlinie zu den „Natura 2000“-Gebieten eröffnet und bislang getrennte Zuständigkeiten im Hinblick auf die Schutzgebietsausweisung und Schutzmaßnahmen zusammengeführt werden. Die Landesregierung hatte dazu im Juli 2014 einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Ziel der Gesetzesnovelle ist die Beschleunigung der Verfahren der europarechtlich angeordneten Unterschutzstellung. Neben der Ausweisung von Schutzgebieten gemäß Bundesnaturschutzgesetz und vertraglichen Lösungen soll nunmehr eine landesweit geltende Verordnung einen Grundschutz vermitteln, der gebietsspezifisch mit weiteren Schutzmaßnahmen ergänzt werden soll.
Die Fraktionen von CDU und SPD streben mit ihrer Gesetzesnovelle an, das sogenannte Ökopunktemodell zu stärken (Kompensationsmaßnahmen nach Eingriffen in den Naturhaushalt), die erforderlichen Hochwasserschutzmaßnahmen zu beschleunigen, den zur Umsetzung des Gesetzes erforderlichen administrativen Aufwand ohne eine qualitative Beeinträchtigung zu senken sowie den Vorhabensträgern mehr Rechts- und Planungssicherheit zu geben.
Gesetzentwurf der Landesregierung (PDF)
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD (PDF)
Die Wortmeldungen der Angehörten
Oliver Wendenkampf vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) riet dazu, in den im Gesetzestext dargelegten allgemeinen Vorschriften die Ziele, Grundsätze und Pflichten, die das Gesetz verfolge, einzufügen und die späteren Zuständigkeiten zu konkretisieren. Die Ausweisung von „Natura 2000“-Gebieten müsse seiner Ansicht nach im Parlament besprochen und entschieden werden und nicht allein durch eine Verordnung der Landesregierung.
Schon in einer unter der Regie der Landesregierung stattgefundenen Anhörung hatte sich der Landkreistag der Novellierung des Gesetzes positiv gegenübergestellt. Peter Weiß, Beigeordneter des Landkreistags, machte in der Anhörung im Umweltausschuss aber noch einmal deutlich, dass es aufgrund des zu erwartenden Mehraufwands in der Verwaltung für die Durchsetzung der Schutz- und Erhaltungsziele sowie der Ge- und Verbote zu einer Ausgleichsregelung (zusätzliche Fachkraft) kommen müsse. Der Kostenausgleich sei derzeit noch nicht zufriedenstellend geregelt. Weiß räumte aber ein, dass eine konkrete Ermittlung zu diesem Zeitpunkt noch schwierig sei, weil der tatsächliche Aufwand schwer abzuschätzen sei.
Uwe Baier vom Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt (SGSA) meldete sich zum Entwurf von CDU und SPD zu Wort. Der SGSA ist der Auffassung, dass es bei der Ausweisung von Biosphärenreservaten zu einer Ergänzung im Gesetzestext kommen müsse. Ausgewiesen dürften solche Gebiete nur werden, wenn das Einvernehmen der betroffenen Gemeinden vorliege. Anderenfalls handele es sich um einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und Planungshoheit. Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung dürfe nicht beeinträchtigt werden – zum Beispiel hinsichtlich der Auslastung von Gewerbegebieten und der Neuansiedelung von Unternehmen.
Der Landesanglerverband Sachsen-Anhalt e. V., vertreten durch Axel Ritzmann, setzt sich im Sinne einer nachhaltigen Nutzung der von ihm betrauten 12 000 Hektar Gewässer für eine Miteinbeziehung der Fischbestände ein, wenn es um die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft bei von öffentlich-rechtlichen Auftraggebern durchzuführenden Maßnahmen zum Hochwasserschutz geht. Der Passus findet sich im Gesetzentwurf von CDU und SPD im neuen Absatz 1 des § 10.
Grundsätzlich stimmt der Landesbauernverband Sachsen-Anhalt e. V. dem Änderungsgesetz der Landesregierung zu. Fachreferent Edgar Grund machte klar, dass sich sein Verband ebenfalls dafür ausspreche, dass Biosphärenreservate nur im Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden zu bestimmen seien. Zudem erhob er die Forderung, für jede „Gebietskulisse“ ein selbständiges Anhörungsverfahren durchzuführen. Die Landesregierung dürfe nicht berechtigt sein, durch eine einzige Verordnung gleichzeitig alle gebietsspezifischen Schutzmaßnahmen festzulegen. Eine Anhörung, in der zur gleichen Zeit alle diese Maßnahmen von den so unterschiedlichen betroffenen Institutionen und Interessenvertretern erörtert werden müssten, sei nicht zweckmäßig.
Die Industrie- und Handelskammern (IHK) in Sachsen-Anhalt halten das Instrument der Ökokonten für ein bewährtes Mittel. Die Umsetzung des Ökopunktemodells sei aber noch nicht perfekt. Die Regelungen zu Kompensationsmaßnahmen (CDU-SPD-Entwurf, § 7) findet Zustimmung, sollte aber durch eine weitere Regelung zur Nichtverwendung von Ökopunkten ergänzt werden, sagte Dr. Jochen Zeiger von der IHK Magdeburg. Andreas Scholtyssek, Vertreter der IHK Halle-Dessau begrüßte den Gesetzentwurf der Landesregierung, lehnte aber den Wegfall der Zustimmungserfordernis bei der Ausweisung von Biosphärenreservaten ab. Es sei eine besondere Art des Naturschutzes, in den der Mensch aktiv integriert sei. Der Wille einer Region (beispielsweise Südharz, wo es Gegner der Reservat-Ausweisung gibt) werde durch den Gesetzentwurf bewusst ignoriert. Die örtliche Mitbeteiligung sei aber dringend geboten.
Der Förderverein „Zukunft im Südharz e. V.“ setzt sich für die Ausweisung eines Biosphärenreservats aus. Dessen Vorsitzende Dr. Urte Bachmann erklärte, dass bei der Entscheidung vor Ort eine bereits bestehende Mehrheit Durchsetzungskraft haben sollte. Sie forderte eine Konkretisierung bei den Antrags- und Bewertungskriterien, einhergehend mit Pflege- und Entwicklungsplänen für die Biosphärenreservate.
Der Naturpark Drömling befindet sich gerade auf dem Weg der Weiterentwicklung zum Biosphärenreservat. Dessen Leiter Fred Braumann erklärte, die Gesetzesnovellen könnten bei der Diskussion durchaus hilfreich sein. Drei der vier betroffenen Gemeinden seien schon für das Projekt gewonnen. Braumann wünscht sich, dass im Zuge des Novellierungsverfahrens auch geklärt werden würde, welche Einschränkungen und ob überhaupt welche bei der Ausweisung eines Biosphärenreservats zu erwarten seien.
Die von CDU und SPD vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stoßen beim Landesverband für Landschaftspflege Sachsen-Anhalt e. V. auf Zustimmung. Das Ziel des geänderten § 23 im Gesetzentwurf der Landesregierung werde unterstützt, so die Vorsitzende Kerstin Rieche. Der Verband spricht sich für differenzierte Schutzgebietsbestimmungen aus, eine allgemeine Verordnung werde den naturschutzrechtlichen Erfordernissen nicht gerecht. Des Weiteren sollen so wenige Bewirtschaftungsverbote wie möglich ausgesprochen werden, weil daran unmittelbar die Beantragung von Fördermitteln abhänge.
Eberhard Schoster von der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH begrüßte die geplante „Belebung“ der Verordnung. Ein Prüfkriterium in Sachen Nutzung der Ökokonten/Ökopunkte müsse die Landwirtschaftsverträglichkeit der Kompensationsmaßnahmen sein. Die im Gesetzentwurf geplante Übertragung der Zuständigkeit vom „für Naturschutz zuständigen Ministerium“ auf die „obere Naturschutzbehörde“ führe zur Erleichterung der Verfahren, so Schosten.
Die intendierte Stärkung des Ökokontos werde ausdrücklich begrüßt, erklärte Michael Makala von der Hochschule Anhalt. Die Präzisierung des § 10 im Entwurf von CDU und SPD schaffe notwendige Klarheit. Befremden gebe es aber bei der offensichtlich geplanten „Grundschutzverordnung“. Eine einheitliche Landesverordnung für alle unterschiedlichen Landschaftsbereiche im Land sei nicht praktikabel und könnte zur Verzögerung der Anwendung führen. Makala schlug – dem Beispiel Sachsens folgend – einzelne Schutzverordnungen für die verschiedenen Gebiete vor.
Werden Pflege- und Restaurationsmaßnahmen in Gartenparks nicht als „Eingriff“ gewertet, sind auch keine Kompensationsmaßnahmen durchzuführen. Diesen Passus wollte Dr. Thomas Weiß, Vorstand und Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, in den Gesetzentwurf aufgenommen wissen. Die Freischneidung von Sichtachsen, die Wiederherstellung von historischen Parkstrukturen und die Fällung von Bäumen, die Gebäude bedrohen, dürften im Zusammenhang mit den Landschaftsgärten nicht wie herkömmliche Eingriffe in den Naturhaushalt gewertet werden. Die Restaurierungsleistungen seien als denkmalschützerische Maßnahme zu verstehen, die keiner Kompensation bedürfe. Ähnlich sah es auch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Denkmalpflege und Naturschutz basierten in diesen Anlagen – Beispiele für die historische Entwicklung von Gärten und Parks – auf einem gemeinsamen ideellen Hintergrund. Die fachliche Begleitung von Restaurationsmaßnahmen (und Eingriffen in die Fauna) sei hier selbstverständlich.
Der Umweltausschuss des Landtags wird sich nach der Anhörung weiter mit den Gesetzentwürfen der Landesregierung und der Fraktionen von CDU und SPD beschäftigen. Ziel ist die Erstellung einer Beschlussempfehlung, die dem Landtag in einer der nächsten Sitzungen zur Entscheidung vorgelegt werden soll.