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Plenarsitzung

Mehr Rechte für Betriebsräte nötig?

Die Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden beim Magdeburger Windkraftanlagen-Hersteller Enercon schlägt hohe Wellen. Die IG Metall hat bereits 14000 Unterschriften bundesweit gegen die Entlassung gesammelt. Seit Freitag, 19. September, wird der Fall vor dem Magdeburger Arbeitsgericht verhandelt und auch im Landtag wurde das Thema diskutiert. In einer Aktuellen Debatte am 19. September ging es um die Frage der Sicherung der gesetzlich garantierten Mitbestimmung und die Arbeit der Betriebsräte in Sachsen-Anhalt.

Der entlassene Betriebsratsvorsitzende soll sich für die Leiharbeiter einer Tochterfirma der Magdeburger Enercon starkgemacht haben, die am Wochenende an einer unbezahlten Weiterbildung teilnehmen sollten. Dagegen hatte der Betriebsratsvorsitzende protestiert – zunächst intern, später auch über die Medien. Die Firma Enercon habe ihn daraufhin entlassen, der Betriebsrat lehnte die Entlassung wiederum einstimmig ab.

Blick in den Landtag während einer Plenarsitzung. Foto: Landtag

Thiel spricht von einem „Skandal“

Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) nannte es einen „Skandal“, dass ein Betriebsratsvorsitzender, der sich für die Rechte der Leiharbeiter einsetzt, Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werde. Seinen Recherchen zufolge hätten Beschäftigte bestätigt, dass es der Geschäftsführung bei Enercon darum gehe, „Gewerkschaft im Betrieb zu verhindern“. Dabei wollten die Beschäftigten nichts anderes, „als respektvoll behandelt und wertgeschätzt werden“, sagte Thiel. Sie wollten Transparenz bei Entscheidungen und die Möglichkeit mitzubestimmen.

Besonders empörend sei der Fall Enercon aus Sicht der Fraktion DIE LINKE, weil die Firma seit Jahren von öffentlichen Fördermitteln profitiere und den Firmengründer zum reichsten Mann Niedersachsens gemacht hätten. Thiel forderte, Unternehmen, die den Beschäftigten keinen Tariflohn zahlen, dürften nicht auch noch aus Steuerleistungen finanziell bevorzugt werden.

Bischoff will sich für mehr Mitbestimmung einsetzen

Sachsen-Anhalts Minister für Arbeit und Soziales, Norbert Bischoff (SPD), betonte, „die größte Errungenschaft der sozialen Marktwirtschaft ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieben.“ Die außerordentliche Kündigung bei der Firma Enercon sei ein negatives Beispiel, das ernst genommen werden müsse, da der „Ruf des Landes als ein Ort, in dem man gerne lebt und arbeitet, beschädigt“ werde. Es gebe jedoch auch viele positive Beispiele in Sachsen-Anhalts Unternehmen.

Generell hätten nur sechs Prozent der heimischen Betriebe einen Betriebsrat. Bei dem hohen Anteil von klein- und mittelständischen Unternehmen in Sachsen-Anhalt hält Bischoff dies jedoch für einen guten Wert. In Ostdeutschland gebe es zudem das Problem, dass nur 23 Prozent der Unternehmen nach Tarif bezahlten. Bischoff will sich dafür einsetzen, diesen Anteil zu erhöhen, und die Arbeitnehmermitbestimmung zu verbessern.

Thomas hält Debatte für kontraproduktiv

Ulrich Thomas (CDU) sprach dagegen von „Klassenkampfrhetorik“. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine großangelegte Kampagne über die sozialen Netzwerke organisiert werde. Seiner Ansicht nach sei das sehr schade, weil dies die Firma Enercon nicht verdient hätte. Enercon sei nicht nur einer der wichtigsten Steuerzahler in Magdeburg, sondern auch vorbildlich bei der Lehrlingsausbildung und einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region. Thomas wirft der Linken vor, im Vorfeld der Debatte nicht mit dem Unternehmen Kontakt aufgenommen zu haben, sondern sich stattdessen „für den populistischen Weg der Öffentlichkeit quasi als Rundumschlag“ entschieden zu haben.

Außerdem sagte Thomas, er habe den Eindruck, es gehe gar nicht um den einzelnen Mitarbeiter, sondern darum, den Wirkungsbereich der IG Metall noch intensiver auf das Unternehmen Enercon auszudehnen. Er ist davon überzeugt, dass dies kontraproduktiv sei und die „Lust auf gewerkschaftliche Zusammenarbeit nicht nur bei Enercon einen neuen Tiefpunkt erreicht.“ Die CDU habe sich immer für die Stärkung der Betriebsräte eingesetzt, diese gebe es auch bei Enercon, aber auch sie hätten die Unternehmensinteressen zu wahren.

Die Debatte trage seiner Meinung nach nicht zur Stärkung der Wirtschaft in Magdeburg bei. Das Windparkgeschäft sei sehr flüchtig, daher müsse man flexibel sein und mit Leiharbeitern arbeiten. Auch die CDU wolle gute Löhne und hätte sich immer für eine Stärkung der Betriebsräte eingesetzt. Was aber nicht funktioniere, sei, dass firmeninterne Angelegenheiten in die Öffentlichkeit getragen würden, ohne beide Seiten zu hören. Thomas glaubt nicht, dass die Debatte im Landtag dazu beitragen könnte, dass es mehr Tarifverträge in Ostdeutschland gebe. Er warf der Fraktion der Linken vor, dass sie mit der Debatte nachgewiesen hätten, auf dem „Unternehmensauge blind“ zu sein: „Sachsen-Anhalts Wirtschaft wäre unter ihrer Regierung nicht dort, wo wir heute sind.“

Latta: Mitmachen auch in Betrieben ermöglichen 

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN befürchtet negative wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen. Es gebe zahlreiche Studien, die zeigen, welchen positiven Einfluss betriebliche Mitbestimmung habe, sagte Grünen-Abgeordnete Franziska Latta. Daher sei es für jedes Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Eigeninteresse, einen Betriebsrat zu befürworten. Latta spricht sich dafür aus, den Dialog mit Enercon zu suchen. Demokratie finde nicht nur im Parlament statt, sondern auch im Betriebsrat. Mitbestimmung müsse ein Wertmaßstab in allen gesellschaftlichen Bereichen sind, in Schulen wie in Betrieben. Daher hätten Betriebsräte eine zentrale Rolle für die Demokratiequalität einer Gesellschaft.

Nach Ansicht der Grünen helfe es nichts, jetzt mit dem Zeigefinger auf ein Unternehmen zu zeigen, denn es handle sich um eine grundsätzliche Entwicklung: „Prekäre Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Werkverträge und befristete Verträge – das sind Entwicklungen, die die betriebliche Mitbestimmung und die Betriebsräte schwächen“, sagte Latta. Hier müsste die Politik ansetzen.

Budde: „Gewählte Betriebsräte kündigt man nicht!“

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Kathrin Budde erklärte, eigentlich brauche sie nur einen Satz zu sagen, dann wäre die ganze Debatte beendet: „Gewählte Betriebsräte kündigt man nicht!“ Mitbestimmung sei eine Säule der sozialen Marktwirtschaft, man müsse sie nur leben und für sie eintreten, auch wenn es mal schwierig werde. „Wenn Gewerkschaften aus den Betrieben rausgetrieben werden, dann Gute Nacht für Deutschland.“ Nach Meinung Buddes sei es gut, dass sich der Betriebsrat auch für die Leiharbeiter bei Enercon eingesetzt habe. Wenn sich Leiharbeiter, wie im Fall Enercon, am Wochenende weiterqualifizierten und das Unternehmen davon profitiere, dann gehöre ihnen das auch vergütet, entweder in Zeit oder in Geld. Dass aber gar nichts passiere, sei eine „Sauerei“ und da müsse einer die Rechte vertreten, so Budde.

Allerdings gab Budde zu, dass es sich natürlich um eine schwierige Debatte handle und alle ein bisschen Angst hätten, wirklich deutliche Worte zu finden. Alle seien ein wenig „angstgeleitet“, weil sie im Hinterkopf die Befürchtung hätten, dass das Unternehmen bei zu viel Kritik vielleicht aus Sachsen-Anhalt abwandere. Gleichzeitig betonte sie aber: „Wenn die Menschen über Jahrhunderte so gedacht hätten, dann dürften wir Frauen heute noch nicht wählen!“

Außerdem spricht sich Budde dafür aus, bei den Regularien für die Fördermittelvergabe zukünftig die Gewerkschaften miteinzubeziehen. Diese hätten eine gute Innenkenntnis der Unternehmen. Vielleicht müsse man sich dann hinterher nicht wundern, wofür man den einen oder anderen Euro aus Fördermitteln ausgegeben habe. Abschließend sagte Budde, den Osten als Billiglohnland wolle niemand, und warb dafür, zu einer vernünftigen Sozialpartnerschaft zurückzufinden. Dies würde dem Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt langfristig am meisten helfen.

Am Ende der Aktuellen Debatte wurden keine Beschlüsse gefasst.