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Plenarsitzung

Kommunen erhalten eine „Verfassung“

Die Landesregierung legte im Juli 2013 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kommunalverfassungsrechts des Landes Sachsen-Anhalt und zur Fortentwicklung sonstiger Kommunalrechtlicher Vorschriften (Kommunalrechtsreformgesetz) vor. Damit soll die kommunale Selbstverwaltung stärker als bisher von der bürgerschaftlichen Mitwirkung geprägt werden. In den Änderungen geht es unter anderem um Regelungen zu Bürgerentscheiden, zur kommunalen Haushaltsführung sowie zur Stärkung bürgerschaftlicher Teilhabe und ehrenamtlicher Tätigkeit. Nun hat der Ausschuss für Inneres und Sport eine Beschlussempfehlung erarbeitet, in der die Annahme des Gesetzentwurfs vorgesehen ist. Alle vier Fraktionen brachten vor der Verabschiedung noch Änderungsanträge ein.

Drei Gesetze zusammengebracht

„Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beginnt in Sachsen-Anhalt eine neue Phase des Kommunalverfassungsrechtes. Die Gemeinen erhalten zum ersten Mal eine Kommunalverfassung“, zeigte sich Innenminister Holger Stahlknecht erfreut. Damit gebe man den Gemeinden die Instrumente für die Zukunftsfähigkeit einer aktiven Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger in die Hand. Zwei Ziele seien bei der Erstellung maßgeblich gewesen: Zum einen eine anwenderfreundliche Kommunalverfassung, zum anderen eine zeitgemäße und optimierte Fortentwicklung des Kommunalrechts. Dieses biete nun die Grundlage für die politische Gestaltung der Gemeinden, Städte und Landkreise. Die Bürgermeister und Landräte nähmen auf deren Basis ihre Arbeit wahr und beteiligten die Bewohnerinnen und Bewohner an politischen Entscheidungen, so Stahlknecht.

Während der Gesetzesberatungen habe man großen Wert darauf gelegt, die Hinweise und Anregungen derjenigen einzubeziehen, die das Kommunalrecht in der Praxis umsetzten. Die Kommunalverfassung sei eine Zusammenführung dreier Gesetze: der Gemeindeordnung, des Verbandsgemeindegesetzes und der Landkreisordnung. Durch die Zusammenbringung habe man eine Reduzierung der rechtlichen Vorschriften erreichen können. Die neue Kommunalverfassung verbessere die Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Kommunalpolitik, die Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger in ihrer Gemeinde werde vorangebracht. Denn die kommunale Selbstverwaltung lebe vom Engagement der Ehrenamtlichen, so der Innenminister.

Mehr Bürgerbeteiligung möglich gewesen

Ein über einjähriger Beratungsmarathon werde mit der Verabschiedung des Gesetzes abgeschlossen, erklärte Gerald Grünert (DIE LINKE), zufrieden zeigte er sich darüber aber dennoch nicht, denn: „Die Landesregierung ist auf halbem Wege stehen geblieben.“ Die Kommunalverfassung falle daher eher konservativ statt zukunftsfähig aus. Die Linken hatten sich in ihrem Änderungsantrag dafür ausgesprochen, noch mehr Beteiligung der Bürgerschaft zuzulassen. So hatte die Fraktion ein passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen von 16 Jahren vorgesehen, das lehnten CDU und SPD mit ihrer Mehrheit aber ab. Der Ausschluss elektronischer Verfahren sei ebenso nicht nachvollziehbar, so Grünert, vor allem nicht im digitalen Zeitalter. Auch bei der angemessenen sächlichen und personellen Ausstattung und bei den Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sowie Bürgerinitiativen seien die von den Linken gewünschten Ziele nicht zur vollen Zufriedenheit umgesetzt worden.

Gutverständliches Regelwerk

Laut Jens Kolze (CDU) liege in Sachsen-Anhalt nun eine der modernsten Kommunalverfassungen in Deutschland vor. Den haupt- und ehrenamtlich Tätigen in den Kommunen werde ein gutverständliches Regelwerk an die Hand gegeben. Hierbei seien die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände weitestgehend umgesetzt worden. Jens Kolze nannte einige Umsetzungen von Änderungswünschen der Koalition: Kommunale Satzungen dürfen demnach nicht allein im Internet veröffentlicht werden, sondern bedürfen immer eines Aushangs beziehungsweise einer Veröffentlichung in den örtlichen Medien. Darüber hinaus wird die Wahl von Beigeordneten verändert. Steht nur ein Kandidat zur Wahl und erhält dieser im ersten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit, darf es keinen zweiten Wahlgang geben. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kandidat im zweiten Wahlgang zwar mit einfacher Mehrheit gewählt, jedoch nur mit einer Dreiviertelmehrheit wieder abgesetzt werden könne, erklärte Kolze das neue Prozedere. Mit dem Änderungsantrag von CDU und SPD sollte noch eine kleine Unausgeglichenheit beseitigt werden: Mit der Änderung im § 11 der Gemeindeordnung in Verbindung mit § 5 der Landkreisordnung wird der Gleichstellung der kreisfreien Städte mit den Landkreisen bei der Aufgabenerfüllung in ihrem Gebiet Rechnung getragen.

Hinter Erwartungen zurückgeblieben

Für Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist die Zusammenführung der Gemeindeordnung, des Verbandsgemeindegesetzes und der Landkreisordnung geglückt. Gleichzeitig machte der Grünen-Abgeordnete klar, dass seine Fraktion sehr viel mehr Bürgerbeteiligung hätte ermöglichen wollen, „leider bleibt die Beschlussempfehlung hinter den Erwartungen der Grünen zurück.“ Das Bürgerbegehren ist als Vorstufe des Bürgerentscheids für die Grünen das zentrale Instrument effektiver Bürgerbeteiligung im kommunalen Bereich. Dessen Zulässigkeitshürde und mithin das Beteiligungsquorum sollten auf drei Prozent abgesenkt werden. Im gleichen Zuge sollte auch hier die Mindestzahl an nötigen Unterschriften gestrichen werden. Beide Vorhaben konnten die Grünen in den Ausschussberatungen aber nicht durchsetzen. Das Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten, das die Grünen ebenso forderten, wäre als gutes Zeichen für mehr Demokratie und eine Willkommenskultur zu verstehen gewesen, doch auch dazu wird es nicht kommen. Zu guter Letzt hatten sich die Grünen in ihrem Änderungsantrag auch für eine Herabsenkung des Wahlrechts auf Kommunalebene von 16 auf 14 Jahre ausgesprochen. Auch dieses Vorhaben wurde von der Mehrheit im Ausschuss abgelehnt.

Unterschiedliche Abwägungen vorgenommen

Laut Silke Schindler (SPD) seien bei der Erstellung des Gesetzes sehr viele unterschiedliche Abwägungen zum Tragen gekommen. Man habe die Bürgerbeteiligung ernst genommen und deswegen erleichtert und erweitert (beispielsweise in Bezug auf Einwohneranträge und Bürgerbegehren – Ausweitung der Einreichungsfristen, Senkung der maximal gültigen Unterschriften). Jetzt gelte es, die Instrumente der Kommunalverfassung „mit Leben zu erfüllen“. Das Gesetz wird am 1. Juli in Kraft treten.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Änderungsantrag der Linken abgelehnt. Der Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde ebenfalls abgelehnt. Der Änderungsantrag von CDU und SPD wurde angenommen. Zuletzt wurde der Gesetzentwurf in der Beschlussfassung des Ausschusses für Inneres und Sport (mit leichter Änderung) angenommen.