Wie geht es weiter mit dem Datenschutz in Sachsen-Anhalt? Die Weichen dafür soll ein von der Landesregierung vorgelegter Gesetzentwurf zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften stellen. Bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Inneres und Sport des Landtags von Sachsen-Anhalt haben Abgeordnete, Datenschützer und Vertreter von Interessenverbänden am Donnerstag, 4. September, Pro und Contra des neuen Gesetzentwurfs abgewogen. Besonders hohes Diskussionspotenzial hatte bei der Anhörung die Änderung des Landesjagdgesetzes.
Der Entwurf für das neue Landesjagdgesetz sieht vor, dass Jagdbehörden nach § 38 Abs. 1 „in Jagdbezirken im Einvernehmen mit dem Revierinhaber optisch-elektronische Einrichtungen aufstellen und betreiben [dürfen], soweit dieses für eine jagdfachliche Untersuchung oder für eine wissenschaftliche Untersuchung im Sinne der Hege nach § 1 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes und § 2 Abs. 1 erforderlich ist. Jagdbehörden dürfen sich dazu Dritter bedienen.“ Dabei ist die Erhebung personenbezogener Daten zu vermeiden, sofern dies nicht möglich ist, sind diese unverzüglich zu löschen. Eine Verarbeitung und Nutzung ist – dem Gesetzentwurf zufolge – unzulässig.
Datenschutzbeauftragte sind skeptisch
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, Dr. Harald von Bose, hält die Begriffe „Jagdbezirke“ und „Hege“ für zu weit gefasst und rechtlich betrachtet „unscharf“. Er empfahl dem Ausschuss daher, an dieser Stelle eine deutlichere Eingrenzung vorzunehmen, zum Beispiel dass es sich nur um die „Hege“ von bedrohten Tierarten handele. Außerdem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass bei solchen Wildbeobachtungen mit der Kamera auch Wanderer oder Pilzsammler aufgenommen werden könnten. Von Bose erklärte, es müsse zwischen den Ansprüchen der Jagdbehörde nach Wildbeobachtung und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen abgewogen werden. Seiner Meinung nach reiche es nicht aus, die möglichen Daten von Personen von der Kamera zu löschen, sondern die Geräte dürften an bestimmten Orten gar nicht erst aufgehängt werden.
Dr. Imke Sommer, Datenschutzbeauftragte des Landes Bremen, schloss sich in ihrer Stellungnahme der Einschätzung ihres Kollegen aus Sachsen-Anhalt an. Sie sagte: „Es wird momentan nicht klar, dass dem Gesetzgeber bewusst ist, dass zwei Rechte gegeneinander abgewogen werden müssen.“
Landesjagdverband unterstützt Gesetzentwurf
Der Landesjagdverband von Sachsen-Anhalt dagegen unterstützt den Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form. Verbandsgeschäftsführer Wilko Florstedt betonte, dass Wildkameras aus der Wildforschung nicht mehr wegzudenken seien, gerade bei Tierarten die langsam wieder in Sachsen-Anhalt heimisch würden, wie zum Beispiel Wolf und Luchs. Zudem werde oft übersehen, „dass Wildkameras fast ausschließlich an Orten aufgestellt werden, die vom durchschnittlichen Waldbesucher nicht aufgesucht oder gar nicht betreten werden dürfen.“ Florstedt sagte außerdem, das Abbildungen von Personen, wie im Gesetzentwurf beschrieben, unverzüglich unkenntlich oder gelöscht würden. Daher sei aus Sicht des Landesjagdverbandes sichergestellt, dass keine datenschutzrechtlichen Vorschriften verletzt würden.
Wanderer sehen Persönlichkeitsrechte beeinträchtigt
Ein „Stopp für Fotofallen“ forderte dagegen der Landesverband Sachsen-Anhalt der Deutschen Gebirgs- und Wandervereine. Ihr Vorsitzender Rainer Schulz erklärte bei der Anhörung: „Menschen dürfen keine Angst haben, wenn sie im Wald unterwegs sind. Der Wald ist ein öffentlicher Raum und muss geschützt werden.“ Seiner Ansicht nach fehlen in dem Gesetzentwurf die Aufstellungsbedingungen für die Wildkameras völlig. „Man sagt einfach, man wollte ein Tier beobachten und schon kann man eine Kamera aufstellen.“ Sollte der Gesetzentwurf so bleiben, könnte das Recht zum Aufstellen einer Kamera zudem auf fast jeden übertragen werden, so Schulz – vom Grundstückseigentümer bis hin zur Tierschutzorganisation. Um den Wanderer zumindest zu informieren, dass er Gefahr läuft, mit einer Kamera aufgenommen zu werden, plädiert Schulz für großflächige Hinweisschilder. Diese gebe es schließlich auch in jeder Straßenbahn.
Wärmebildkamera als Kompromiss?
Die Landesdatenschutzbeauftragte des Landes Brandenburg, Dagmar Hartge, machte den Vorschlag, dass Wärmebildkameras vielleicht ein Kompromiss zwischen den Wünschen der Jäger und den Wanderern sein könnten. Hier könnten Tiere erkannt werden, die Menschen blieben aber anonym. Für den Landesjagdverband wäre dies durchaus vorstellbar, aber keine optimale Lösung. Über die Umrisse sei zwar zu erkennen, um welches Tier es sich handele, genaue Daten, wie etwa über den Gesundheitszustand des Tieres mittels der Fellbeschaffenheit, könnten mit Wärmebildkameras allerdings nicht ermittelt werden, so Wilko Florstedt vom Landesjagdverband.
Sind Kamera-Attrappen Betrug am Bürger?
Ein weiterer kontroverser Aspekt im neuen Gesetzesentwurf zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften ist der Einsatz von Kamera-Attrappen im öffentlichen Raum. Nach Meinung der Landesdatenschutzbeauftragten aus Brandenburg sei der Einsatz solcher Attrappen sehr problematisch. Dagmar Hartge sprach sogar von „einer Form der Täuschung“, die gerade aus öffentlicher Hand nicht hinnehmbar sei. Sie empfiehlt, den Einsatz grundsätzlich zu verbieten. Ihre Kollegin aus Bremen, Dr. Imke Sommer, gab zu bedenken, dass die Menschen nicht wissen können, ob es sich um eine echte Kamera oder eine Attrappe handele. Sie sagte: „Egal ob die Kamera funktioniert oder nicht, allein das Vorhandensein hat Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen und greift damit in das Recht auf Selbstbestimmung ein.“
Notarkammer gegen Lockerung bei „Cloud-Computing“
Ebenfalls skeptisch beäugt haben die Datenschützer den Aspekt innerhalb des Gesetzesentwurfs zum sogenannten „Cloud-Computing“. Der Begriff bedeutet zum einen das Speichern von Daten in einem entfernten oder virtuellen Rechenzentrum, zum anderen auch die Ausführung von Programmen, die nicht auf dem eigenen Computer installiert sind.
Die Landesbeauftragten für den Datenschutz aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen haben den entsprechenden Absatz im Gesetzentwurf deutlich kritisiert. Sollte er so vom Landtag beschlossen werden, bedeute dies eine große Gefahr für die Datensicherheit. Die brandenburgische Beauftragte Dagmar Hartge begründete ihre Kritik vor allem damit, dass es keine konkreten Weisungen und Kontrollmöglichkeiten für den Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer mehr geben würde.
Ebenfalls große Bedenken in Bezug auf das Thema „Cloud-Computing“ äußerte die Notarkammer Sachsen-Anhalt. Ihr Vertreter Matthias Frohn betonte, selbst wenn die Daten verschlüsselt seien, bedeute dies keine absolute Sicherheit. Die technischen Möglichkeiten von Hackern würden von Jahr zu Jahr besser werden, daher sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Daten wieder entschlüsselt würden. Der Notarverband rät daher dazu, den Passus zu streichen: „Staatliche Stellen haben eine Schutzfunktion, diese würde mit dem Paragrafen nicht vereinbar sein“, sagte Frohn.
Datenschützer plädieren für mehr Unabhängigkeit
Der neue Gesetzentwurf will auch die Stellung des Landesbeauftragten für den Datenschutz neu regeln. Sachsen-Anhalts Beauftragter Dr. Harald von Bose kritisiert dabei, dass die Regierung auch in Zukunft darauf verzichten will, eine Datenschutzkommission einzuführen. Dadurch sei eine weitere Stärkung der Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht möglich, so von Bose. Seiner Ansicht nach sei es wichtig, dass dieser eigenständig einen Haushaltsplan aufstellen und Personalentscheidungen treffen könne. Momentan ist der Datenschutzbeauftragte offiziell dem Landtagspräsidenten unterstellt. Darum schlägt er vor, eine Behörde für Datenschutz einzurichten. Als Vorbild könnte hier der Landesrechnungshof in Sachsen-Anhalt dienen.
Dieser Meinung schloss sich auch die Landesdatenschutzbeauftragte des Landes Brandenburg an. Vonseiten der Europäischen Union gebe es hier eindeutige Regelungen, die eine „völlige Unabhängigkeit des Landesdatenbeauftragen“ vorsehen. Zwar sei dies derzeit auch in Brandenburg nicht der Fall, sie appellierte jedoch an die Anwesenden, dass Sachsen-Anhalt in diesem Fall mit gutem Beispiel vorangehen sollte.
Nach der öffentlichen Anhörung werden die Mitglieder des Ausschusses für Inneres und Sport den Gesetzentwurf erneut beraten, gegebenenfalls überarbeiten und dann dem Plenum mit einer Beschlussempfehlung zur Zweiten Beratung übergeben.