Fühlt sich jemand im Land durch Verwaltungsmaßnahmen von öffentlichen Ämtern und Behörden benachteiligt oder ungerecht behandelt, kann er sich mit einer Petition an den Landtag von Sachsen-Anhalt wenden. Für Bürgerinnen und Bürger bietet sie die Möglichkeit, außerhalb der gerichtlichen Auseinandersetzung tatsächliche oder vermeintliche Beeinträchtigungen, Mängel oder Ungerechtigkeiten unterbinden zu lassen. Der dafür zuständige Ausschuss für Petitionen nimmt sich der schriftlich, per Fax oder online eingereichten Papiere an und versucht, eine Lösung für die Problemlage zu finden. Jedes Jahr werden mehrere Hundert Petitionen eingereicht. Wir haben ein paar wenige Fallbeispiele aus den letzten beiden Berichtszeiträumen (Juni 2013 bis Mai 2014) herausgegriffen und stellen sie hier vor.
Betreuung von Förderschülern außerhalb des Unterrichts
Bürger/innen wandten sich mit Sammel- und Massenpetitionen an den Landtag und forderten rechtssichere und verbindliche Angebote nachschulischer und ferienzeitlicher Betreuung für Schüler/innen mit geistiger Behinderung bis zum Ende der Schulzeit sowie interdisziplinäre und dabei inklusive Bildungs- und Betreuungseinrichtungen in den Förderschulen, sodass Eltern eine Berufstätigkeit ermöglicht wird. Der Ausschuss für Petitionen unterstützte das Anliegen der Petenten. Zwar haben alle Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land – mit und ohne Behinderung – Anspruch auf einen Ganz- und Halbtagsplatz in einer Tageseinrichtung, dies allerdings nur bis zum Übertritt in den 7. Schuljahrgang. „Da geistig und zugleich körperlich beeinträchtigte Jugendliche mit 14 Jahren nicht die Selbstständigkeit erreichen wie gleichaltrige Jugendliche ohne Handicap, haben berufstätige Eltern behinderter Jugendlicher mitunter Betreuungsprobleme“, wurde im Bericht festgehalten.
Nachdem sich auch die Ausschüsse für Soziales und Arbeit sowie für Bildung und Kultur mit der Sachlage beschäftigt hatten, wurde im Landtag der Beschluss gefasst, die Landesregierung damit zu beauftragen, kurz- und langfristige Lösungen für die Sicherung der Bildungs- und Betreuungsangebote zu schaffen. Die Landesregierung schloss diverse Kooperationsverträge, wirkte auf die Schaffung von Ganztagsangeboten und inklusiver Angebote hin, zudem wird regelmäßig zu Betreuungskonferenzen in die Standorte der Förderschulen eingeladen. „Damit konnte dem Anliegen der Petenten entsprochen werden“, lautet das Resümee des Ausschusses.
Brückenbauen leicht gemacht
Im Magdeburger Stadtteil Neustadt kam es aufgrund baulicher Mängel zur Sperrung einer Fußgängerbrücke über das innerstädtische Flüsschen Schrote. Einige Anwohner sahen sich durch die nötige Sperrung und den geplanten Abriss der Brücke (von der Stadt Magdeburg festgestellt und vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, LHW, bestätigt) in ihrer Mobilität eingeschränkt und baten um die Überprüfung der Angelegenheit. Denn wer letztlich für die Instandsetzung beziehungsweise Erneuerung der Brücke verantwortlich sein sollte (Stadt oder Land), war zunächst unklar. Durch das Wirken des Ausschusses für Petitionen und die Initiierung eines Vor-Ort-Termins sowie mehrerer Gesprächsrunden wurde zwischen der Landeshauptstadt Magdeburg und dem LHW ein Vergleichsvertrag geschlossen. Darin war vermerkt, schnellstmöglich eine Zwischenlösung für die Fußgängerüberquerung zu schaffen, bevor die Brücke komplett instand gesetzt würde. Dem Anliegen der Petenten konnte damit entsprochen werden.
Zu viel Arbeit, zu wenig Personal?
Eine Massenpetition im angegebenen Zeitraum, die mehr als 300 Einreicher auf sich vereinte, beschäftigte sich mit dem Personalentwicklungskonzept (PEK) für die Landesverwaltung im Allgemeinen und dem darin festgelegten Stellenabbau in der Landesstraßenbaubehörde im Besonderen. Der Personalbedarf sei auf Basis des PEKs falsch berechnet worden, hieß es in der Begründung. So dürfte nur der Bestand der Straßen (und die nötigen Arbeiten daran) für die Ermittlung des Personalbedarfs ausschlaggebend sein, nicht jedoch die demographische Entwicklung, meinten die Petenten. Die Landesregierung rechtfertigte ihr Handeln so: Die derzeitig deutlich größere Personalausstattung lasse sich vor dem Hintergrund des Länderfinanzausgleichs und im Vergleich mit den Geberländern nicht rechtfertigen. Die Festlegung einer Zielzahl an Stellungen in der Landesstraßenbaubehörde sei noch nicht abschließend erfolgt. Der Aufgabenbestand, der Aufgabenvollzug und der künftig erforderliche Personalbedarf der Behörde würden im Rahmen eines Aufgabenerledigungskonzeptes noch genauer untersucht. „Im Ergebnis der Beratung hat sich der Ausschuss für Petitionen für die Erledigung der Massenpetition ausgesprochen, weil die Untersuchungen zum künftigen Personalbedarf zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren“, so der Wortlaut des Berichts.
Behinderung der Wiedereingliederungshilfe
Mit einer Sammelpetition wandten sich Strafgefangene der Justizvollzugsanstalten des Landes an den Petitionsausschuss. Sie sahen ihr Recht auf die Hilfe bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach Ableisten ihrer Strafe nicht ausreichend berücksichtigt. So gebe es gen Ende der Haft nur mangelhafte Lockerungen im Vollzug, sodass beispielsweise die Arbeitssuche oder die Suche nach einer Wohnung und deren Renovierung erschwert oder gar unmöglich gemacht würde. So seien die dann ehemaligen Gefangenen zunächst verstärkt auf fremde oder familiäre Hilfe angewiesen.
Nach dem Strafvollzugsgesetz dürfen Vollzugslockerungen, Urlaub sowie die Unterbringung im offenen Vollzug nur angeordnet werden, wenn kein Missbrauch und keine Fluchtgefahr seitens des Gefangenen bestehen. Dies zu begründen, bedarf einer detaillierten Einzelfallentscheidung – mit fundierter und objektiver Tatsachenermittlung. Nach Prüfung der Unterlagen stellte der Ausschuss fest, „dass eine rechtzeitige Arbeitssuche der Gefangenen vor Haftentlassung sichergestellt [wird], sofern konkrete und realistische Vorstellungen geäußert werden.“ Konkrete Vorhaben würden zielführend begleitet, wobei auch die Möglichkeit der brieflichen und persönlichen Kommunikation vor Ort durch die Petenten genutzt werden könne. Die Wohnungssuche und Einrichtung werde durch die Mitarbeiter des Sozialen Dienstes hinreichend unterstützt.
Insgesamt sei festzustellen, dass die Lockerungsmaßnahmen im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich zugenommen haben. Die erhobenen Vorwürfe, so das Resultat des Petitionsausschusses, konnten nicht bestätigt werden. Da Sachsen-Anhalt aber bezüglich der Gewährung von Wiedereingliederungshilfen und Vollzugslockerungen im bundesweiten Vergleich an letzter Stelle liegt, leitete der Ausschuss die Petition an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung weiter, um dort zu prüfen, ob bezüglich der Resozialisierungsmaßnahmen in Sachsen-Anhalt Handlungsbedarf bestehe.
Unzureichende Internetversorgung
Aufgrund ihrer geographischen Lage verfügen einige Ortsteile und Gemeinden im Land über schlechte Voraussetzungen für eine umfangreiche Internetversorgung. Da das Internet heute schon so etwas wie ein Grundbedürfnis darstellt, ist dies natürlich für die Betroffenen ein unhaltbarer Zustand. Sie wandten sich also im Zuge einer Sammelpetition an den Landtag. In der Auswertung der Unterlagen stellte sich heraus, dass es mehrfach Bestrebungen gegeben hatte, die Breitbandanschlüsse auszubauen, diese Vorhaben verpufften allerdings immer wieder, weil die Versorgungsunternehmen absprangen. „Aufgrund des letztlich festgestellten Marktversagens leitete die [betroffene] Verbandsgemeinde im März 2013 ein Förderverfahren [ELER-Mittel] mit dem Ziel ein, die Gemeinde mit den ebenfalls unterversorgten Ortsteilen mit breitbandigem Internet auszustatten. Der Fördermittelantrag wurde vom Landesamt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten bewilligt, der Auftrag für den (teilweise kabelgebundenen) Ausbau wurde ausgeschrieben. „Im Ergebnis konnte die von den Petenten vorgetragene Sachlage einer Lösung zugeführt werden, sodass sich die Petition positiv erledigte.“