Die erste Landtagssitzung nach der Sommerpause begann mit einem parlamentarischen Höhepunkt im Kalenderjahr. Vor der ersten Haushaltslesung erinnerte Landtagspräsident Detlef Gürth daran, dass jeder Abgeordnete die Verantwortung auf den Schultern trage, über rund 10,7 Milliarden Euro zu entscheiden. „Das ist nicht wenig“, betonte er, zumal alle wissen, „dass jeder einzelne Cent von den Steuerzahlern im Land erwirtschaftet wurde.“ Der Etatentwurf betrifft die Jahre 2015 und 2016, in denen nach dem Willen der Landesregierung zusammen gut 21,3 Milliarden Euro ausgegeben werden können. Fast genau so groß ist der Schuldenberg, auf dem Sachsen-Anhalt sitzt.
Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) sieht im Schuldenberg eine „schwere politische Hypothek“, für die alle im Landtag vertretenen Parteien Verantwortung trügen. Als Erfolg wertete er, dass seit 2006 – bis auf 2010 und 2011 – keine neuen Schulden hinzukamen. Auch in den beiden nächsten Jahren werde Sachsen-Anhalt keine neuen Schulden machen, sondern die Rückführung der aufgelaufenen Verschuldung fortsetzen, betonte er in der mehrstündigen Generaldebatte zum Entwurf des Doppelhaushaltes 2015/2016.
Ein Haushalt, mit dem Geschichte geschrieben werde, freute man sich beim Koalitionspartner CDU. Erstmals in der Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt würden die Parlamentarier über eine gesamte Wahlperiode hinaus nur das Geld ausgeben, das tatsächlich zur Verfügung steht. Mit behutsamen Reformen, auch mit guten Steuereinnahmen, aber ohne Radikalkur und gesellschaftliche Verwerfungen sei diese Trendwende gelungen.
Haushaltsaufstellung war ein Kraftakt
Das sei kein kurzer Kraftakt gewesen, hatte zuvor der Finanzminister erinnert. Mit dem neuen Doppelhaushalt habe sich die Landesregierung eindeutig entschieden, weiter Ausgabenstrukturen zu schaffen, die dauerhaft bezahlbar seien. Auch dieser Etatentwurf sei vom Dreiklang „konsolidieren, vorsorgen und investieren“ geprägt, betonte Jens Bullerjahn. Für ihn gilt: Neue Schulden sind in konjunkturell normalen Zeiten tabu – und danach richten sich die Ausgaben. Noch bis 2020 befinde sich Sachsen-Anhalt auf dem „Weg zur finanzpolitischen Normalität“. Auf diesem Weg seien vorhandene Schulden weiter abzubauen, im kommenden Jahr 75 Millionen Euro, 2016 schon 100 Millionen Euro. „Wir wollen die Tilgungsraten jährlich um 25 Millionen Euro steigern, bis 225 Millionen Euro nach 2020 erreicht sind“, so der Finanzminister, der zugleich auf ein weiterhin hohes Niveau bei den Investitionen verwies. Für wichtige Leistungsgesetze und Zuweisungen wie Sozialhilfe, Kinderbetreuung und Hochschulen sind im Landesetat der nächsten zwei Jahren wieder große Posten eingeplant.
Haushalt als Quadratur des Kreises?
Für DIE LINKE hat der Haushaltsentwurf der Landesregierung „massive Schwächen, die zum einen die kommunale Selbstverwaltung und öffentliche Daseinsvorsorge im Land bedrohen, aber auch die Entwicklungsfähigkeit des Landes behindern.“ Der Fraktionsvorsitzende Wulf Gallert stellte die von der Koalition gepriesene Schuldentilgung zur Disposition. Strategisches Ziel müsse es vielmehr sein, mit einer guten öffentlichen Daseinsvorsorge, einem guten Bildungsangebot und einer klugen Innovationsstrategie eine Entwicklung in Sachsen-Anhalt zu ermöglichen, die langfristig – mit Hilfe des Bundes – auch mit dem Schuldenberg fertig werde.
Auch bei den Grünen klang die Devise „Mehr investieren, mehr vorsorgen, mehr tilgen“ wie die Quadratur des Kreises. Sie sei geneigt, die geplante Tilgung als reine Symbolpolitik zu bezeichnen, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Prof. Dr. Claudia Dalbert. Es werde mehr als 100 Jahre dauern, bis die Schulden abgetragen sind. Dafür aber fehlten Zukunftsinvestitionen. Ohnehin bedeute Investition für die Landesregierung vor allen Dingen Investition in Beton, kritisierte Claudia Dalbert. Während der Hochbauhaushalt ansteigen soll, wurden für Wissenschaft und Forschung sowie für Bildung und Kultur Millionen Euro weniger eingeplant.
Finanzpolitisch gut aufgestellt
Unter der Überschrift „Investieren, konsolidieren, vorsorgen“ werden in diesem Doppelhaushalt alle verfügbaren Drittmittel für Investitionen gebunden, Vorsorgeelemente gestärkt und der Schuldenabbau fortgesetzt, hob indes der CDU-Fraktionsvorsitzende André Schröder hervor, der es als „finanzpolitische Trendwende“ bezeichnete, dass Sachsen-Anhalt in dieser Legislaturperiode nicht nur keine neuen Kredite aufnehme, sondern mit der Tilgung von Schulden beginne und sich Rücklagen schaffe.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katrin Budde betonte ebenfalls: „Wir sind finanzpolitisch gut aufgestellt.“ Zwar würden auch die Sozialdemokraten an manchen Stellen gern mehr Geld ausgeben. Aber die Nichtverschuldung sei „ein struktureller Wert, den wir uns erhalten müssen.“ Sie erinnerte daran, dass Sachsen-Anhalt in den nächsten beiden Jahren mehr als eine Milliarde Euro aus europäischen Fördertöpfen erhalte. Das seien immerhin vier bis fünf Prozent des Gesamthaushaltes. Dessen Entwurf wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.