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Plenarsitzung

Transkript

Wolfgang Aldag (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Wenn man die verheerenden Brände im Harz in diesem Jahr verfolgt hat, könnte man davon ausgehen, dass sich aus der daraus resultierenden Diskussion um die Art der Brandbekämpfung über das Für und Wider der Beräumung eben diese Aktuelle Debatte ergibt.

Ja, sicherlich stehen die Debatte und der Antrag mit diesen Ereignissen im Zusammenhang. Ausschlaggebend für die Fraktion DIE LINKE war jedoch die Äußerung des Ministers Sven Schulze, der den gemeinsamen Nationalpark aufgrund der unterschiedlichen Ansichten im Zusammenhang mit den Waldbränden grundlegend infrage stellt.

Deshalb bin ich dankbar für diese Aktuelle Debatte; denn damit wird deutlich, wie die einzelnen Fraktionen und auch der Minister zu diesem länderübergreifenden Naturschutzprojekt stehen. Denn der Nationalpark Harz ist ein erfolgreiches länderübergreifendes Naturschutzprojekt. Und das, meine Damen und Herren, gilt es zu verteidigen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE, und von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE)

Nicht erst seit den Auseinandersetzungen zu dem Ganzjahresprojekt in Schierke ist klar, dass es Kräfte gibt, die den Nationalpark in seiner Ausrichtung, wie er besteht, verändern, seine Grenzen verschieben oder ihn ganz abschaffen wollen. Deswegen dürfen wir die Aussagen des Ministers nicht auf die leichte Schulter nehmen. Auch wenn er jetzt leicht zurückrudert, versucht zu besänftigen und auch die CDU sich vermutlich zum Nationalpark bekennen wird, müssen wir achtsam sein.

Denn allein die Tatsache, dass mit der neuen Landesregierung auch ein Teil der Zuständigkeit für den Nationalpark vom Umweltministerium ins Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten gewandert ist, lässt erkennen, dass man hier abseits vom Naturschutzgedanken aktiv Einfluss auf die Geschicke des Nationalparks ausüben möchte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der linken - Angela Gorr, CDU: Was soll das denn?)

Ich kann mich noch gut an die Diskussion zum Wald in der letzten Legislaturperiode erinnern. Allein das Wort Wildnis löste allergische Reaktionen aus. Naturverjüngung, natürliche Waldentwicklung, Waldumbau waren als grünes Teufelszeug verschrien. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass sich bei vielen diese Einstellung nicht verändert hat, und darin liegt das Problem in der aktuellen Diskussion.

Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal eines erklären: Die Idee der Nationalparke ist keine ideologisch geprägte Idee der GRÜNEN. Die Idee der Nationalparke gibt es schon viel länger, nämlich seit 1872. Damals gab es die GRÜNEN noch gar nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Hier im Lande war es so, dass im Jahr 2006 Dr. Wolfgang Böhmer als Ministerpräsident, Dr. Adolf Spotka als Landtagspräsident und Petra Wernicke als Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft - ich glaube, alle gehören der CDU an - das Nationalparkgesetz unterzeichnet und damit den Nationalpark als länderübergreifendes Schutzgebiet gemeinsam mit dem Land Niedersachsen gegründet haben.

Im Nationalparkgesetz wurde damals der Rahmen festgeschrieben, der noch heute seine Gültigkeit hat. Im Nationalparkplan, der von der Nationalparkverwaltung, dem Nationalparkbeirat und dem wissenschaftlichen Beirat erarbeitet wird, wird die Umsetzung für jeweils zehn Jahre festgelegt. Auch wenn es die bereits genannten Gremien gibt, ist es natürlich legitim - gerade wenn jetzt die Fortschreibung ansteht  , darüber nachzudenken, ob man die Inhalte des Nationalparkplans an neue Rahmenbedingungen anpassen muss. Die Auswirkungen des Klimawandels gehören ebenso dazu wie die Brandereignisse in diesem Jahr und vieles mehr.

Wer aber an die naturschutzfachlichen Grundsätze herangeht - das tut man, wenn man den Staatsvertrag aufheben müsste  , der hat die Bedeutung des Nationalparks für den Naturschutz, aber auch für den Tourismus in der Region und die Zusammenhänge, die sich daraus ergeben, nicht ganz verstanden oder nicht ganz erkannt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Ich bin deshalb denjenigen aus dem Hause des Ministers sehr dankbar, die die möglichen Folgen eines solchen Ausstiegs sehr schnell und unmissverständlich aufgezeichnet haben. Verpflichtungen, resultierend aus den Vorgaben von Naturschutzgebieten, aus dem Grünen Band und auch aus den Vorgaben europäischer Förderrichtlinien würden berührt werden. Die Auswirkungen mit Blick auf die internationale Anerkennung wären kaum absehbar, so die Stimmen aus dem eigenen Haus.

Auch wenn die Aussage des Ministers jetzt als politisches Geplänkel abgetan wird und sie am Ende dazu dient, die eigenen Reihen zu bedienen, so zeigt die Reaktion doch auf, wie gefährlich es ist, an dieser Stelle die Axt anlegen zu wollen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Wieder einmal blickt die Nation ungläubig auf Sachsen-Anhalt. Wieder einmal führen die Äußerungen des Ministers zu Unsicherheit bei den Betroffenen, in diesem Fall bei der Nationalparkverwaltung.

Herr Minister Schulze, ich appelliere an Sie, überlegen Sie bitte genau, welche Auswirkungen es hat, bevor Sie solche Äußerungen von sich geben, und bedenken Sie dabei stets, welches Licht das auf unser Land wirft.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE, von Sebastian Striegel, GRÜNE und bei der LINKEN)

Der Nationalpark Harz ist der einzige Ost-West-Nationalpark, länderübergreifend mit einer einmaligen naturräumlichen Ausstattung und mit einer Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Mit dem Brocken liegt der höchste Berg der Region mitten im Nationalpark und gibt bei guter Sicht spektakuläre Blicke in die Umgebung frei. Der Harz ist das einzige deutsche Mittelgebirge mit einer natürlichen, klimatisch bedingten Waldgrenze und mittendurch verläuft das Grüne Band, die ehemalige innerdeutsche Grenze. Der länderübergreifende Nationalpark Harz ist deshalb auch ein gelungenes Beispiel dafür, Grenzen zu überwinden, Orte zu schaffen, an denen Menschen sich begegnen. Im Harz gibt es viele davon.

Meine Damen und Herren! Aus all diesen Gründen ist der Nationalpark Harz der touristische Anziehungspunkt in Sachsen-Anhalt. Die Menschen kommen gerade wegen der Natur in den Harz. Sie schätzen die Ruhe und die Einsamkeit jenseits des Massentourismus. Sie schätzen die Art und Weise, wie die Nationalparkverwaltung mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort seit vielen Jahren eine hervorragende Arbeit leistet und den Harz gemäß dem Nationalparkgesetz entwickeln.

Entwickelt hat sich der Nationalpark Harz auch in der Ausdehnung der Naturdynamikzone. Waren es im Jahr 2006 noch 41 % der Gesamtfläche, so sind mit dem Jahr 2021 bereits 71 % der Fläche Naturdynamikzone. Das heißt, in diesen bereits naturnahen Gebieten wird der Wald sich selbst überlassen. Man vertraut auf seine Kräfte. Der Mensch greift hier - bis auf sehr wenige Ausnahmen - nicht mehr ein.

Die internationalen Naturschutzregeln legen fest, dass Entwicklungsnationalparks wie der Nationalpark Harz nach ca. 30 Jahren auf mindestens 75 % der Fläche die natürliche Entwicklung der Ökosysteme gewährleisten sollen. Dieses Ziel ist mit dem Jahr 2022 bereits nach 16 Jahren erreicht. Das, meine Damen und Herren, ist ein großer Erfolg.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Natur sein lassen - mit diesem Motto wirbt der Nationalpark für sein Handeln, wie es durch das Nationalparkgesetz vorgegeben und geregelt und im Nationalparkplan in der Umsetzung beschrieben ist.

Der Nationalpark Harz ist einmalig. Wer die Axt an die Grundsätze dieses Nationalparks anlegt, der zerstört, was über viele Jahre mühsam aufgebaut wurde. Deswegen steht auch für uns als grüne Landtagsfraktion fest: Hände weg vom Nationalpark Harz! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Aldag, lassen Sie eine Frage von Herrn Hauser zu?


Wolfgang Aldag (GRÜNE):

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Gern. - Dann, Herr Hauser.


Johannes Hauser (FDP):

Herr Kollege, erklären Sie mir mit wenigen Worten, was Naturverjüngung heißt.


Wolfgang Aldag (GRÜNE):

Naturverjüngung? - Das heißt, dass ich die Natur sich selbst überlasse und sich damit ein neuer Wald entwickelt.

(Johannes Hauser, FDP: Eben nicht! Das ist ein natürlicher Ausdruck für: Alle Bäume bleiben stehen und der Mischwald wächst hoch! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das hat er doch gerade gesagt! - Unruhe)

- Das habe ich doch gerade erwähnt.

(Zuruf von Johannes Hauser, FDP)

- Wenn Sie es wissen, wieso stellen Sie dann die Frage?

(Lachen bei den GRÜNEN - Johannes Hauser, FDP: Ideologie bleibt Ideologie!)