Elrid Pasbrig (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, Ihr Antrag ist absolut nachvollziehbar, haben wir doch in der vergangenen Landtagssitzung einen gehörigen Schreck bekommen, als der Forstminister bei der Befragung der Landesregierung, konkret auf die Frage des Abg. Herrn Hauser, wie in einem zukünftigen Konzept das vermeintliche Brandrisiko durch Totholz minimiert und eingeschränkt werden könne, antwortete, im Zweifelsfall sei der Nationalpark Harz infrage zu stellen, wenn gemeinsame Lösungen nicht gefunden werden könnten - nachzulesen im Protokoll.
In den Wochen nach der Landtagssitzung haben wir dann aber verfolgen können, dass die Auflösung des Nationalparkvertrages seitens des Forstministeriums mitnichten beabsichtigt ist. Mit der Unterzeichnung der Wernigeröder Erklärung ist ein konstruktiver Ansatz zum weiteren Umgang mit dem Nationalpark vereinbart worden, den es nun zu begleiten gilt.
(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Katja Pähle, SPD)
Sich vom Konzept Nationalpark zu verabschieden, wäre ein nicht wiedergutzumachender Fehler.
(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE, und von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE)
Der Nationalpark ist ein hohes Gut, auf das wir stolz sein können. Im Nationalparkgesetz ist festgeschrieben, dass der Nationalpark auf mindestens 75 % seiner Fläche einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik - Herr Lange sagt es bereits - gewährleisten und die natürliche Vielfalt an Lebensräumen, Lebensgemeinschaften und Tier- und Pflanzenarten erhalten soll.
Damit werden Lebensräume von Hochmooren bis hin zu Buchen- und Fichtenwäldern geschützt und dabei zusammenhängende Lebensräume für und Populationen von vielen Vogelarten, vom Raufußkauz bis zum Auerhahn, erhalten. Auch die Voraussetzungen für die natürliche Wiederbesiedlung mit verdrängten Pflanzen- und Tierarten sollen damit geschaffen werden. Der Harz soll als Ort der Ruhe und Erholung für Mensch und Tier erhalten bleiben.
Darüber hinaus dient der Nationalpark der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung sowie dem Naturerlebnis und der Erholung, soweit der Schutzzweck es erlaubt.
Damit bietet der Nationalpark für uns neben den touristischen Erlebnissen eben auch nicht zu unterschätzende Bildungs- und Forschungsmöglichkeiten. Wo, wenn nicht in Nationalparken, kann beobachtet werden, wie sich Natur entwickelt, wenn nicht in sie eingegriffen wird?
Darüber hinaus ist unser Nationalpark Harz auch Identifikationsobjekt für die im Harz lebenden Menschen. Er ist Heimat. Der Harz ist aber auch ein Stück Heimat für die Menschen aus der Region, die mit ihm z. B. wie ich viele Erinnerungen an die dort verbrachten Urlaube in ihrer Kindheit verknüpfen. Und er ist ein Symbol für die Deutsche Einheit. Für viele ist es noch immer ein bewegendes Erlebnis, den Brocken zu besteigen mit dem Wissen, dass dies über Jahrzehnte hinweg nicht möglich war.
(Zustimmung bei der CDU)
Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt steht der Harz im Blickpunkt unseres Interesses, nicht aus touristischen Gründen, sondern weil er uns aufgrund des heißen Wetters und fehlender Niederschläge in diesem Sommer mit zahlreichen Waldbränden beschäftigt hat, in deren Folge nun nachvollziehbarerweise verstärkt über effektiven Brand- und Katastrophenschutz diskutiert werden muss.
Eines sei angemerkt: Waldbrände sind auch Teil der Natur. Sie können sogar förderlich für die weitere Entwicklung der Natur sein, weil sie teilweise das Unterholz beräumen und damit Platz schaffen für neue Pflanzen, weil durch die enorme Hitze, die das Feuer verbreitet, einige Samen auch erst aufgehen können. Das heißt, man kann das Feuer durchaus konstruktiv nutzen, muss aber natürlich auch dafür sorgen, dass man die Gebiete, die besiedelt sind, wie Schierke, so gut wie möglich davor schützt, dass das Feuer übergreifen kann.
Wir haben also die Aufgabe, in bestimmten Bereichen den Brandschutz unbedingt zu verstärken und damit unter Umständen in die Natur einzugreifen. Die gestiegenen Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz dürfen aber nicht den alleinigen Schluss zulassen, dass diese nicht mit dem Nationalparkgesetz vereinbar sein könnten.
Manchmal tut es gut, sich die Erfahrungen anderer Nationalparks anzuschauen. Hierzu bringe ich gleich das Beispiel des bayerischen Nationalparks und sogar des Yellowstone-Nationalparks. Ich muss dazu sagen: Natürlich sind die Bedingungen unterschiedlich, vom Boden, von den klimatischen Bedingungen. Aber was das Konzept des Nationalparks eint, ist doch, dass wir Natur an ihren Standorten so belassen, wie sie ist. Wir werden vermutlich oder vielleicht andere Erfolge zeitigen als die bayerischen Kollegen. Aber wir haben uns für den Nationalpark entschieden.
(Zustimmung bei der SPD und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
So werden z. B. ähnliche Diskussionen, wie wir sie hier führen, gerade im und über den Nationalpark Sächsische Schweiz geführt. Dort hat sich eine Bürgerinitiative formiert, die den Nationalpark auf einen Naturpark zurückstufen möchte. Anlass ist auch hier der große Waldbrand im August dieses Jahres, nach dem Brandschutzschneisen in der Nähe von Siedlungen, die Entfernung von Fichtentotholz, die Pflege, Neuanlage oder Freigabe von Wegen bis hin zum Waldumbau diskutiert werden. In der anderen Waagschale liegt ein intaktes Biotop, welches in einer Zeit, in der immer mehr Lebensräume zerstört werden, umso wichtiger ist.
Ein fantastisches Beispiel bietet der Nationalpark Bayerischer Wald. Diesen gibt es seit mehr als 50 Jahren. In diesem ist zu beobachten, dass der Prozessschutz einmalige Möglichkeiten bietet. Sie erinnern sich eventuell noch an das Bild, das der Bayerische Wald in den 90er-Jahren bot: abgestorbene Fichten allerorten. Heute wissen wir, dass sich der Bayerische Wald nach dem damaligen großflächigen Borkenkäferbefall so stark wie nie zuvor verjüngt hat. Die Verjüngungsdichte lag nach zehn Jahren höher als die Pflanzzahl in bewirtschafteten Wäldern.
Hierzu muss ich sagen: Ja, vielleicht gibt es mehr Niederschlag im Bayerischen Wald, Herr Hauser. Aber wenn wir den Nationalpark dort mit den dortigen Wirtschaftswäldern vergleichen, dann würde ich sagen, zählt diese Formel hier genauso: Auch unser Nationalpark verjüngt sich schneller als die bewirtschafteten Wälder bei uns. Lassen wir es einfach darauf ankommen!
Oder lassen Sie uns einen Blick auf den ältesten Nationalpark der Welt, den Yellowstone-Nationalpark, werfen. Dort halten die Diskussionen seit den späten 80er-Jahren an, seitdem dort größere Feuer Jahr für Jahr Teile des Parks vernichten. Mittlerweile wissen Biologen aus jahrelangen Beobachtungen, dass die Natur mit diesen Bränden sehr gut umgehen kann.
Doch ich will auch hier noch einmal klarstellen: Wenn Gefahr für Leib, Leben und Güter der Menschen besteht, dann muss selbstverständlich eingegriffen und alles zum Schutz getan werden. Für Letzteres haben der Forstminister, der zuständige Landrat des Landkreises Harz und der Oberbürgermeister der Stadt Wernigerode sowie der Direktor der Nationalparkverwaltung die Wernigeröder Erklärung zur Waldbrandprävention unterzeichnet. Was sie beinhaltet, hat unser Forstminister soeben ausgeführt. Diese Maßnahmen sind sehr zu begrüßen.
Mein Vorschlag ist: Die Maßnahmen sollen allesamt jährlich evaluiert werden. So kann gewährleistet werden, dass sich der Nationalpark weiter entwickeln kann und dass Anwohnerinnen und Anwohner, aber auch Touristen durch Waldbrände nicht zu Schaden kommen.
Die Wernigeröder Erklärung zeigt auch, wie es gehen kann, nämlich gemeinsam. Ich hoffe, dass es bei dieser Gemeinsamkeit bleibt und dass alle Beteiligten ihren Teil zur Bewahrung dieses Schatzes in unserem Land beitragen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der FDP, von den GRÜNEN und von Angela Gorr, CDU)