Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 6

Beratung

Moderne Schule - Schulbaurichtlinie überarbeiten

Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/2532

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2557


Einbringen wird den Antrag Frau Dr. Pähle. - Frau Dr. Pähle, bitte schön.


Dr. Katja Pähle (SPD): 

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn wir alle an unsere eigene Schulzeit zurückdenken, dann erinnern wir uns nicht nur an die Lehrerinnen und Lehrer oder an die Schulkameraden, sondern verbinden damit auch immer Erinnerungen an die Schule selbst.

Für all jene hier im Hohen Haus, die ihre Schulzeit in der früheren DDR verbracht haben, ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit ein serieller Typenbau der Variante Atrium, Schuster oder Gangtyp. Und viele hier im Raum werden den Typ Erfurt TS66 oder den Typ Berlin SK bestens aus eigenem Erleben kennen und wissen sicherlich heute noch, wo das Lehrerzimmer oder der Biologieraum waren.

Wenn wir über Schulbauten sprechen, sollten wir uns immer vor Augen halten, dass sie die jeweiligen pädagogischen und bildungspolitischen Auffassungen ihrer Zeit verkörpern. Schulbauten sind in Stein gemeißelter Ausdruck von Pädagogik. Der wilhelminische Backsteinbau ist das eindrücklichste Beispiel dafür.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand Unterricht vor allem darin, dass der Lehrer oder die Lehrerin die Klasse von einem erhöhten, frontal vor der Klasse aufgebauten Pult dirigierte, kontrollierte und in gewisser Weise auch beherrschte. Die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler war es, anhand der autoritären Methode des strengen Frontalunterrichts in erster Linie zuzuhören und möglichst viel Wissen zu reproduzieren.

Die Schulgebäude bestanden aus langen Fluren und angegliederten Klassenzimmern. Deren Ausgestaltung bestand meistens aus Holzbänken und Pulten. Das passte zur damaligen Vorstellung von Schule und Erziehung: Strenge, Gehorsam und Disziplin.

Es waren Lehranstalten oder, wie es die Reformpädagogin Maria Montessori ausdrückte, Kasernen und Stätten großer Trostlosigkeit. Der französische Soziologe Michel Foucault nannte die Schulen eine Disziplinierungsanstalt der Individuen.

Dieser kleine und unvollständige Blick zurück sei mir gestattet, um zu verdeutlichen, wie wichtig ein Nachdenken darüber ist, wie ein moderner, zeitgemäßer Schulbau heute aussehen sollte. Der lange praktizierte Frontalunterricht ist längst abgelöst von problemlösendem und selbstständigem Lernen in Gruppen oder in Einzelarbeit.

Die Inklusion, der Ganztag und die Digitalisierung des Lernens stellen heute ganz andere Anforderungen an das Gebäude Schule als noch vor Jahrzehnten. Für individuelles und selbstbestimmtes Lernen sind klassische Klassenräume daher eher ungeeignet.

Die leidenschaftlichen Diskussionen über die Bildungspolitik hier im Hohen Haus waren in der letzten Zeit stark geprägt von der Frage nach personellen Ressourcen. Das ist auch richtig. Aber die Frage nach den Räumen, in denen Bildungsprozesse stattfinden, ist dabei nicht zu vernachlässigen.

Die Schulgebäude und die Klassenzimmer sind nicht nur Orte des Lernens, sondern Lebensräume, in denen unsere Kinder und Jugendlichen viel Zeit verbringen. In der Pädagogik spricht man auch vom Raum als dritten Pädagogen.

Die Frage, mit der sich die kommunalen Schulträger, die Lehrkräfte, aber auch die Eltern und die Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen sollen, ist, welche Raumstruktur braucht ein moderner und zeitgemäßer Ganztagsunterricht, der aus selbstorganisiertem Lernen in kleineren Lerngruppen und Rückzugsräumen besteht? Wie können Räume flexibel genutzt werden?

Wie viel Fläche benötigen Lernlandschaften? Welche Anforderungen der Barrierefreiheit und Inklusion sind unbedingt zu beachten? Braucht es weiterhin ein klassisches Lehrerzimmer oder sind mehrere Teamräume mit eigenen Arbeitsplätzen besser geeignet für multiprofessionelle Teams?

Und wie kann in Zeiten des Klimawandels ein nachhaltiges und energieeffizientes Bauen gelingen? Fotovoltaikanlagen oder moderne Heizungs- und Belüftungssysteme sollten inzwischen selbstverständlich sein, auch damit vielleicht die Rauminnentemperatur in den Sommern, auch wenn es kein Hitzefrei gibt, nicht ins Unerträgliche steigt.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Als Koalitionsfraktionen haben wir uns darauf verständigt, dass wir die Schulbauförderrichtlinie des Landes überarbeiten und modernisieren wollen. Deshalb an dieser Stelle gleich der Hinweis: Trotz vielfacher Beratungen hat sich nicht nur ein Fehlerteufel eingeschlichen, sondern in den Beratungen fortgesetzt. Sowohl in der Überschrift als auch bei Punkt 3 des Antrages muss es „Schulbauförderrichtlinie“ heißen;

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)

denn genau darum muss es gehen.

Es muss jetzt mit der Überarbeitung der Schulbauförderrichtlinie mehr Flexibilität und Gestaltungsfreiheit für modernen Schulbau ermöglicht werden und es müssen auch andere räumliche Konzepte für differenzierte Lern- und Lehrformen zugelassen werden, die möglichst sogar mit dem Konzept der Schule einhergehen.

Die überarbeitete Richtlinie soll voraussichtlich im Juni 2023 in die Anhörung gehen. Das wissen wir nach Gesprächen mit dem Bildungsministerium. Und die Richtlinie soll im Spätsommer 2023 veröffentlicht werden. Aus dem Bildungsministerium ist weiterhin zu hören, dass es ein großes Interesse der Schulträger gibt und bereits Förderanträge vorliegen.

Wer in den Haushalt des Landes schaut, sieht, dass bereits in diesem Jahr 16 Millionen € zur Verfügung gestellt werden und in der Zeit bis zum Jahr 2026 der Haushalt eine Gesamtsumme von 150 Millionen € zur Verfügung stellt. Was für ein großes Volumen für modernen und neu ausgerichteten Schulbau in unseren Kommunen?

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich glaube, deshalb ist es wichtig, auch wenn man den Lehrermangel nicht kleinreden darf, sich zum jetzigen Zeitpunkt diesem Punkt zuzuwenden. Moderne Schulen durch eine veränderte Schulbauförderrichtlinie zu ermöglichen, Inklusion vom ersten Moment an mitzudenken, neue Lernräume zu schaffen, die Kindern auch zeigen, dass Schule Lebensort ist, den sie auch vielleicht mit eigenen Ideen mitentwickeln und weiterentwickeln können. Denn wenn wir auch an anderen Stellen über Demokratie an der Schule reden, wenn wir über die Mitgestaltung in unserer Gesellschaft reden, dann muss modernes Denken auch im Schulbau Einzug halten.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zum vorliegenden Antrag und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)