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Plenarsitzung

Transkript

Wulf Gallert (Die Linke): 

Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Stefan Gebhardt, Die Linke: Guten Abend!)

Es gibt durchaus etwas Positives über den Antrag der AfD zu sagen, und das kommt bei mir nicht allzu häufig vor. Er ist im Gegensatz zu anderen Anträgen der AfD nicht schädlich; er ist lediglich überflüssig. Warum ist er das? - Ganz einfach deshalb, weil hier ein Initiator für ein Projekt genannt wird - die Handwerkskammer Lübeck, hier wäre es dann Magdeburg oder Halle  , der davon überhaupt nichts wissen will.

(Zustimmung bei der Linken)

Wir haben natürlich mit der Handwerkskammer Magdeburg gesprochen - wir, zumindest der eine oder andere von uns wird heute die meisten Akteure sehen - und sie gefragt: Was haltet ihr eigentlich von dem, was die AfD hier beantragt? Ich lese die Antwort kurz vor; sie ist nicht sehr umfangreich: Bei dem Projekt in Schleswig-Holstein bleibt abzuwarten, wie es sich in der Pilotphase entwickelt und welche Ableitungen sich daraus ziehen lassen. Die Evaluation ist dabei ein wichtiger Bewertungsschlüssel. Wenn Schüler es bis zur 10. oder 12. Klasse nicht schaffen, einen Beruf zu wählen, ist ein späteres Engagement zumindest fraglich (noch ein ganzes zusätzliches Jahr lang äußerst fraglich). 

Sie befürworten dafür lieber eine durchgehende und abgestimmte Berufsorientierung in Sachsen-Anhalt in den Schulen inklusive Berufsschulen und Gymnasien. Das ist das, worüber wir hier gesprochen haben. 

Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit im Wirtschaftsausschuss genau diese Frage: Handwerkernachwuchs - welche Projekte gibt es? Wie können die Dinge vorangetrieben werden? Ich muss ganz ehrlich sagen: Nach zwei Stunden schwirrte mir der Kopf, weil ich inzwischen keinen Überblick mehr über alle Projekte hatte, die in diesem Bereich dazu dienen sollen, die Orientierung genau in jenem Bereich zu machen. An einer Stelle - das sage ich ganz klar - haben wir eindeutig die Position der Handwerkskammer: Diese Berufsorientierung muss in der Schule erfolgen.

(Zustimmung bei der Linken)

Dazu gibt es sogar Projekte; diese hat der Kollege Lippmann hier massenhaft vorgestellt. Dazu gab es sogar einmal den Begriff der Polytechnischen Oberschule. Sie hatte nämlich genau diesen Bezug, nämlich dass nicht hier die Schule und daneben das Berufsleben ist, sondern beide Dinge so früh wie möglich miteinander verknüpft werden. Dazu gibt es eine Reihe von Projekten, die wirklich dazu da sind. 

Dann gibt es möglicherweise noch einige Einzelfälle, z. B. Kinder und Jugendliche, die den Schulabschluss nicht haben und noch einmal eine Orientierung brauchen. Aber dafür gibt es z. B. das Berufsvorbereitungsjahr, das sich ausdrücklich schon mit genau dieser Situation auseinandersetzt. Deshalb sagen wir noch einmal ganz klar: Nein. Im Verhältnis zu den normalen Azubi-Stellen, die im Handwerk angeboten werden, wäre das für die Betroffenen übrigens ohnehin eine extrem unlukrative Billiglösung. Inzwischen beginnen Lehrlingsausbildungsvergütungen in diesem Bereich häufig bei 1 000 €. Dann zu sagen, „dann nehme ich aber lieber jemanden, für den ich 450 € bezahle“, mag aus der Sicht eines Handwerkers vielleicht noch okay sein, aber aus der Sicht eines Auszubildenden mit Sicherheit nicht.

(Olaf Meister, Grüne, lacht)

Ein letzter Satz von mir: Herr Staudt, ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich für Ihre Frage, wie die Betriebe unterstützt werden. Bestimmt haben Sie unserem Antrag zur Ausbildungsumlage zugestimmt; denn dann - das weiß ich jetzt auch - haben wir den nächsten Verbündeten. - Danke.

(Beifall bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Gallert. - Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Lieschke. - Herr Lieschke, bitte.


Matthias Lieschke (AfD): 

Ganz kurz: Sie haben gerade auf den 450 € herumgeningelt nach dem Motto, das sei viel zu wenig. Wenn Sie einmal schauen, was diejenigen bekommen, die sich im Freiwilligen Sozialen Jahr oder im Bundesfreiwilligenjahr engagieren, dann werden Sie feststellen: Sie gehen 40 Stunden arbeiten und werden teilweise mit 250 € abgespeist. Dazu sage ich eher, das ist übel. Dort stimmen die Werte nicht. Darin müssen Sie mir, glaube ich, zustimmen.


Wulf Gallert (Die Linke): 

Gut, Herr Lieschke, an der Stelle würde ich Ihnen nicht einmal hundertprozentig widersprechen. Aber es gibt - auch das will ich klar sagen - ein zentrales anderes Motiv für das Freiwillige Soziale Jahr. Wenn Sie einmal nachschauen, welche Ziele das Freiwillige Soziale Jahr hat, dann stellen Sie fest, an vierter oder fünfter Stelle kommt auch die Berufsorientierung. Aber das erste Ziel eines Freiwilligen Sozialen Jahres ist, es jungen Menschen zu ermöglichen, sich in einem sozialen Kontext mit minimaler Lebensgrundlage zu bewegen - dabei kann man über die 450 € noch einmal sehr kritisch diskutieren -, was ansonsten in unserer modernen Kleinfamilie nicht möglich ist, in der eben meist nicht mehr drei Generationen sind, sondern vielleicht nur noch zwei, und das Einzelkind auch nicht gelernt hat, mit jüngeren Geschwistern umzugehen und schon gar nicht mit älteren Menschen. Dieses Engagement wird dadurch ermöglicht, weil es häufig in den Berufen nicht möglich ist. Dafür ist das Freiwillige Soziale Jahr wirklich noch einmal eine andere Kategorie.

Ich gebe Ihnen aber an einer Stelle recht: Dort, wo in dem inzwischen kommerzialisierten Pflege- und Gesundheitsbereich das FSJ dazu benutzt wird, um eigentlich nur billige Arbeitskräfte einzustellen, folge ich dieser Kritik sehr wohl. - Danke.

(Zustimmung bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Gallert.