Der Evangelische Kirchenkreis Magdeburg hatte gemeinsam mit der Landeshauptstadt Magdeburg zum Gedenken an die Novemberpogrome des Jahres 1938 eingeladen. Die Veranstaltung, eine von zahlreichen Gedenkveranstaltungen in ganz Sachsen-Anhalt, fand am 8. November 2024 im Forum Gestaltung statt und endete nach einem Gedenkweg am Mahnmal der zerstörten Magdeburger Synagoge, wo Kränze, Blumen und Lichter niedergelegt und die Gedenkveranstaltung mit Gebeten nach jüdischem Ritus beschlossen wurden.
Gemeinsam wurde daran erinnert, was vor 86 Jahren geschah ‒ an den Beginn der systematischen Verfolgung jüdischer Menschen und die Zerstörung ihres Eigentums, ihrer Häuser und Synagogen. Für diese Gedenkveranstaltung arbeiteten die jüdischen Gemeinden Magdeburgs, das Forum Gestaltung sowie Vertreterinnen und Vertreter von Kirche, der Stadt Magdeburg und des Landes Sachsen-Anhalt zusammen.
Aus den Redebeiträgen
„Gerade angesichts der Errichtung einer neuen Synagoge ist es doch von größter Bedeutung, den Zusammenhang zwischen Neubau und Zerstörung der Magdeburger Synagoge im Gedächtnis zu bewahren“, so Superintendent Stephan Hoenen. „Die Stimmen des Protestes gegen Antisemitismus müssen weiter laut hörbar sein“, forderte Hoenen. Gedenken sei immer ein Erinnern für die Zukunft.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris sagte, die Opfer seien Mahnung, dass sich eine solche menschengemachte Katastrophe wie der Holocaust niemals wiederholen dürfe. Die Menschenfeindlichkeit der Nazis sei zum absoluten Alptraum ihrer Opfer geworden. Magdeburg habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer weltoffenen Stadt mit einem wieder blühenden jüdischen Leben entwickelt, lobte Borris. Viel bürgerschaftliches Engagement und die neue Städtepartnerschaft mit der israelischen Stadt Kiryat Motzkin zeugten davon.
Dr. Lea Ganor, Leiterin des Holocaust-Gedenkzentrums in Kiryat Motzkin, betonte, man müsse die Erinnerung nutzen und so transformieren, dass die Informationen gelehrt und weitergetragen werden könnten. Das von ihr geleitete Zentrum halte Kontakt zu tausend Holocaustüberlebenden und bewahre deren Geschichte und Geschichten – auch durch Lehrangebote für Schulen und Universitäten und den Austausch mit Institutionen in Deutschland und den USA. „Die Antwort auf Hass ist Bildung“, zeigte sich Ganor überzeugt.
Die monströse Menge der Nazi-Verbrechen sei bekannt, sie sei Teil der gesellschaftlichen Erinnerungskultur, sagte Inessa Myslitska, Vorstandsvorsitzende der Magdeburger Synagogengemeinde. Es sei wichtig, der Opfer zu gedenken, weil diese noch immer und immer wieder missbraucht und gar geleugnet würden. „Antisemitismus hat leider immer Konjunktur, aber erst, wenn dagegen geschwiegen wird, haben die Antisemiten gewonnen. Aber so weit wird es nicht kommen“, zeigte sich Myslitska kämpferisch. Sie dankte ausdrücklich der Polizei, die im Umkreis der neuen Magdeburger Synagoge rund um die Uhr für Sicherheit sorge. „Unser Traum? Ein offenes Haus, in dem jeder willkommen und vor allem sicher ist.“
„Erinnerung spielt in der jüdischen Kultur eine wichtige Rolle“, betonte Larissa Korshevnyuk, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Magdeburg. Sie gehe einher mit der Trauer über den Verlust, ermögliche aber auch, Mut und Kraft aus dem Vergangenen zu ziehen. „Die Erinnerung ist der Schlüssel zur Bewahrung der eigenen Identität und für die Weitergabe der eigenen Werte.“ Man müsse seine Stimme für die Werte der Demokratie erheben; jüdisches Leben müsse in all seinen Facetten respektiert werden.
Schülerinnen und Schüler stellen Projekt vor
Flutura-Aimeé Murtezi, Moritz Florian Brauer und Dilva Omar, Schülerinnen und Schüler einer Projektgruppe vom Magdeburger Geschwister-Scholl-Gymnasium, bereicherten die Gedenkveranstaltung mit der Vorstellung ihres Projekts über den israelitischen Friedhof in Magdeburg. Sie setzten sich mit den Bauten vor Ort, aber auch mit der Symbolik auf den Grabsteinen auseinander und teilten ihre Erkenntnisse mit den Gästen der Gedenkveranstaltung. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Petra Steinbring und Anna Grinberg am Klavier, Kantorin Shualmit Lobowska sang unter anderem das Gebet „El male Rachamim“.
Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung gingen die Gäste gemeinsam zum Mahnmal der zerstörten Magdeburger Synagoge. Hier wurden Blumen und Kränze niedergelegt und das Kaddisch, das traditionelle Totengebet, gesprochen.