Klimawandel, Ukraine-Krieg, Migration, wirtschaftliche Entwicklung oder die Einhaltung sozialer Standards – die Abgeordneten des Landtags von Sachsen-Anhalt beschäftigen sich regelmäßig mit europapolitischen Themen. Manche Anträge diskutieren sie öffentlich im Plenum, andere Themen und Vorschläge besprechen sie im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur.
Der Vorsitzende des Ausschusses,Daniel Sturm (CDU), erklärt im Interview, wie Europapolitik von Magdeburg aus funktioniert und wie europäische Gesetzgebungsprozesse beeinflusst werden können.
Redaktion: Welchen direkten Einfluss haben Sie als Landtagsabgeordneter auf die Politik der Europäischen Union?
Daniel Sturm: Grundsätzlich kann der Landtag über verschiedene Wege Einfluss auf die Politik der Europäischen Union nehmen. Einer davon ist der Ausschuss der Regionen (AdR). Der Ausschuss der Regionen ist ein beratendes Gremium von Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinden, Städte und Regionen Europas mit Sitz in Brüssel. Aktuell wird unsere Region vom Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt, Sven Schulze (CDU), vertreten. Er bringt so die Interessen Sachsen-Anhalts in den AdR ein. Der AdR kann wiederum über Stellungnahmen Einfluss auf die Meinungsbildung in den europäischen Institutionen ausüben. Die Arbeit der Mitglieder im AdR ist regelmäßig Thema in unserem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur.
Zusätzlich hat der Landtag die Möglichkeit, zu EU-Gesetzesvorhaben Beschlüsse zu fassen, an denen sich die Landesregierung im weiteren politischen Prozess im Bundesrat orientieren kann. Außerdem können Stellungnahmen des Landtags direkt der Europäischen Kommission zugeleitet werden und damit in den Prozess der europäischen Politikgestaltung einfließen.
Um auf die Frage zurückzukommen: Ich als einzelner Abgeordneter kann mit Blick auf diese Möglichkeiten im Ausschuss, in der Fraktion oder im Plenum Impulse für bestimmte Themen setzen.
Was waren aus ihrer Sicht seit Beginn der Legislaturperiode die wichtigsten europapolitischen Themen, mit denen sich der EU-Ausschuss beschäftigt hat?
In der bisherigen Legislaturperiode haben uns insbesondere die internationalen politischen Entwicklungen beschäftigt – allen voran der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Wichtige Fragen zur Energieversorgung oder den Russlandsanktionen sind damit im Ausschuss auf die Tagesordnung gekommen. Aber wir haben uns auch mit erfreulicheren Themen beschäftigt, und zwar mit der Planung desZukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation in Halle (Saale).
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen? Über welche Kanäle erfahren Sie, was im Europäischen Parlament geplant und diskutiert wird?
Der Landtag von Sachsen-Anhalt betreibt seit einigen Jahren eineInformations- und Kontaktstelle in Brüssel. Diese informiert uns regelmäßig über ausgewählte Gesetzesvorhaben, die für den Landtag relevant sind. Eine weitere Zusammenarbeit ergibt sich aus dem persönlichen Austausch. Mitglieder des Europaparlaments sind regelmäßig im Europaausschuss zu Gast und berichten uns über die neuesten Entwicklungen. Jedoch fahren wir auch regelmäßig nach Brüssel oder Straßburg und tauschen uns mit europapolitischen Akteuren oder Sachverständigen vor Ort aus.
Warum hat die Europäische Union/das EU-Parlament so einen schlechten Ruf bei vielen Bürgerinnen und Bürgern?
Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich von den in Brüssel und Straßburg getroffenen Entscheidungen weit weg. Sie haben den Eindruck, dass die EU nichts mit ihrem Leben zu tun hat und bleiben daher auch den Wahlurnen zur Europawahl fern. Dennoch prägen ihre Entscheidungen unser alltägliches Leben maßgeblich. Sie räumt uns Privilegien ein, wie Reisefreiheit, den Euro oder Flexibilität im Arbeits- und Studienort.
Welche Vorteile hat Sachsen-Anhalt ganz konkret von der Europäischen Union?
Als Vorteile für das Land Sachsen-Anhalt sind u. a. EU-Förderungen in Milliardenhöhe zu benennen. Außerdem wäre der Aufbau des Landes nach 1990 ohne die Hilfe der EU so nicht vorstellbar gewesen.
Für die Menschen in Sachsen-Anhalt bedeutet die Europäische Union aber auch Freiheit weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Sie bietet Sicherheit und Schutz in ihren Rechten als Arbeitnehmer, Verbraucher, Bürger und Mensch. Sich die Wertschätzung für Selbstverständlichkeiten zu bewahren ist immer ein Problem. Das mussten nun auch die Briten schmerzlich lernen. Somit lässt sich auch mit Blick auf die vorangegangene Frage sagen, dass es natürlich Lösungen für etwaige Probleme braucht, jedoch am Beispiel des Brexits zu sehen ist, dass keine EU auch keine Lösung ist.