Die im März 2012 vom Landtag eingesetzte Enquete-Kommission „Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen – bürgernah und zukunftsfähig gestalten“ hat ihre erste Halbzeit geschafft. Im Gespräch stellt deren Vorsitzende Angela Gorr erste Ergebnisse vor.
Redaktion: Am Anfang ein kurzer Blick zurück: Die Koalition hatte sich 2012 gegen die Enquete-Kommission ausgesprochen, nun ist mit Ihnen, Frau Gorr, eine CDU-Politikerin deren Vorsitzende. Steht das nicht im Widerspruch zueinander?
Angela Gorr: Nein, das schließt sich nicht aus. Die Enquete-Kommission ist mit den Stimmen der Fraktion DIE LINKE eingesetzt worden, alle anderen Fraktionen haben sich enthalten. Dieser Mehrheitsbeschluss ist bindend für das Parlament und damit ist die Übernahme des Vorsitzes der Enquete-Kommission durch eine CDU-Politikerin ein ganz natürlicher demokratischer Vorgang, nicht zuletzt durch die ohnehin geregelte Besetzung der Ausschussvorsitze. Die stärkste Fraktion bekam in diesem Fall den Ausschussvorsitz übertragen.
Das Themengebiet scheint mit dem Ziel, die „öffentliche Verwaltung konsequent voranzubringen“, zunächst sehr eng abgesteckt zu sein. Tatsächlich aber wird ein breites Feld bearbeitet. Was zählt hier alles zur Verwaltung?
Unter Verwaltung ist entsprechend des Einsetzungsbeschlusses dreierlei zu verstehen: Struktur und Aufgaben, Personal sowie E-Government als effektive Nutzung moderner Kommunikationsmittel. Der Einsetzungsbeschluss mit seinen drei Themenschwerpunkten und den differenzierten Einzelfragen zeigt, dass eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen ist, um am Ende Empfehlungen abgeben zu können.
Vor welche Herausforderungen stellt die Gremienform „Enquete-Kommission“ die Abgeordneten und warum ist sie Ihrer Meinung nach gut für die Untersuchungen geeignet?
Die Herausforderung besteht in der gemeinsamen Verständigung auf das inhaltliche Vorgehen, um die komplexe Themenstellung überhaupt zu bewältigen. Eine Enquete-Kommission kann zusätzlich zu den Abgeordneten Sachverständige einbinden und zu allen Fragestellungen Anhörungen mit weiteren Experten durchführen. Diese intensive Form der thematischen Auseinandersetzung über einen längeren Zeitraum ermöglicht einen tieferen Einblick in einzelne Sachverhalte als im parlamentarischen Alltag üblich.
Welche Mittel sind Ihnen an die Hand gegeben. Vielleicht können Sie uns ein paar „nackte Zahlen“ nennen?
Bisher fanden 13 Anhörungen mit insgesamt 41 Experten aus Wissenschaft und Verwaltung statt. Diese kamen nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern u. a. von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, vom Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften an der Cristian-Albrechts-Universität zu Kiel, von den Universitäten Leipzig, Bielefeld und Hannover, von der Technischen Universität in Dortmund oder aber auch von der Führungsakademie in Baden-Württemberg. Weiterhin konnte die Enquete-Kommission zu den Anhörungen auch Experten von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin oder der Hertie School of Governance – Internationales Institut für Staats- und Europawissenschaften (ebenfalls in Berlin) begrüßen. Schließlich waren die ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Staatssekretär des Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaates Sachsen und zahlreiche andere renommierte Professoren bereits Gäste der Enquete-Kommission.
Die Kommission wurde im März 2012 auf Basis eines Landtagsbeschlusses eingesetzt, nahm im Juni 2012 ihre Arbeit auf und agiert nun seit zwei Jahren. Liegen für die Kernbereiche schon erste Erkenntnisse vor? Zuerst genannt sei die Funktionalreform, also die Veränderungen in der Struktur und bei den Aufgaben der Verwaltung.
Die Enquete-Kommission hat für September 2014 die vorerst letzte Anhörung geplant und stellt gegenwärtig die Expertenvorschläge zusammen, um sie dann zu bewerten. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Der erste Zwischenbericht liegt bereits vor. Er informiert über den Arbeitsstand bis Mitte 2013 und bildet einzelne Positionen der Fraktionen ab.
Dann wären da erste Erkenntnisse zur auch außerhalb der Enquete-Kommission heißdiskutierten Personalentwicklung zu nennen. Kann die Kommission zur besseren Regulierung der Beschäftigtenzahlen bei der Polizei, in den Schulen und der Verwaltung beitragen?
Der Beitrag, den die Enquete-Kommission hier aktuell leisten kann, ist relativ begrenzt. Handlungsempfehlungen für die zukünftige Entwicklung der öffentlichen Verwaltung stehen erst am Ende unserer Arbeit. Eine direkte Einflussnahme auf die Haushaltsplanung auch in Verbindung mit der Personalplanung ist nicht Aufgabe einer Enquete-Kommission.
Zuletzt das wichtige Thema E-Government, wo es in den Kommunen und im Land ja schon diverse Ansätze und Möglichkeiten gibt.
Die Enquete-Kommission hat dieses Thema als ersten Themenschwerpunkt gewählt und intensiv zum Beispiel mit kommunalen Dienstleistern, den Kommunalen Spitzenverbänden und anderen Akteuren diskutiert. Es hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, sich miteinander über konkrete Vorhaben und ihre mögliche technische Umsetzung zu verständigen, damit nicht unnötig finanzielle Ressourcen für Einzellösungen gebunden werden, die nachher nicht zusammenpassen und die Zusammenarbeit erschweren. Kommunale Selbstverwaltung oder Datenschutz sind in diesem Entwicklungsprozess wichtige Faktoren, die Beachtung finden müssen.
Inwieweit ist die Landesregierung in die Arbeit der Kommission eingebunden und gab es bereits erste Rückmeldungen?
Die Landesregierung ist von Anfang an eng in die Kommissionsarbeit einbezogen. Es hat sich herausgestellt, dass parallel zum Zeitpunkt des Einsetzungsbeschlusses bereits eine Vielzahl von Maßnahmen durch die Landesregierung umgesetzt oder eingeleitet worden war. Wir werden regelmäßig in umfangreichen Stellungnahmen und teilweise persönlich durch die zuständigen Minister unterrichtet und diskutieren mit ihnen über mögliche Veränderungsprozesse.
Wann wird die Kommission ihre Arbeit abschließen und welches Ziel soll erreicht werden? Inwiefern sind die Erkenntnisse bindend für die politischen Verantwortungsträger?
Wie schon erwähnt, befassen wir uns zurzeit mit den Vorschlägen der Experten. Die Empfehlungen der Enquete-Kommission und der einzelnen Fraktionen werden neben der politischen Bewertung auch davon abhängen, was die Landesregierung schon erreicht hat und wo Weiterentwicklungen oder Veränderungen für notwendig erachtet werden. Ebenso wird die Einschätzung der Kommunalen Spitzenverbände von Interesse sein. Inwieweit die Erkenntnisse bindend sind für die politischen Verantwortungsträger, das wird das Parlament beantworten müssen. Die Enquete-Kommission ist in erster Linie ein Arbeitsgremium, das Empfehlungen erarbeitet, also Vorschläge macht.