Katrin Gensecke (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Hohe Haus hat in der letzten Legislaturperiode das Kinderförderungsgesetz mehrfach geändert, und zwar zum Besseren für alle. Das KiFöG ist komplex. Daher einige Vorbemerkungen.

Die Finanzierung des KiFöG wird von den Partnern getragen: vom Land, von den Landkreisen, den Eltern und manchmal auch durch den Bund. Kinderbetreuung ist eine kommunale Pflichtaufgabe, aber das Land gibt bestimmte Parameter vor, z. B. den Personalschlüssel, den Ganztagsanspruch und die Qualität. Damit ist das Land in der Finanzierungsverantwortung.

Die erste Gesetzesänderung erfolgte im Herbst 2017. Die Landespauschalen wurden im Hinblick auf die Kinderzahlen, die damals gestiegen sind, neu berechnet. Der Betreuungsumfang wurde zum damaligen Zeitpunkt auf 8,7 Stunden gesteigert. Auch eine Tarifentwicklung gab es. Kommunen und Land haben insgesamt 30 Millionen € mehr aufgewendet. Zudem wurden die Kommunen durch die Mehrkindregelung durch das Land entlastet.

Die zweite und wichtigste Änderung war die fristgemäße Umsetzung der Vorgaben des Landesverfassungsgerichts. Der damalige § 12b KiFöG wurde für unvereinbar mit dem Artikel 87 Abs. 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt erklärt. Wer schon etwas länger Mitglied dieses Hohen Hauses ist, wird sich sicherlich daran erinnern, dass die Finanzierungsverpflichtung von 50 % für die Gemeinden gestrichen wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die sogenannte große KiFöG-Novelle wurde im Sommer 2018 beschlossen. Die Novelle umfasste einige sehr wesentliche Änderungen: eine transparentere Finanzierung durch den Systemwechsel, eine stärkere Unterstützung der Gemeinden, die Entlastung der Eltern, die Stärkung der pädagogischen Fachkräfte, die Feststellung des gleichen Bildungsanspruchs für alle Kinder sowie die Förderung   das ist mehrfach angesprochen worden   von Kitas mit besonderen Bedarfen, z. B. Sprach-Kitas.

Seit dem 1. Januar 2019 gilt, dass alle Kinder einen Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung im Umfang von acht Stunden haben, der für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei der Aus- und Fortbildung, im Studium, aufgrund der Pflege von Angehörigen oder bei Krankheiten unbürokratisch auf zehn Stunden täglich erhöht werden kann. Ebenfalls gilt, dass Familien nur noch für das älteste Kind Beiträge zahlen, wenn mehrere Kinder zeitgleich in der Krippe oder im Kindergarten betreut werden. Das hat Eltern von 60 000 Geschwisterkindern finanziell entlastet - das ist eine gute Sache. Neu war, dass Ausfallzeiten für Fortbildung, Krankheit und Urlaub der pädagogischen Fachkräfte im Rahmen von zehn Arbeitstagen pro Fachkraft berücksichtigt wurden. Die Kosten hat das Land übernommen. Zudem wurden 100 pädagogische Fachkräfte   auch das wurde angesprochen   für Kitas mit besonderen Bedarfen zusätzlich vom Land finanziert.

Mit den Mitteln des Gute-Kita-Gesetzes des Bundes ein Jahr später konnte die Geschwisterregelung auf Hortkinder ausgeweitet werden. Wenn ein Kind den Hort besucht und das Geschwisterkind in die Kita geht, dann wird nur noch der geringere Hortbetrag gezahlt. Zudem konnten ab dem 1. August 2019 angehende Erzieherinnen und Erzieher rückwirkend vom Schulgeld befreit und eine praxisintegrierte und vergütete Erzieherinnenausbildung auf den Weg gebracht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich komme noch einmal kurz zurück auf den Sommer 2018. Die wichtigste Änderung bei der großen Novelle betraf Finanzierungsystematik. Es wurde geregelt, dass das Land auch zukünftig mit einem festen Prozentsatz von 51 % an den Personalkosten für die pädagogischen Fachkräfte beteiligt ist. Die Berechnungsgrundlage dafür ist der Mittelwert der Jahrespersonalkosten für pädagogische Fachkräfte aus den Entgeltgruppen 8a und 8b TVöD für den Sozial- und Erziehungsdienst in der Erfahrungsstufe 5. Zudem wurde gesetzlich geregelt   das ist eigentlich das Entscheidende und Wichtige  , dass die Tarifabschlüsse des TVöD vollständig und automatisch vom Land in den Personalkosten abgebildet werden. In § 12a Abs. 3 heißt es   ich zitiere:

„Die Zuweisungen nach Absatz 2 sind jährlich an die Entwicklung der Jahrespersonalkosten einer pädagogischen Fachkraft nach § 21 Abs. 3 und 4 Satz 1 entsprechend dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Sozial- und Erziehungsdienst anzupassen.“

Die zu erwartenden Tarifabschlüsse   die Verhandlungen dazu sind noch in vollem Gange, wir kennen noch gar keine Ergebnisse   sollten dann selbstverständlich übernommen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass das Land vorhat, gegen sein eigenes Gesetz zu verstoßen und den Erzieherinnen Gehalt vorzuenthalten. Noch ein Hinweis: Auch wenn das Land diese tariflichen Steigerungen einseitig übernehmen sollte, würden diese den Kommunen   das wurde auch gesagt   im Rahmen des Finanzausgleichgesetzes wieder abgezogen werden. Das ist dann eine Art Nullsummenspiel. Daher werden wir diesen Antrag ablehnen - aber nicht, weil wir den Beschäftigten, die große Verdienste haben und sich aufopferungsvoll ihrer Arbeit widmen, die Tarifsteigerungen vorenthalten wollen, sondern weil diese bereits im KiFöG geregelt sind. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ich sehe hierzu eine Frage von Herrn Gebhardt. Möchten Sie diese beantworten?


Katrin Gensecke (SPD):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Okay, dann können Sie sie stellen.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Frau Kollegin Gensecke, Sie sind sehr engagiert bei dem Thema. Sie haben jetzt im Prinzip ähnlich argumentiert wie vorhin die Sozialministerin.

Ich will das noch einmal wiederholen: Ich kann das aus der Sicht des Landes gut nachvollziehen. Sie haben soeben richtigerweise erwähnt, dass die letzte größere Novelle des KiFöG jetzt vier Jahre zurückliegt. In den letzten vier Jahren ist viel passiert. Unter anderem gab es in den letzten vier Jahren in den Kommunen eine deutliche Anhebung der Elternbeiträge. Außerdem haben wir schon zwei Jahre Pandemie hinter uns. Deswegen ist der Antrag meiner Fraktion so aufgebaut, dass es im ersten Teil in völliger Übereinstimmung mit dem, was Sie soeben gesagt haben, um bessere Arbeitsbedingungen für das Personal in den Kindertagesstätten geht. Wir sprechen uns dafür aus, dass die Tarifverhandlungen erfolgreich verlaufen. Aber wenn sie erfolgreich verlaufen, dann soll das Land von vornherein sagen, es kommt zu keiner Erhöhung von Elternbeiträgen und es bleibt nicht bei den Kommunen hängen. Denn die Kommunen würden das wieder auf die Eltern umlegen. Das ist zumindest bei einem Großteil der Kommunen so.

Deswegen lautet die Frage an Sie: Was hindert uns denn daran, gerade in dieser Situation gegenüber den Eltern und den Kommunen als Landtag deutlich zu signalisieren, dass das Land diese Tarifsteigerung komplett übernimmt? Was hindert Sie daran, dieses Signal deutlich zu setzen?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Katrin Gensecke (SPD):

Sehr geehrter Herr Gebhardt, ich möchte es noch einmal sagen: Die Tarifverhandlungen befinden sich noch in vollem Gange. Wir wissen noch gar nicht, was sie am Ende eigentlich erbringen. Die Gewerkschaften haben uns einen umfassenden Forderungskatalog vorgegeben. Wir müssen erst einmal schauen, wie wir damit umgehen. Ich will jetzt nicht vortreffliche Dinge sagen. Ich kann Ihnen nur mitteilen: Auch ich gehe durch meinen Landkreis, auch ich frage in Kindergärten und Kindertagesstätten nach. Ich habe nicht wahrgenommen, dass Elternbeiträge exorbitant gestiegen sind - ganz im Gegenteil, muss ich ehrlich sagen. Auch die Eltern sind zufrieden.

Wir sprechen viel über pädagogische Fachkräfte. Ich habe auch wahrgenommen, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter   das ist ganz klar   in der Zeit der Pandemie großartige Arbeit geleistet haben. Ich habe auch gefragt: Wo drückt der Schuh, was können wir verbessern, wie können wir weiterhelfen? Mir ist kein einziges Mal entgegengebracht worden, dass Tariferhöhungen etc. pp notwendig sind oder sich die Fachkräfte an vielen Stellen überfordert fühlen. Vielmehr wurde gesagt, dass es nicht die Kinder sind, sondern häufig die Eltern, weil sie genauso die Dinge mit tragen, die wir während der Pandemie erleben.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Eine ganz kurze Nachfrage noch, Herr Gebhardt.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Die kurze Nachfrage lautet: Wollen Sie es tatsächlich von der Höhe der Tarifsteigerung abhängig machen? Denn Sie sagen immer wieder, wir sollen doch erst einmal abwarten, was herauskommt. Unsere Position ist doch, unabhängig von der Höhe der Tarifsteigerung zu entscheiden, wir übernehmen diese. Es geht nicht darum, erst einmal abzuwarten, ob wir uns das als Land überhaupt leisten können oder ob wir es dann doch wieder auf die Eltern umlegen.

(Zuruf)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Katrin Gensecke (SPD):

Ich bleibe bei meiner ersten Aussage. Ich denke, wir sollten abwarten, wie sich die Tarifverhandlungen entwickeln. Ich denke, dann können wir noch einmal gemeinsam beraten. - Vielen Dank.