Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Hohes Haus! Ich bin für ganz viele Aspekte der Diskussion hier sehr dankbar. Ich bin dankbar dafür, dass die Fraktionen, die schon vor vier Wochen ein klares Bekenntnis dazu abgegeben haben, wo wir als Parlament in der Situation des Krieges in der Ukraine stehen, dies auch heute wieder deutlich gemacht haben, dass wir alle uns gemeinsam zur Aufnahme von Geflüchteten, zur Verantwortung für eine menschenwürdige Aufnahme bekannt haben, dass wir erkannt haben, dass darin auch große Herausforderungen für das Land bestehen. Für diesen Austausch darüber, wie wir auf diese Herausforderungen schauen, bin ich dankbar.

Ich möchte am Anfang ganz kurz auf die Passage zu dem Thema Schule abzielen. Wir kommen jetzt so langsam in den Bereich von Textexegese, Interpretation. Sowohl die Abgeordneten aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch die aus der Fraktion DIE LINKE wissen, wie im Bildungsausschuss über dieses Thema debattiert wurde. Der Staatssekretär Herr Diesener hat dazu in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses ausgeführt. Sie kennen den Schulleiterbrief. Aber neben diesen Regelungen, die Sie kennen, die auf eine schnellstmögliche Integration der Kinder in die Schulen und Kitas abzielt, werden wir an verschiedenen Stellen um eine gewisse Vorstufe nicht herumkommen. Das ist einfach ausgeschlossen.

Vielleicht hätte man an dieser Stelle die Textpassage etwas schärfen können; das will ich gar nicht beiseite wischen, das kann sein. Aber das Bekenntnis dazu, dass wir trotz alledem diese Angebote kurzfristig brauchen, ist richtig. Ich habe das in meiner Rede auch noch einmal ausführlich dargestellt.

Erlauben Sie mir eines: Lassen Sie uns doch genauso beschämt und sprachlos, wie es, glaube ich, bei der KMK der Fall war, vor dem Moment stehen, wenn die ukrainische Generalkonsulin dort den aus ihrer Sicht absolut nachvollziehbaren Wunsch äußert, die ukrainischen Kinder nicht in die Schulen zu integrieren.

Lassen Sie uns das wenigstens zur Kenntnis nehmen. Ich bin sehr froh, dass die KMK diesem Wunsch nicht folgt, ausdrücklich froh. Aber vor der Sorge der ukrainischen Bevölkerung oder auch der Regierung vor dem Exodus ihres Landes, mittel- und langfristig nach dem Krieg, vor dieser Sorge müssen wir doch in Demut stehen. Ich bitte einfach um Sensibilität an dieser Stelle.

(Zustimmung)

Ich glaube, es ist deshalb richtig   darin widerspreche ich niemandem von Ihnen  , auch die Möglichkeiten des digitalen Unterrichts mit ukrainischen Lernmaterialien weiter zu verfolgen.

(Zustimmung)

Wir werden das im Bildungsausschuss auch weiter begleiten und diskutieren. Aber lassen Sie doch insbesondere der Landesregierung Raum, sich in diesem schnelllebigen Prozess den Entwicklungen immer wieder anzupassen.

Ich möchte noch auf ein paar andere Aspekte eingehen. Ich gebe zu, an einigen Stellen war auch ich überrascht davon, in welcher Weise dieser Antrag als Grundlage genommen wurde, um über Themen, die damit im Zusammenhang stehen, zu sprechen. Ich möchte nicht über den Ausbau von Windrädern reden. Ich möchte auch nicht darüber reden, wer was wie wo hätte tun können. Denn auch an dieser Stelle tut uns, glaube ich, ein bisschen Demut gut. Niemand von uns hatte erwartet, dass Putin an dieser Stelle so agiert, wie er agiert.

(Zustimmung)

Auch die Bundesregierung konnte das in den letzten Jahren mit ihrer Energiepolitik nicht antizipieren. Wir sind jetzt in einer besonderen Situation. In dieser kommt es   neben der Grundüberzeugung, die auch meine Partei und meine Fraktion teilen, dass wir einen Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen, um uns von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen   jetzt doch darauf an, bestimmte Prozesse zu beschleunigen.

Ich fand den Redebeitrag der Kollegin Lüddemann an dieser Stelle sehr, sehr ehrlich, nämlich dass auch sie ein Problem damit hat, was die Bundesregierung aufgrund von Rahmenbedingungen, die wir nicht gesetzt haben, jetzt tut, wenn sie Verträge mit Katar schließt. Ich gebe zu, auch ich stand nicht nur staunend, sondern ablehnend davor. Aber auch hierbei tut uns allen, glaube ich, politische Demut gut. Wir sollten an verschiedenen Stellen darauf schauen, welche Entscheidungen zu welchem Zeitpunkt überhaupt anders hätten getroffen werden können und welche nicht. Ich glaube, so kommt man auch durch diese besondere Situation der großen Herausforderung.

Ich habe gerade ausgesprochen, dass ich dankbar bin für viele, viele Beiträge und für viele Aspekte, die hier angesprochen wurden. Bei einem Beitrag ist es, muss ich ganz ehrlich sagen, nicht Dankbarkeit, sondern wirklich unfassbarer Ärger, um nicht zu sagen: Wut. Herr Kollege Kirchner, das, was Sie getan haben, ist auch an diesem Pult die Verbreitung von AfD-Erzählungen.

(Zuruf: Oh!)

Jetzt ist die Innenministerin gerade nicht anwesend. Sie hat bei dem letzten Bericht über die aktuelle Situation der Geflüchteten ausgeführt, dass aktuell mehr als 98 % der Geflüchteten aus der Ukraine kommen, mehr als 98 %.

Übrigens sind auch Abgeordnete von Ihnen schon mit Videos unterwegs. Ich weiß, welches Narrativ Sie hier erzählen wollen, und wir wissen auch, was in den nächsten Wochen und Monaten auf uns zukommt. Wir haben all das in den Jahren 2015 und 2016 erlebt.

(Zurufe)

Ihre Masche wird nicht besser, wenn Sie sie in dieser brisanten Situation wiederholen.

(Zustimmung)

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es der Kollege Tillschneider war, der nach der Einschätzung zu den Kämpfen in der Ukraine gefragt hat. Darauf hat Kollege Striegel geantwortet, dem ist nichts hinzufügen. Aber zu unterstellen, dass auch die Regierung in der Ukraine   zumindest ist das bei mir so angekommen   von Nazis durchsetzt ist, das ist eine besondere Putin-Erzählung.

(Zustimmung)

Die Befreiung der Ukraine von Nazis und vom Faschismus ist eins zu eins das Putin-Narrativ. Wenn Sie auf Ihrem Twitter-Account begrüßen und fordern, dass die Ukraine einfach nur den Forderungen von Putin folgen muss, nämlich Neutralität, Freigabe der Ostukraine und Weggabe der Krim, dann stehen Sie hinter den Forderungen eines Kriegsverbrechers,

(Beifall)

eines Militaristen und des Führers eines Angriffskrieges. Klären Sie, übrigens in Ihrer Partei insgesamt, wo Sie in dieser Frage stehen; dann können wir tatsächlich in sinnvolle Diskussionen einsteigen. Aber an dieser Stelle habe ich, ehrlich gesagt     Hatte ich dafür Hoffnung? - Ich weiß es gar nicht. Aber die Hoffnung, dass Sie klar sagen können, wo Sie in dieser Frage stehen, ist wirklich vergeudet. Sie stehen auf der Seite des Aggressors und nicht auf der Seite einer unabhängigen Ukraine, die Sie seit vielen, vielen Jahren als Staat wahrscheinlich genauso schief im Blick haben. - Vielen Dank.

(Zustimmung - Zurufe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Machen wir an dieser Stelle erst einmal einen Cut. - Frau Dr. Pähle, es gibt eine Frage von Herrn Tillschneider. Wollen Sie diese beantworten?


Dr. Katja Pähle (SPD):

Ich höre sie mir erst einmal an.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Gut. - Herr Tillschneider, Sie haben die Chance, die Frage zu stellen.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich will klarstellen, dass ich gesagt habe, dass Teile des politischen Spektrums sozusagen dem Faschismus in der Ukraine zuzurechnen sind und auch an der Regierung beteiligte Kräfte.

(Zuruf: Das ist hier auch so! - Lachen)

Jetzt will ich Ihnen eine Frage stellen, eine einfache Frage: Wie schätzen Sie es ein, wenn der Botschafter der Ukraine in Deutschland das Grab von Bandera, dem Faschistenführer der ukrainischen Faschisten, in München besucht und dazu zustimmend ein Bild twittert? - Das ist in etwa so, als würde ein deutscher Außenminister das Grab von Rudolf Heß besuchen, als es das noch gab, und würde ein Bild davon veröffentlichen. Was würden Sie dann sagen?

(Unruhe - Zustimmung)


Dr. Katja Pähle (SPD):

Herr Kollege Tillschneider, man muss nicht mit allen Handlungen und allen Äußerungen

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Würden Sie es auch dann sagen? - Ja, klar! Mach ich mal!)

des ukrainischen Außenministers, des Diplomaten einverstanden sein.

(Hannes Loth, AfD: Wer das nicht kritisiert, macht sich damit gemein! Sie machen sich damit gemein! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Man kann und man darf das kritisieren. Aber die Unterstellung   und das haben Sie hier getan   ist falsch. Sie nährt die putinsche Erzählung, dass er die Ukraine von Faschisten befreien muss. Übrigens ein Befreiungsakt   in Anführungsstrichen  , dem z. B. leider auch   das konnten Sie alle lesen   ein Buchenwaldüberlebender zum Opfer gefallen ist. Ganz ehrlich: Gegenüber einem jüdischen Regierungschef solche Äußerungen zu treffen, wie es Putin getan hat, und das indirekt zu bestätigen   so habe ich Ihre Äußerungen empfunden  , ist tatsächlich starker Tobak.

(Beifall)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt gibt noch eine Intervention von Frau Frederking. Diese kann sie jetzt realisieren.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Frau Dr. Pähle, Sie haben gesagt, dass niemand diesen Krieg oder die Form der Aggression, die jetzt passiert ist, vorhersagen konnte oder vorhergesagt hat. Darin gebe ich Ihnen recht. Aber dass Putin gefährlich und ein Aggressor ist, das wissen wir nicht erst, seit der Krieg begonnen hat, das wissen wir schon sehr lange.

Meine Schlussfolgerung an dieser Stelle ist eine andere als Ihre. Sie sagen, wir brauchen politische Demut. - Ja, Demut ist auch richtig. Etwas, das wir aber darüber hinaus auch brauchen, ist, dass wir Probleme anerkennen. Jetzt möchte ich   weil Sie immer sagen: nicht in der Vergangenheit verlieren; hätte, hätte, hätte   tatsächlich ein Beispiel nennen. Mein Plädoyer ist, daraus für die Zukunft zu lernen, Probleme anzuerkennen.

(Zustimmung)

Ein Beispiel: Wir GRÜNEN sind nicht schlauer als andere, gar nicht.

(Lachen - Lang anhaltender Beifall)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt kriegen wir uns einmal wieder ein.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Was ich uns aber wirklich zugutehalte, ist, dass wir bereit sind, zu analysieren und Probleme anzuerkennen. Dieses Problem mit Herrn Putin haben wir erkannt und wir haben deshalb auch gesagt: Keine Geschäfte mit so einem Aggressor.

Und deshalb: Kein Nord Stream 2!

(Zustimmung - Unruhe)

Ich möchte einfach, dass wir das ableiten.

(Unruhe)

Ich möchte, dass wir alle daraus auch lernen: nicht nur Demut, sondern Probleme anzuerkennen,

(Zustimmung - Unruhe)

die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die Wahrheit schmerzt an der Stelle auch!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können reagieren.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Frau Frederking, ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar. Natürlich geht es auch um ein Daraus-Lernen und um das Einleiten anderer Schritte. Sie haben recht, man darf in diesem „Alles was wir mal getan haben, war richtig“ nicht verharren - das will ich auch nicht. Aber wenn Sie Nord Stream 2 ansprechen, dann halte ich aktuell fest, dass diese Leitung gar nicht ans Netz gegangen ist

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber doch nur, weil der Krieg kam!)

und wir aktuell trotzdem 55 % unserer Erdgaslieferungen aus Russland bekommen.

(Olaf Meister, GRÜNE: Auf wie viel wolltet ihr denn?)

Mit anderen Worten, die Leitungen gab es schon vorher.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Ja, bis Nord Stream 2!)

Ich bleibe dabei, dass Handel grundsätzlich der beste Weg zur Völkerverständigung ist.

(Zuruf)

Wer Handel miteinander treibt, schießt nicht aufeinander.

(Zustimmung)

Das muss das gemeinschaftliche Ziel sein.

Aber ich möchte noch einen Punkt aufgreifen. Wir müssen lernen und nach vorn schauen. Frau Frederking, das kann ich Ihnen jetzt leider nicht ersparen. Ich hoffe, dass wir uns, wenn wir, sowohl im Landtag und als auch auf der Bundesebene, über beschleunigte Planungsrechtsverfahren zum Ausbau insbesondere von erneuerbaren Energien im Bereich der Windenergie sprechen, an diese Diskussion erinnern,

(Olaf Meister, GRÜNE: An uns liegt das nicht!)

wenn es darum geht, tatsächlich Planungsverfahren zu beschleunigen

(Olaf Meister, GRÜNE: Für erneuerbare! - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

und zu verbessern, auch vor dem Hintergrund, dass mehr Menschen sich vielleicht nicht direkt beteiligen können und es großen Unmut geben wird, dass wir dann an dieser Stelle aus der Vergangenheit gelernt haben, dass der Ausbau, wie wir ihn bisher betrieben haben, möglicherweise zu langsam vorangeht,

(Olaf Meister, GRÜNE: Aber das ist unser Reden seit …)

um Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erreichen. - Vielen Dank.

(Zustimmung - Unruhe)