Jörg Bernstein (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Mehr Demokratie wagen, auch in der Schule!“ - wer könnte sich dieser Forderung entgegenstellen? Zu Recht macht die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf aufmerksam, dass unser demokratisch verfasstes Gemeinwesen der mündigen Bürgerinnen und Bürger bedarf, Bürgerinnen und Bürgern, die mit fundierten Argumenten über Lösungswege zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme diskutieren. Sie tun dies mit Achtung gegenüber dem Diskussionspartner, mit kritischer Selbstreflexion und Feedback-Kultur.

Jetzt geht meine Hoffnung nicht unbedingt so weit, dass ich Ihren Antrag hier quasi als Ergebnis eines Prozesses solcher Selbstreflexion betrachte.

Gerade mit Blick auf die letzte Bundestagsdebatte zur Impfpflicht erschien mir bei einzelnen aufstrebenden Nachwuchspolitikern Ihrer Partei doch ein wenig Handlungsbedarf in diese Richtung zu bestehen.

Kurz und gut, beim Ziel der Demokratiebildung besteht wohl weitgehend Einigkeit. Was uns unterscheidet, ist der Weg zur Erreichung dieses Ziels. Schauen wir uns die einzelnen Forderungen einmal im Detail an.

Zur Änderung des Schulgesetzes und Einführung einer Drittelparität in der Gesamtkonferenz. Wir sehen hierin den Versuch, die Qualität des Arguments durch einen neuen Proporz zu ersetzen. Sollte es aber nicht gerade das Ziel sein, sein Gegenüber mit guten Argumenten zu überzeugen, statt auf gesetzlich manifestierte Mehrheiten zu setzen? Ganz praktisch gesehen bestimmen in solchen Konstellationen Nicht-Pädagogen maßgeblich über das Schulgeschehen und im Regelfall über die eigene Verweildauer in der Schule hinaus.

Zur Frage der Mitwirkungsrechte. Die Frau Ministerin hat schon darauf hingewiesen: Diese sind im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt umfassend ausgestaltet. Nach meinen eigenen Erfahrungen gibt es in dem Bereich keinen Mangel, sondern es gilt, die gegebenen Möglichkeiten auch tatsächlich auszuschöpfen. Die geforderten Kompetenzerweiterungen bedürfen einer Erklärung in den folgenden Ausschussberatungen.

Gleiches gilt für den geforderten Ausbau von Freistellungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler zur Wahrnehmung freiwilligen gesellschaftlichen Engagements. In welchem Rahmen soll dafür eine Freistellung erfolgen?

Die Zusammenarbeit mit dem Landesschülerrat erachtet auch meine Fraktion als bedeutungsvoll. Gerade in der letzten Woche hatte ich dazu Gespräch mit dem Vorstand des Landesschülerrates. Die Probleme, die wir dabei diskutiert haben, waren nahezu deckungsgleich mit den Problemen, die wir regelmäßig im Bildungsausschuss besprechen. Regelmäßige gemeinsame Beratungen beider Gremien werden auch von uns Freien Demokraten befürwortet.

Die Forderung nach einer Implementierung von „Modellschulen für Partizipation und Demokratie“ habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Ganz ehrlich gesagt, ergab sich dabei für mich das größte Fragezeichen. In den Modellschulen in Rheinland-Pfalz sollen die Schülerinnen und Schüler über Lerninhalte und Methoden mitentscheiden. Die Frage wäre für mich: Wie darf man sich das vorstellen? Wird dann die didaktische Jahresplanung in der Gesamtkonferenz per Konferenzbeschluss abgesegnet?

Was ich auch nicht recht nachvollziehen kann, ist der Zusammenhang zwischen den Modellschulen einerseits und andererseits Ihrem selbst gesteckten Ziel, dass Schülerinnen und Schüler lernen sollen, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen und dabei Selbstverwirklichung und Anerkennung zu erfahren. Warum soll dieses Ziel in dieser Lernumgebung besonders gelingen? Das ist meine Frage. Man unterstellt doch quasi, dass nur selbst gewählte Lerninhalte zu intrinsischer Lernmotivation führen. Ich bin nun wirklich der letzte, der jeden Lehrplaninhalt allein des Inhalts wegen verteidigt, aber ein klein wenig Vertrauen sollten wir unseren Lehrerinnen und Lehrern doch schon entgegenbringen, wenn es um die Akzentuierung von Unterrichtsinhalten und die Methodenwahl geht. Gerade bei letzterem kann eine wertschätzende Feedback-Kultur der Schülerinnen und Schüler tatsächlich helfen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen.

Ich freue mich tatsächlich auf interessante Diskussionen im Bildungsausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Bernstein. Es gibt eine Frage von Frau Lüddemann. - Bitte, Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Danke, Frau Präsidentin. - Kollege Bernstein, Sie sprachen davon, wir als antragstellende Fraktion würden die Qualität des Arguments durch neuen Proporz ersetzen wollen. Das habe ich mir extra aufgeschriebenen. Aber ist es nicht so, dass dann, wenn nicht nur zwei Parteien, wie es jetzt der Fall ist, sondern drei Parteien   Drittelparität   miteinander ringen, die Kraft des Argumentes schlagkräftiger werden muss, um sich durchzusetzen? Das wäre also genau das Gegenteil von dem, was Sie uns jetzt hier unterstellt haben.


Jörg Bernstein (FDP):

Erst einmal war es keine Unterstellung, sondern einfach nur eine Feststellung von mir. Das war eine Meinungsäußerung. Ich zweifle ganz einfach an, dass es in der Gesamtkonferenz tatsächlich drei Blöcke gibt. Ich sehe eher, dass die Eltern- und die Schülervertretung auf einer Seite stehen. Das ist einfach meine Meinung. Das ist auch die Begründung dafür, dass ich nicht unbedingt davon überzeugt bin, dass so die Meinungsbildung eine bessere wird. Denn ich kann mir z. B. auch nicht anhand meiner schulischen Praxis vorstellen, dass man, wenn Schülerinnen und Schüler oder auch Elternvertreter mit guten Argumenten kamen, diese nicht übernommen hat. Allein an der Zusammensetzung der Konferenz festzumachen, dass dort Interessen von Schülerinnen und Schülern missachtet werden, kann ich nicht nachvollziehen.