Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als Landtag von Sachsen-Anhalt stehen hinter der Ukraine, hinter den Männern und Frauen in einem Land, das den Krieg mit Russland weder gesucht noch provoziert hat. Es ist ein Land, das sich tapfer gegen eine Übermacht verteidigt, das seine Heimat verteidigt.

Lassen Sie mich sagen, dass mich und uns alle Situation tagtäglich bewegt. Ich gebe zu, auch aufgrund meiner Sozialisierung habe ich nie gedacht, dass eine solche Situation eintreten würde, dass es tatsächlich zu einem solchen Angriffskrieg von Russland kommt. Wenn ich mit den Menschen in diesem Land und in Ostdeutschland insgesamt rede, sagen mir unisono alle, sie hätten das nie erwartet. Das ist etwas, bei dem auch die eigene Gewissheit ein Stück weit ins Wanken gerät, bei dem man sich auch ein Stück weit neu orientieren und neu sortieren muss.

Es ist schlimm, dass man so etwas vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte unseres Landes überhaupt erleben muss. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass wir in einer Verpflichtung gegenüber allen Ukrainern und Ukrainerinnen stehen, aber auch gegenüber den Russinnen und Russen, die in unserem Land leben, die Freiheit wollen, die Mitmenschlichkeit wollen, die sich verstehen.

In dem Maße - das wurde schon von einigen gesagt -, wie wir Ukrainer und die Menschen, die hierherkommen, unterstützen, so ist es unsere Verpflichtung, von diesen Landtag aus ein Signal zu setzen, das lautet: Die Russinnen und Russen, die sich auch gegen dieses Prinzip des Angriffskriegs, Putins Krieg richten, sind hier willkommen und werden hier auch willkommen bleiben, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)

Ich möchte hier nicht erleben, was in Italien passiert, dass Dostojewski auf den Index kommt. Ich möchte weiterhin Tolstoi, Tschechow und Dostojewski lesen. Ich möchte, dass die russische Kultur ein Stück weit auch unsere Kultur bleibt und ist. Wenn wir das nicht verstehen, wenn wir uns davon abkehren, dann gute Nacht, meine Damen und Herren.

Ich sage Ihnen ganz klar: Für mich hat sich mit diesem Angriffskrieg tatsächlich auch ein Stück weit das Leben verändert. Für uns alle haben sich das Leben, unsere Sichtweisen und unsere Weltansicht verändert. Es macht uns auf eine Art und Weise betroffen, wie wir es vielleicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht erleben mussten. Ich gebe auch gerne zu, dass ich das von einem Herrn Putin nie gedacht hätte. Er ist - das muss man klar sagen - ein Kriegsverbrecher; dazu bedarf es keines Urteils.

(Zustimmung)

Das ist offenkundig. Ich sage das auch offen und ehrlich: Wer die Geschichte bemüht, um einen Angriffskrieg zu rechtfertigen, der hat Geschichte offensichtlich nicht verstanden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)

Da wir in Europa leben und 400 Jahre mit Krieg und Frieden und mit sich verändernden Grenzen zu tun haben - wir wissen in Deutschland sehr gut, wie Grenzen aussehen und ausgesehen haben -, müssen wir verstehen, Dinge und Grenzen zu akzeptieren. Wer die Geschichte bemüht, um das anders darzustellen oder etwas zu rechtfertigen, der hat die Dinge nicht verstanden. Dem können wir nur sagen: So nicht, so stehen wir nicht da, so sieht es der Landtag von Sachsen-Anhalt nicht und so sieht es auch Deutschland nicht. Wir haben eine geschichtliche Verantwortung, dieser stellen wir uns und dieser sind wir uns auch bewusst.

Deshalb sage ich ganz klar in Richtung der AfD: Eine Relativierung der Hilfe und der Solidarität für die Ukraine ist ein Schlag ins Gesicht der Ukrainerinnen und Ukrainer, die hier ins Land kommen, meine Damen und Herren.

(Zuruf: Macht ja aber niemand!)

- Doch, Sie relativieren das, und das ist etwas, was ich zutiefst verwerflich finde.

Genauso schwierig finde ich es aber auch, eine Friedensdiskussion vor dem Hintergrund von Windrädern zu führen.

(Zustimmung)

Ehrlich gesagt: Wenn ich mir vorstelle, das Mütter mit Kindern vielleicht zitternd in den Unterkünften sitzen und sich anhören müssen, dass ein Windrad Frieden sichert, dann ist das in der unmittelbaren Situation eine Unerträglichkeit.

(Zustimmung)

Was wir brauchen, sind weniger Lippenbekenntnisse, sondern einen strukturierten Fahrplan für die nächsten Monate. Während wir uns innerhalb der Coronapandemie in einem ständigen Grauschleier von zu harten und zu schwachen Maßnahmen bewegten und von der Flüchtlingswelle 2015 komplett überrascht wurden, benötigen die Menschen jetzt eine klare Perspektive, meine Damen und Herren.

Es liegt in unserem Interesse, hierfür die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf allen Ebenen den Schutzsuchenden die benötigte Unterstützung zukommen zu lassen.

Aktuell befinden sich bis zu zehn Millionen Menschen aus der Ukraine auf der Flucht, ein Viertel der Bevölkerung des Landes. In den nächsten Wochen und Monaten werden sich weitere Menschen auf den Weg machen, wenn sie es dann noch können. Während immer mehr Menschen nach Berlin kommen, müssen auch wir in Sachsen-Anhalt Vorkehrungen treffen und eine schnelle Aufnahme und einen weiteren Aufbau von Unterbringungsmöglichkeiten sicherstellen.

Unser Dank gilt den vielen Freiwilligen, die sich in den letzten Tagen bereit erklärt haben zu helfen, zu unterstützen oder die direkt jemanden aufgenommen haben. Hier hat sich gezeigt: Die Menschen in Sachsen-Anhalt zeigen und leben Solidarität, jeder vor seiner eigenen Haustür, meine Damen und Herren.

(Zuruf: Und Sie? Sie persönlich, was haben Sie gemacht?)

- Ich persönlich auch.

(Zuruf: Sehr gut!)

Diese Welle der Solidarität ist einfach großartig und macht Mut, Mut für all das, was in den nächsten Wochen noch vor uns liegt. Unsere Aufgabe wird es sein, schnellstmöglich weitere Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und den Kommunen die dafür notwendige Rückendeckung zu geben.

Darüber hinaus müssen wir die Integration der Geflüchteten in unsere Gesellschaft sicherstellen. Dies funktioniert zum einen durch einen Ausbau des Sprachangebots für die Ankommenden und zum anderen aber auch durch die Aufnahme der Kinder und Jugendlichen in unser Bildungssystem, sowohl im Bereich der Schulbildung als auch der akademischen Bildung. Diejenigen, die ihr Studium in der Ukraine abbrechen mussten, müssen wieder in die Lage versetzt werden, einen Abschluss zu erreichen.

Auch für die jungen Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Invasion in einer Ausbildung befunden haben, werden wir Möglichkeiten finden, einen Abschluss und eine gleichwertige Ausbildung bei uns zu finden, damit sie die Chance haben, auch bei uns ihren Weg weiterhin selbstbestimmt zu gehen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf das Thema Cybersicherheit zu sprechen kommen. In den letzten Monaten sahen wir uns vermehrt mit Datenangriffen und Cyberattacken konfrontiert, bspw. im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Viele von uns haben in diesen Tagen die Warnung bekommen, dass das Antivirenprogramm Kaspersky nicht mehr den Sicherheitsanforderungen entspricht. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie stuft die Sicherheitslage als geschäftskritisch ein. Es ist zudem mit einer massiven Beeinträchtigung des Regelbetriebs zu rechnen.

Um dieser Verwundbarkeit unserer wesentlichen Infrastruktur entgegenzuwirken, fordern wir die Landesregierung auf, die Zusammenarbeit mit dem BSI auszubauen. Das Land Sachsen-Anhalt muss für diese Art der Bedrohung endlich gewappnet sein, um die notwendige Sicherheit für Bürger und Unternehmen zu gewährleisten.

Meine lieben Damen und Herren! Durch diesen Krieg wurden bereits viele Leben zerstört und Existenzgrundlagen genommen. Mit diesem Antrag können wir nicht bereits zugefügtes Leid rückgängig machen, doch wir haben die Chance, weiteres Leid in unserem Land zu vermindern. Das, was diese Menschen, die jetzt zu uns kommen, durchgemacht haben, war nicht nur schwer, sondern es war grausam und es ist grausam. Stimmen wir gemeinsam für diesen Antrag und zeigen wir den Ukrainerinnen und Ukrainern, dass sie hier in Sicherheit und willkommen sind. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Silbersack, es gibt eine Frage von Herrn Striegel. Wollen Sie sie beantworten?


Andreas Silbersack (FDP):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann los, Herr Striegel.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Herr Silbersack, ich habe eine ganz kurze Frage. Sie haben dankenswerterweise das Thema Cybersicherheit noch mit aufgeworfen, ein zentrales Thema. Wie steht Ihre Fraktion und wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu der Frage des Aufbaus eines Cyberhilfswerks? Ist das etwas, das Sie unterstützen würden, das Sie für sinnvoll erachten, oder nicht?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Andreas Silbersack (FDP):

Grundsätzlich unterstützen wir alles, was die Cybersicherheit stärkt, was uns diesbezüglich stärkt. Insofern unterstützen wir auch eine solche Institution.

(Zustimmung)