Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Thema ist in diesen Tagen tatsächlich wenig vergnüglich. Wer sich zur Zapfsäule bewegt, der bekommt Bauch- und Herzschmerzen, keine Frage, dasselbe natürlich bei den Heizkosten.

(Zuruf)

Das ist etwas, bei dem wir gemeinsam mit der Politik des Landes und des Bundes gefragt sind. Deshalb müssen wir gemeinsam Ideen entwickeln, wie wir diese Probleme lösen.

(Zustimmung)

Wir leben in einer Sozialen Marktwirtschaft. Der Begriff „sozial“ bedeutet, dass die Menschen mitgenommen werden. Dies vergisst die AfD offensichtlich, indem sie versucht, mit der Not der Menschen zu spielen und dann für ihre Interessen zu werben. Das ist unredlich, meine Damen und Herren.

Genauso unredlich ist es, wenn DIE LINKE ihrerseits mit ideologischen Stereotypen der 70er- und 80er-Jahre versucht, irgendwie Kapital aus der jetzigen Energiesituation zu schlagen. Das geht genauso wenig, meine Damen und Herren.

Zur Sache: Der AfD-Antrag bringt es fertig, mehr Informationsgehalt in der Überschrift zu haben als in dem eigentlichen Antragstext.

(Lachen und Zustimmung)

Die Hälfte davon ist auch noch obsolet.

Die Ampelkoalition hat sich bekanntlich bereits auf ein Vorziehen der Streichung der EEG-Umlage verständigt - womöglich bereits im Sommer, ab 1. Juli dieses Jahres -, bevor dieser Antrag geschrieben wurde. Einer Aufforderung an die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, bedarf es also nicht.

Die Bepreisung von CO2 ist nach der Auffassung der Freien Demokraten ein entscheidendes Instrument, um Kräfte der Marktwirtschaft für den kosteneffizienten und damit sozialsten Weg zur Klimaneutralität zu nutzen.

Wir hätten freilich der Ausweitung des funktionierenden Emissionshandels mit Preisen, die sich am Markt bilden, klar den Vorzug vor staatlich bestimmten Preisen gegeben.

(Zustimmung)

Dass sowohl die AfD als auch DIE LINKE von der CO2-Steuer sprechen, ist insofern zutreffend. Eine schlichte Abschaffung würde den klimapolitischen Verpflichtungen der Bundesrepublik zuwiderlaufen. Besser wäre es, diese Lenkungswirkung mit einem sozialen Ausgleich - soziale Marktwirtschaft! - zu kombinieren.

Dass wir als Freie Demokraten für eine Rückzahlung an alle Bürger in Form einer Klimadividende geworben haben, ist kein Geheimnis. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam mit den Koalitionspartnern möglichst bald etwas in diese Richtung hinbekommen, meine Damen und Herren.

Die LINKEN schlagen in ihrem Antrag ein wildes Sammelsurium an Maßnahmen mit vermeintlichem Potenzial für günstigere Energiepreise vor. Ein großer Teil davon ist wortwörtlich Ihren Bundeswahlprogrammen 2017 und 2021 entnommen. Der erste Teil befasst sich im Wesentlichen mit sozialpolitischen Maßnahmen. Dies wurde schon gesagt. Das ist die Thematik der Umlage der CO2-Steuer auf den Vermieter.

Diese Idee erinnert mich sehr an meine Zeit in der DDR, als ich durch die Straßenzüge gelaufen bin und vor verfallenen Häusern stand, und zwar deshalb, weil niemand ein Interesse hatte, diese Häuser zu kaufen, weil sie sich nämlich nicht gerechnet haben. Deshalb, meine Damen und Herren, können wir uns nicht etwas leisten, bei dem die Vermieter am Ende des Tages allein die Zeche zahlen und es sich betriebswirtschaftlich für sie nicht mehr lohnt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)

Selbstverständlich werden die Vermieter schauen, dass sie die Kosten entsprechend umlegen. Alles andere ist eine DDR-Formel, die zum Glück überholt ist. Heute ist dies vielleicht noch in Venezuela zu finden. Aber das sollten wir uns nicht als Vorbild nehmen.

(Zustimmung)

Wir brauchen stattdessen eine echte Entlastung der arbeitenden Bevölkerung. Deshalb freue ich mich, dass der Bundesfinanzminister im Koalitionsausschuss auch eine höhere Pendlerpauschale erreicht hat, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)

Dass die LINKEN die Kommunalisierung der Strom- und Gasnetze mit der Dämpfung der Energiepreise in Zusammenhang bringen, sollte nicht zuletzt die kommunalen Unternehmen mit Sorge erfüllen. Immerhin werden die Netzentgelte bereits mit Erlösobergrenzen stark reguliert. Die Netzbetreiber einschließlich der kommunalen Unternehmen sind alles andere als zufrieden mit deren Höhe. Die Begeisterung, zusätzliche Netzinfrastruktur mit der Aussicht auf niedrige Einnahmen zu erwerben, dürfte sich insofern in Grenzen halten.

(Zustimmung)

Unter dem nächsten Punkt fordern Sie mehr Wettbewerb für Strom-, Gas- und Mineralölkonzerne. Das ist durchaus ein bemerkenswerter Punkt. Gerade erst hat das Bundeskartellamt seinen Marktmachtbericht zur Stromerzeugung 2021 vorgestellt. Nach der Aussage des Präsidenten liegt RWE über der Schwelle für eine marktbeherrschende Stellung. Es wird erwartet, dass der fortschreitende Kohle- und Atomausstieg diese Marktstellung tendenziell weiter verstärken wird.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Silbersack, Ihre Redezeit ist zu Ende. Aber Sie können gleich weitermachen. Erstens gibt es eine Intervention und zweitens eine Frage. Dann können Sie den Rest noch mit unterbringen. - Herr Dr. Moldenhauer.

(Unruhe)


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

Vielen Dank. - Zu zwei Punkten Ihrer Rede muss ich Stellung nehmen. Zum einen haben Sie behauptet, die Hälfte unseres Antrags sei obsolet. Ich nehme an, dass es Ihnen dabei um die Abschaffung der EEG-Umlage geht. Die haben Sie ja noch gar nicht abgeschafft. Sie haben lediglich etwas angekündigt. Ich glaube das erst, wenn es so weit ist. Insofern ist der Antrag nicht zur Hälfte obsolet.

Zum anderen haben Sie angedeutet oder behauptet, wir würden mit der Not der von Energiearmut betroffenen Menschen spielen oder diese ausnutzen, so haben Sie es, glaube ich, gesagt. Das ist völlig falsch. Wir nutzen nichts aus, sondern wir weisen auf die Not dieser Menschen hin. Das ist ein Unterschied. Wir sind der Anwalt der von Energiearmut betroffenen Bürger. So wird ein Schuh daraus.

(Beifall - Zuruf)


Andreas Silbersack (FDP):

Ihre erste Bemerkung erinnert mich an einen Winkeladvokaten,

(Unruhe)

der versucht, einen relativ klaren Sachverhalt irgendwie um die Ecke zu bringen.

(Zuruf)

Ich kann Ihnen nur sagen: Der 1. Juli steht. Alles andere ist unrelevant.

(Zuruf)

Zu dem zweiten Thema: Sie würden dann nicht mit der Not der Menschen spielen, wenn Sie konkrete Vorschläge machen würden. Aber genau das finden wir bei Ihnen ja eben nicht, meine Damen und Herren.

(Zurufe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Jetzt kommt eine Frage von Herrn Gallert. Dann können Sie den Rest mit einbringen.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Silbersack, es wird jetzt nicht überraschen, dass wir an einer Stelle unterschiedlicher Meinung sind. Ich gebe Ihnen jetzt einmal die Gelegenheit, mich von der marktwirtschaftlichen Position zu überzeugen. Es geht speziell um die Situation der kommunalen Energieversorger, die Sie angesprochen haben.

Ich habe mir jahrelang anhören dürfen, dass es extrem wichtig ist, dass die Leute, um die eigene Stromrechnung zu senken, endlich einmal flexibel sein und nicht immer bei ihren Stadtwerken hängen bleiben, sondern sich doch gefälligst in den entsprechenden Portalen den billigsten Anbieter aussuchen sollen.

(Unruhe)

Das fand ich ein ganz typisches marktwirtschaftliches Argument. Das hätte von jedem FDP-Vertreter so kommen können.

(Unruhe)

Jetzt haben wir auf einmal die Situation, dass wir inzwischen eine Reihe von genau diesen Billiganbietern krachen gehen sehen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, das Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten. Jetzt haben wir die Situation, dass es wieder die Stadtwerke sind, die die Energieversorgung für diese Leute sichern müssen und die jetzt das Problem haben, zusätzliche Kontingente für extrem hohe Preise zu kaufen.

Sagen Sie mir doch einmal:

Erstens. War es möglicherweise ein Fehler, den Strommarkt in dieser Art und Weise zu liberalisieren?

Zweitens. Wie wollen Sie denn jetzt den kommunalen Versorgern, den Stadtwerken, Unterstützung angedeihen lassen, damit sie mit dieser Situation fertig werden?


Andreas Silbersack (FDP):

Was den ersten Punkt betrifft, so ist es natürlich richtig, dass die Liberalisierung stattfand, weil sie dem Einzelnen die Möglichkeit gibt, stärker vom Markt zu profitieren. Das ist doch selbstverständlich.

Zu der Frage der Kommunalbetriebe habe ich gerade etwas ausgeführt. Ich habe gesagt: Wir können sie nicht noch mehr schröpfen, sondern wir müssen ihnen Freiheit zum Handeln geben. Das ist deren Aufgabe.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja, bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Wie wollen Sie denen denn Freiheit zum Handeln geben, wenn Sie sie vorher durch die Liberalisierung des Marktes extrem unter einen Preisdruck gesetzt haben? Jetzt, in dem Augenblick, in dem die Billiganbieter krachen gehen, sollen sie den Versorgungsauftrag wieder erfüllen. Wie unterstützen Sie die denn dann?


Andreas Silbersack (FDP):

Ich kann Ihnen sagen, Herr Gallert, dass z. B. die Stadtwerke Halle - da weiß ich es relativ genau - sehr dankbar für den liberalisierten Markt sind, weil sie sich auf diesem Markt beweisen können. Die anderen Stadtwerke können das genauso und machen es auch.
(Unruhe)