Tobias Rausch (AfD):

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! „Frieden in Europa sichern - deutsche Interessen wahren“ - das ist der Titel unseres Antrags, der vor zwölf Tagen im Sitzungsdienst des Landtags eingegangen ist. Ja, vor zwölf Tagen konnte man nach den vielen Gesprächen durch den französischen Präsidenten Macron oder dem Treffen des Bundeskanzlers Olaf Scholz nicht mit einer Kriegshandlung in der Ukraine rechnen.

Der französische Präsident machte nach dem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Hoffnung, dass erstens die entschlossene und methodische Umsetzung der Minsker Vereinbarung wieder neu aufgenommen werden soll und zweitens ein umfassender und innovativer Dialog der neuen Garantien und einer gemeinsamen Basis gestartet werden soll. Dieses Statement machte wirklich Hoffnung, aber nun haben wir heute die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zur Lage in der Ukraine.

Heute haben wir die Gewissheit, dass sich die russische Föderation in Kampfhandlungen mit der Ukraine befindet. Diese Kriegshandlungen in der Ukraine müssen sofort beendet werden. Wir müssen die uns zur Verfügung stehenden Mittel und Maßnahmen ergreifen, um eine weitere Eskalation in der Ukraine zu verhindern. Die drohende humanitäre Katastrophe und die andauernden Kriegshandlungen müssen verhindert und aufgehalten werden. Hierfür müssen alle politischen und diplomatischen Mittel ausgeschöpft werden.

Ich sage es ganz klar: Wir als AfD-Fraktion verurteilen den Angriff Russlands auf einen souveränen Staat in Europa. Wir wollen in Frieden und Freiheit mit allen Völkern in Europa leben, meine Damen und Herren.

Aber die Frage ist doch: Was ist in den letzten zwölf Tagen passiert? - Richtig, alle Seiten riefen dazu auf, den Konflikt friedlich zu klären. Aber auf die Forderungen Russlands, die berechtigterweise auf ihre erheblichen Sicherheitsbedenken hinwiesen, wie selbst die OSZE schon mal feststellte, wurde in keiner Weise eingegangen.

Die aktuelle außenpolitische Situation in Europa bereitet den Bürgern und Unternehmen zunehmend Sorge. Die Sicherheitslage ist zunehmend angespannt. Seit dem Ende des Kalten Krieges standen sich in Europa nicht mehr so viele Militärblöcke gegenüber. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Auf der einen Seite will die NATO die Osterweiterung weiter vorantreiben und die Europäische Union die Ukraine als Beitrittsland gewinnen,

(Zurufe)

auf der anderen Seite sieht sich die russische Föderation massiv in ihren Sicherheitsinteressen gefährdet, da eine Aufnahme der Ukraine in die NATO für Russland ein Sicherheitsrisiko darstellt. Ja, Egon Bahr hat das 1999 schon festgestellt, und er war kein AfD-Politiker.

Der NATO-Beitritt 2008 auf Drängen des US-Präsidenten Bush konnte damals nur durch das Veto von Frankreich und Deutschland verhindert werden. Angela Merkel und Sarkozy waren es, die das damals verhindert haben. Das ist im Jahr 2008 nicht eskaliert. Jeder kann sich erinnern, was im Georgien-Krieg passiert ist.

(Zurufe)

Hier muss man die Frage stellen: Hat die NATO zu vorschnell auf die Sicherheitsbedenken der russischen Föderation reagiert, meine Damen und Herren? - Meiner Meinung nach schon.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Rausch, es gibt eine Zwischenfrage.


Tobias Rausch (AfD):

Nein, jetzt nicht. Nachher.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Okay.


Tobias Rausch (AfD):

Mit Blick auf die NATO-Osterweiterung, die seit 1991 bisher fünfmal fortgesetzt wurde, rückte ein Militärblock bis an die Haustür Russlands heran, obwohl man damals wohl zusicherte, man werde die NATO nicht weiter nach Osten ausdehnen. Dieses gebrochene Versprechen ist es, das Russland erzürnt.

Nun kann man auf der einen Seite sagen   das ist das, was Sie gerade dazwischen gesagt haben  , dass es die legitimen Interessen der Beitrittsstaaten sind, die im Zuge der Selbstbestimmung frei entscheiden können und auch sollten, welchem Bündnis sie beitreten oder auch nicht. Das will ich hier mal ganz klar feststellen, weil schon wieder dazwischen gebrüllt wurde, ohne das abzuwarten.

Aber auf der anderen Seite muss auch die ehrliche Frage erlaubt werden: Wie hätten sich die Amerikaner verhalten, wenn auf einmal ein Militärblock aus Russland und China Stützpunkte in Kuba und Mexiko errichten würden? Haben Sie sich die Frage schon mal gestellt?

(Zuruf: Ja!)

Der Westen muss sich jedoch die Frage gefallen lassen, ob er zu lange die Sicherheitsbedenken der russischen Föderation im Zuge der NATO-Osterweiterung nicht ernstgenommen hat. Dies rechtfertigt auf keinen Fall den Angriff auf die Ukraine, meine Damen und Herren, das will ich auch dazu sagen.

(Zurufe)

Aber man muss das auch einmal hinterfragen. Sie machen es sich zu einfach. Für Sie gibt es nur schwarz und weiß.

(Beifall - Zurufe)

Eine einseitige Schuldzuweisung in der Debatte führt zu nichts. Für mich bleibt festzustellen,

(Lachen und Zurufe)

dass die Ukraine nun zum Spielball zweier Großmächte geworden ist, nämlich    

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist doch wirklich ein Witz! - Weitere Zurufe)

- Ja, das können Sie so sehen.

(Zurufe)

Die Leidtragenden sind in diesem Fall die ukrainische Bevölkerung. Aber hätten Sie im Geschichtsunterricht ein bisschen aufgepasst, Herr Striegel, würden Sie die Hintergründe in der Ukraine verstehen. Deshalb hier ein paar Geschichtszahlen: Die Anfänge im 8. Jahrhundert machte die Kiewer Rus, im 11. Jahrhundert war die Blütezeit,

(Zurufe)

im 17. Jahrhundert war die Ukraine unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt. Der Ministerpräsident hat es selber gesagt, Polen und Litauen haben damals einen starken Einfluss auf den Westen der Ukraine gehabt, wie das russische Zarenreich einen starken Einfluss auf den Osten der Ukraine hatte. Deshalb, wenn man weiter sieht: 1922 wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik der UdSSR angegliedert,

(Unruhe)

1945 wurde die Ukraine mit Teilen von Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei erweitert. Das heißt, da ist das Staatsgebiet auch größer geworden. 1954 gliederte Chruschtschow die Krim an die Ukraine an, und nun war 1991 der Verfall der UdSSR, und die Ukraine verblieb in dem Grenzgebiet, wie wir es kennen.

(Unruhe)

2004 war es nun so, dass zum ersten Mal in der Ukraine ein proeuropäischer Präsident gewählt wurde. Es sind mehrere Abkommen mit der EU geschlossen worden, 2009 usw. Dann gab es 2010 die Wahl des ukrainischen Präsidenten, bei der Janukowytsch gewählt wurde, der sich 2013 weigerte, ein Assoziierungsabkommen abzuschließen, und 2014 endete das in den Maidan-Protesten. Wie die geendet haben, wissen wir alle. Der Präsident ist geflüchtet, es kam zu Neuwahlen, und die Krim, wo 58 % der Menschen Russen sind, wurde von Russland völkerrechtswidrig annektiert; das ist so. Das ist festzustellen.

(Zurufe)

- Ja, das ist so. Sie ist annektiert worden. Aber was haben wir denn gelernt? Die Sanktionen des Wesens haben doch nichts gebracht. Was war die Reaktion auf die Sanktionen?

(Zurufe)

In den Teilen Luhansk und Donezk haben Separatisten die Vorherrschaft übernommen, und es war Krieg in der Ostukraine. Dann gab es die Minsker Vereinbarung, wo Russland, die Ukraine, Frankreich und Deutschland maßgeblich daran beteiligt waren, dass die Kriegshandlungen wieder eingestellt worden sind. Es ist sich auf Pufferzonen verständigt worden, und damals war auch der Bundespräsident Steinmeier von der SPD maßgeblich daran beteiligt. Das halte ich ihm jetzt zugute. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Zurufe)

Man muss betrachten, wie das alles gekommen ist. Aber was ist in der Zwischenzeit von 2015 bis jetzt passiert? Das Minsker Abkommen wurde nicht eingehalten. Der NATO-Beitritt der Ukraine wurde weiter forciert, und nun ist es so: Durch die Kampfhandlungen hat der Westen zu zahlreichen Sanktionen aufgerufen, die man durchaus diskutieren kann. Das sage ich ohne Zweifel.

Dass wir nun durch den Stopp von Nord Stream 2 die Zeche zahlen sollen, finde ich indes nicht richtig; denn das führt zu einer Entfremdung der Völker.

(Zurufe)

Wenn sie sich gegenseitig sanktionieren, wird es immer schwerer, vor allem, wenn sie so harte Maßnahmen machen, weiter mit den Völkern zu sprechen. Das haben wir doch seit 2014 erlebt. Das Problem ist doch folgendes:

(Zurufe)

- Das sage ich Ihnen gleich. Die zehn Minuten sind halt ein bisschen kurz. - Die Sanktionen führen nur zur Entfremdung der Völker,

(Zurufe)

und die einzigen Profiteure dieser Sanktionen waren in der Vergangenheit die US-Amerikaner und die Chinesen, und darauf läuft es wieder hinaus, dass sich genau diese zwei Großmächte weiter etablieren. - So sieht’s aus.

(Beifall - Zurufe)

Ich danke dem Ministerpräsidenten trotzdem, der in seiner Rede völlig zu Recht auf die historischen Verbindungen zu beiden Völkern hinwies. Ich sage es ganz ehrlich zu Ihnen, weil Sie „Krieg“ gesagt haben: Ich bin pazifistisch veranlagt. Ich will gar keinen Krieg führen. Von mir aus ist es so: Der Grundsatz von Otto von Bismarck zählt: Wenn Völker miteinander Handel treiben, ist es schwieriger, Krieg gegeneinander zu führen. Deshalb müssen wir miteinander gehen und nicht gegeneinander.

(Beifall - Zurufe)

Jetzt, Herr Heuer, zu Ihnen: Jedoch ist der vorliegende Antrag wenig diplomatisch wertvoll, da er sich auf innere Angelegenheiten souveräner Staaten bezieht.

(Lachen - Zuruf: Unglaublich! - Weitere Zurufe)

- Ja. - Die Grundlage - und das will ich Ihnen auch mal sagen - für die Sicherung des Friedens in Europa ist nicht gegeben, sondern sie ist nur mit der russischen Föderation in partnerschaftlichem Zusammenhalt möglich. Wer das nicht versteht und nicht darauf eingehen will, der verschließt die Augen vor der Realität. So sieht es leider aus. - Vielen Dank.

(Beifall - Zurufe)

- Ihr könnt doch eine Frage stellen! Ist doch kein Problem.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Wir beruhigen uns wieder. Es gibt mehrere Nachfragen.


Tobias Rausch (AfD):

Jawohl, vielen Dank.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Wenn Sie die beantworten möchten.


Tobias Rausch (AfD):

Ja, bitte.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Als Erster Herr Striegel, bitte. - Telefonieren hier bitte nicht. Wir wollten darauf achten, dass wir in Zukunft ein bisschen     Nein alles gut. Ich habe die Kneifzange zu Hause gelassen.

(Lachen)


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Herr Büttner, ich wollte Ihnen eigentlich eine Frage stellen, aber im Verlauf Ihrer Rede ist ausreichend klargeworden, dass Sie als außenpolitischer Aktivposten für Herrn Putin hier aktiv waren. Insofern spare ich mir die Frage.

(Zurufe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Okay.


Tobias Rausch (AfD):

Herr Präsident, ich möchte auf die Einlassung antworten.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Sie können, ja.


Tobias Rausch (AfD):

Herr Striegel, Sie haben durch diese Äußerung einfach nur wieder gezeigt, wessen Geistes Kind Sie sind. Es ist beschämend, was Sie hier von sich geben und die Situation nicht erkennen. Aber wissen Sie, ich sehe es Ihnen nach, wenn Sie von außenpolitischem Gespür sprechen. Die GRÜNEN und die Außenministerin Baerbock besitzen keines. Sie können nicht einmal gerade Sätze aussprechen.

(Beifall)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Hövelmann, bitte.

(Zuruf)


Tobias Rausch (AfD):

Ich kann Ihnen mal Sequenzen von Frau Baerbock zuschicken; sehr interessant.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Sie sind jetzt nicht dran, sondern Herr Hövelmann.

(Zurufe)


Tobias Rausch (AfD):

Die schicke ich Ihnen gern per WhatsApp, das ist kein Problem.


Holger Hövelmann (SPD):

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. - Kollege Rausch, ich hätte nicht gedacht, dass wir uns in dieser Legislaturperiode oder überhaupt in dieser Zeit im Parlament über kriegerische Auseinandersetzungen mitten in Europa unterhalten müssen. Insofern will ich uns alle an die Ernsthaftigkeit der Debatte erinnern.

(Beifall)

Ich habe nach Ihrem Redebeitrag folgende Frage: Sie haben sehr intensiv historische Bezüge, Grenzen, Jahrzehnte, Jahrhunderte bemüht, um zu beschreiben, was gerade zwischen Russland und der Ukraine passiert. Ist Ihnen die Charta der Vereinten Nationen bekannt, in der die Grenzen von heute   ich betone: von heute   die Grundlage der internationalen Beziehungen von Völkern und Staaten sind? Und ich frage ganz direkt in Kenntnis Ihres Redebeitrages: Welche Grenzen zu welcher Zeit sind für Sie und für die AfD Grundlage von politischen Entscheidungen bzw. politischen Ansichten?


Tobias Rausch (AfD):

Vielen Dank, Herr Hövelmann, für diese Frage. Mir ist das sehr wohl bekannt. Ich weiß auch, dass die damalige Sowjetrepublik das mitgezeichnet hat. Für mich sind diese Grenzen auch so gegeben. Aber - jetzt muss ich „aber“ sagen - ich habe in meinem Redebeitrag ganz

(Lachen)

klar gesagt, dass ich diese Kriegshandlungen nicht gut finde. Mehrmals habe ich dazu Stellung genommen, dass das nicht richtig ist. Dass man aber die Schuld allein auf Russland schiebt, ohne einmal die Sicherheitsinteressen zu hinterfragen, die seit Jahrzehnten bekannt sind    

(Zurufe)

Wie gesagt, Ihr Parteikollege Egon Bahr hat es 1999 schon einmal dargestellt.

(Unruhe)

Da muss man einfach mal die Konsequenzen sehen. Es ist schlimm, was da passiert. Das verurteile ich auch, aber    

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Da kann es kein Aber geben! - Weitere Zurufe)

Aber was wollen wir denn jetzt hier machen?

(Zurufe)

Ich frage Sie jetzt? - Ganz einfach: Mein Plan wäre es, man würde die Minsker Vereinbarung wieder offenlegen und man wäre einmal einen Schritt auf Russland zugegangen. Die NATO hat von Russland Forderungen bekommen, aber keine Gegenforderungen aufgemacht, damit man verhandeln kann, sondern eiskalt gesagt, nein das akzeptiert man nicht.

(Zurufe)

Man war doch gar nicht verhandlungsbereit. Das ist das Problem!

(Beifall - Zurufe)

So, wie hier andere Meinungen immer gleich als undemokratisch oder sonst was     Gerade von diesem Block hier! So ist es!

(Zurufe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Ich sehe im Moment keine weiteren Fragen.


Tobias Rausch (AfD):

Schade.