Tagesordnungspunkt 18
Beratung
Kulturdenkmale erhalten - kein Abriss von Haus 5 der Polizeiinspektion Magdeburg
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/724
Einbringen wird den Antrag Herr Meister. - Herr Meister, bitte schön.
Olaf Meister (GRÜNE):
Danke schön, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist reich an Denkmalen. Sie sind Ausdruck von Geschichte und Identität des Landes, prägen unsere Ortsbilder und unseren Lebensalltag. Ihr Vorhandensein ist aber keine Selbstverständlichkeit. In jedem Denkmal stecken das Engagement von Generationen für den Erhalt und die Kreativität und Flexibilität bei der ständigen Anpassung an sich verändernde Bedingungen und Nutzungen.
(Guido Heuer, CDU: Da muss er grinsen!)
Häufig ist es ein Kampf gegen Gleichgültigkeit, lieber Herr Kollege,
(Zurufe: Oh!)
gegen die kurzsichtige Nutzung eines kurzfristigen Vorteils unter Missachtung der sich über Generationen hinweg erstreckenden langfristigen Perspektiven.
Zumeist sind die Denkmale in privater Hand. Wir muten den Eigentümerinnen und Eigentümern im gesamtgesellschaftlichen Interesse einiges zu, wenn wir sie z. B. dazu drängen, eine Jugendstilfassade zu erhalten, obwohl es billiger Rauputz auch getan hätte. Wenn Sie aber beides, eine denkmalgerecht sanierte Fassade und eine entstuckte Rauputzfassade, einmal nebeneinander gesehen haben, dann verstehen Sie vielleicht, welche Funktion Denkmalschutz für die Ortsbilder und damit auch für die Lebensqualität der Menschen in ihrem jeweiligen Ort hat.
(Zustimmung - Zuruf: Haus 5 sieht doch keiner! - Zuruf: Das sieht doch gar keiner!)
Nun sollte man annehmen, dass diese letztlich schon im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe von der öffentlichen Hand in besonders zuverlässiger Weise wahrgenommen wird, wenn sich Objekte in ihrem Eigentum befinden Vorbildwirkung, regelmäßige Pflege und Wartung, besondere Wertschätzung für die langfristige Perspektive , weil es die öffentliche Hand anders als Privatpersonen kontinuierlich, über viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte geben wird. Leider entspricht diese Annahme nicht immer der Realität.
Anlass des Antrags ist der beabsichtigte Abriss eines kleinen denkmalgeschützten Baus des Landes auf dem Gelände der Polizeiinspektion Magdeburg. Das auf die Tradition Magdeburgs als Garnisons- und Festungsstadt zurückgehende Haus 5 ist etwa 140 Jahre alt. Es ist sanierungsbedürftig, weil über Jahrzehnte nichts in die Erhaltung investiert wurde. Die Bausubstanz des soliden preußischen Ziegelbaus ist aber recht gut. So war es in der ursprünglichen Planung der dringend erforderlichen Sanierung und Erneuerung der Polizeiinspektion als Sitz der Pressestelle vorgesehen.
Auf der üppigen Abrissliste für die Ostseite der alten Trainkaserne stehen nach den jüngsten Abrissen noch eine Mauer und dieses Haus. Es kam aber zu Preissteigerungen bei anderen Objekten, sodass man sich zur Kompensation sagte, der Abriss ist billiger als die Sanierung, also Abriss, ersatzlos - eine Betrachtung, die den Verlust von Nutzfläche und den Denkmalwert natürlich außer Betracht lässt.
Ich erspare Ihnen jetzt die schrecklichen Details der Auseinandersetzung der letzten Jahre über diese Frage. Ich will Ihnen stattdessen klarmachen, dass der Abriss von Baudenkmalen ohnehin keine gute Idee ist, dies aber vor allem in der Magdeburger Innenstadt schon skandalöse Züge annimmt und darüber hoch emotional diskutiert wird.
Mein Urgroßvater die Kollegen des Finanzausschusses kennen dieses Stück meiner Familiengeschichte schon, das nicht direkt mit Haus 5 zu tun hat, aber natürlich mit der Magdeburger Innenstadt; sie können sich also kurz entspannen lebte 1945 in Magdeburg. Er hinterließ ein Tagebuch, das sich heute im Stadtarchiv befindet, aus dem im Umfeld des 16. Januars, des Jahrestags der Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg, immer wieder einmal als Augenzeugenbericht zitiert wird, vor allem da er beschreibt, wie er sich am Morgen des 17. Januars zu seiner Arbeitsstelle in der Magdeburger Altstadt, in der Heydeckstraße, aufmachte. Er beschreibt die Leichen am Straßenrand, die apokalyptischen Trümmerberge und Ruinen, die am Tag zuvor noch eine jahrhundertealte Altstadt waren. Zu seiner Überraschung stand seine Arbeitsstelle in der Heydeckstraße noch. Er benennt dann auch konkret mit Namen den als Brandwache eingeteilten Kollegen, der nach dem Einschlag einer Brandbombe das Feuer löschte.
Deshalb steht dieses Haus in der Heydeckstraße noch, und weil es kommende Generationen erhielten, keinen Plattenbau hinsetzten und der Landesbaubetrieb in keiner Situation zuständig war.
Solche Geschichten gehören in Magdeburg, aber auch in Zerbst, Halberstadt, Sandau und anderen Orten in unserem Land zu den alten Häusern, die erhalten blieben. Die Häuser erzählen vom Leben und den Vorstellungen längst vergangener Generationen, aber auch von Krieg, Angst und Leid und Aufbauwillen. Häufig kennen wir ihre Geschichte nicht so detailliert, sie sind aber mit jedem Altbau verbunden.
Magdeburg hat an diesem 16. Januar 1945 sehr viele Menschenleben und viel Bausubstanz verloren. Es hat aber auch etwas von seinem Selbstverständnis als alte Stadt verloren. Noch heute ist diese Wunde nicht verheilt. Die aktuell lebhaften Diskussionen über den Wiederaufbau historischer Bauten, die Wiederanlage historischer Straßenzüge etc. zeigen dies.
Diese Stadt, unsere Landeshauptstadt, sucht noch immer nach ihrem Weg. Eines ist aber ziemlich sicher, ein bewusster Abriss denkmalgeschützter Bausubstanz, die den Wahnsinn des Krieges überstanden hat, ist nicht vertretbar.
(Zustimmung)
Das geht in Magdeburg nicht; das macht man nicht. Wer das vorschlägt, hat die Landeshauptstadt, ihre Geschichte und damit auch einen wichtigen Teil der Geschichte unseres Landes nicht verstanden. Daher hat sich der Magdeburger Stadtrat für den Erhalt von Haus 5 ausgesprochen. Dazu läuft eine Onlinepetition. Ich beantrage die Aufhebung des gegenteiligen Beschlusses des Finanzausschusses.
Natürlich ist Denkmalschutz nicht allein selig machend; denn Denkmale brauchen Nutzung und sie müssen sich in neue Anforderungen einfügen.
(Zurufe: Ah!)
- Das ist so. - Wir haben vor Jahren den Langen Heinrich gesprengt.
(Zuruf: Baudenkmal!)
- Es war ein Baudenkmal, aber die Nutzung war hinfällig; was will man machen. Es kam weg.
Im Stadtrat sprach ein engagierter CDU-Kollege den Frust an, der sich in Magdeburg aus einer anderen Abrissentscheidung des Landes in der jüngeren Vergangenheit ergeben hat. Der Abriss des Görderitz-Baus auf dem Gelände des Uniklinikums dieser spielt architekturgeschichtlich in einer höheren Liga als unser aktuelles Sorgendenkmal traf und trifft auf viel Unverständnis. Der Göderitz-Bau muss dem geplanten Herzzentrum weichen. Ich halte das für einen Planungsfehler, aber als wir im Jahr 2016 antraten, war ziemlich klar, dass ein Nein zu diesem Standort ein Nein zum Herzzentrum bedeuten könnte.
(Zuruf: Schweren Herzens!)
Schweren Herzens, wirklich. Deswegen haben wir damals diese Abwägungsentscheidung getroffen und den Göderitz-Bau aufgegeben. Gut war das nicht, aber in der Abwägung, meine ich, war es verantwortbar. Ihr müsstet jetzt das Herzzentrum aber auch mal bauen. Der Beschluss stammt aus dem Jahr 2016 und dort ist immer noch eine Wiese.
(Zuruf: Mein Lieber, du bist doch noch gar nicht so lange aus der Koalition raus!)
Das Absurde an der Entscheidung zu Haus 5 ist, dass es einer solchen Abwägung nicht bedarf. Haus 5 hätte problemlos als Verwaltungsbau genutzt werden können. Durch den Abriss würde nichts Neues ermöglicht. Dort entsteht eine plane Fläche. Dort soll nichts gebaut werden. Der Abriss hilft der polizeilichen Nutzung nicht, sondern er schadet ihr.
Wir können und sollten der Verantwortung gerecht werden, die uns als Eigentümer eines Baudenkmals trifft, nämlich ihm eine angemessene Nutzung geben, es erhalten und an die nächste Generation weitergeben.
(Zustimmung)
Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Meister, vielen Dank für die Einbringung Ihres Antrages. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Richter. - Entschuldigung, es gab eine Frage. Herr Meister. Lassen Sie eine Frage von Herrn Ruland zu?
Olaf Meister (GRÜNE):
Ja.
Stefan Ruland (CDU):
Vielen Dank, Frau Vorsitzende. - Lieber Herr Kollege Meister, vielen Dank für die Auffrischung zu dem Thema meisterische Familiengeschichte. Ich habe in der Zwischenzeit im Denkmalinformationssystem des Landes Sachsen-Anhalt nachgesehen, ob es in der Region, in der Sie den Abriss vermeiden wollen, ein Einzeldenkmal gibt ich lese aus Ihrem Antrag, dass Haus 5 ein geschütztes Denkmal ist , habe dazu aber keinen Eintrag finden können.
Sie haben dem Hohen Haus verschwiegen es ist im Finanzausschuss als Bagatellbetrag bewertet worden , dass die damit einhergehenden Einsparungen 2,2 Millionen € betragen würden. Wie bewerten Sie diese Zusammenhänge auch im Hinblick darauf, dass man diese Mittel für viele andere Projektideen auch aus Ihrer Fraktion gut gebrauchen könnte?
Olaf Meister (GRÜNE):
Zu den Kosten würde ich in meiner Schlussrede etwas sagen, weil ich annehme, dass der Finanzminister auf diesen Punkt eingehen wird. Das könnte ich mir zumindest vorstellen.
Zu dem anderen Punkt. Es ist nicht als Einzeldenkmal ausgewiesen; denn es betrifft die gesamte Kaserne. Sie haben also verschiedene Objekte in der Kaserne, die dann zu dem Einzeldenkmal Kaserne gehören.
(Zuruf: Fünf Häuser ohne Fassade!)
Wenn Sie wollen, dann suche ich Ihnen die Nummer heraus.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Ruland, Sie haben eine weitere Frage.
(Zuruf: Fünf Häuser ohne Fassade!)
Stefan Ruland (CDU):
Dass es sich um ein Flächendenkmal handelt
Olaf Meister (GRÜNE):
Nein, es ist kein Flächendenkmal.
Stefan Ruland (CDU):
Wir wissen, dass es faktisch keine Sichtachse gibt. Das Gebäude ist meines Erachtens nicht mehr erschlossen. Von daher stellt sich mir die Frage, welchen Nutzen Ihr Antrag in dem Kontext, dass dann 2,2 Millionen € quasi in den Wind geschossen werden, bringt.
Olaf Meister (GRÜNE):
Merkwürdig ist immer die Argumentation, dass dies niemand sehe. Nach unserer Vorstellung würden darin Leute arbeiten. Auf diesem Gelände befinden sich Hunderte Polizisten. Daran fährt eine S-Bahn vorbei. Das Gebäude ist in seinem Bereich einfach präsent.
Diese Sichtbarkeit ist keine denkmalrechtliche Qualität. Wenn Sie danach gehen, dann müsste man die Staatskanzlei Die Staatskanzlei ist auch innen sehr schön saniert worden, gucken Sie sich bspw. die Stuckarbeiten an. Und das sieht nur eine Handvoll Leute. Man hätte dort mit Trockenbau arbeiten können, das wäre viel billiger gewesen. Das ist Ihre Argumentation und sie ist völliger Unsinn; denn die hat mit einem Denkmal nichts zu tun.
(Zustimmung - Zuruf)