Katrin Gensecke (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Im Verlauf des vorigen Jahres, vor allem im Oktober und November 2021, sind die Strompreise stark gestiegen. Sie haben sich nahezu verdreifacht. Der Trend setzt sich aktuell weiter fort. Die steigenden Energiepreise belasten die kommunalen Haushalte, sie belasten die Wirtschaft, insbesondere die energieintensiven Branchen, aber sie belasten vor allem die Bürgerinnen und Bürger. Als Politik sind wir jetzt gefordert, über Lösungsansätze zu diskutieren, aber auch Lösungsansätze zu finden. Als SPD ist es unser Ziel, vor allem für sozialverträgliche Energiepreise zu sorgen.

Ich möchte ganz kurz auf die Ursachen der aktuellen Preissteigerungen eingehen. Zu Beginn möchte ich aber feststellen: Der Strommarkt, er funktioniert.

(Ulrich Siegmund, AfD: Quatsch!)

Das war nicht nur die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten, die erst kürzlich im Umweltausschuss im Rahmen einer Anhörung zu den steigenden Gaspreisen zu Wort kamen. Das wird auch deutlich, wenn man sich die verschiedenen Ursachen für die steigenden Gaspreise anschaut.

Erstens. Man konnte beobachten, dass die Konjunktur nach der ersten Pandemiewelle wieder sehr rasch angesprungen ist. Das ging mit einer steigenden Energienachfrage einher.

Zweitens. Gleichzeitig reduzierte sich das Energieangebot. Das hing unter anderem mit den aufgeschobenen Reparatur- und Wartungsarbeiten an den Pipelines und Kraftwerken zusammen.

Drittens. Auch wenn wir in Sachsen-Anhalt einen ausreichenden Füllstand der Gasspeicher haben, ist bundesweit festzustellen, dass die Gasspeicher nicht wie gewohnt gefüllt wurden. Die Ursache dafür könnte möglicherweise auch der längere Winter im vergangenen Jahr sein.

Wir haben es in diesem Fall also nicht mit einem Marktversagen zu tun, sondern mit einer belastenden besonderen Marktsituation nach der Pandemie. Ein direkter Eingriff in den Markt und in die Preisbildung sollte derzeit also nicht zur Debatte stehen.

Es muss auch ausdrücklich berücksichtigt werden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Öffnung des Strommarktes lange Zeit von günstigen Strompreisen profitierten. Die freie Wahl des Stromanbieters führte zu einer Preisspirale nach unten. Langfristige Lieferverträge konkurrierten mit kurzfristigen Einkäufen auf dem Großhandelsmarkt. Solange der Preis auf den Spotmärkten günstig war, funktionierte genau dieses Geschäftsmodell.

Leider muss man sagen, dass für viele Verbraucherinnen und Verbraucher nicht einsichtig war, zu welchen Bedingungen ihr Stromanbieter den Strom eingekauft hat. Die sich veränderte Marktlage führte zu etlichen Insolvenzen, sodass allein im Jahr 2021  39 Energielieferanten ihr Geschäft aufgeben mussten. Die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher fallen dann in die Grundversorgung und müssen deutlich mehr für Strom und Gas zahlen. In diesen Tarifen ist die Gaspreisentwicklung schon heute spürbar, da örtliche Versorger jetzt zukaufen müssen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Grundversorgung mit Strom und Gas zu bedienen. Den sogenannten Neukunden werden Strom und Gas zu extrem hohen Preisen angeboten.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eines ist klar: Energieversorgung ist auch Daseinsvorsorge. Wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, die alle Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten. Besonders in den Blick nehmen müssen wir solche Menschen, für die 50 € oder 100 € weniger im Geldbeutel existenzbedrohend sein können. Deshalb dürfen aufkommende höhere Strompreise auch nicht zu höheren Belastungen für diese Bürgerinnen und Bürger führen.

Ja, man kann das jetzt natürlich kleinreden, es als einen Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen oder abtun, aber ich denke, jeder Euro hilft erst einmal. Daher ist es doch gut und wichtig, dass das Ministerium von Klara Geywitz für Wohngeldbezieher kurzfristig und unbürokratisch einen einmaligen Heizkostenzuschuss   das ist mehrfach angesprochen worden   in Höhe von 135 € für den Einpersonenhaushalt und in Höhe von 175 € für den Zweipersonenhaushalt auf den Weg bringen möchte. Für jede weitere Person im Haushalt sind weitere 35 € vorgesehen.

Eine so schnelle Leistung muss auch zügig bei den Menschen ankommen. Dieser Zuschuss soll im Sommer ausgezahlt werden, bevor die Betriebskostenabrechnung mit den Heizkosten für den Winter im Briefkasten landet. Im Übrigen soll dieser Zuschuss nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Von diesem Zuschuss profitieren deutschlandweit 710 000 Haushalte. In Sachsen-Anhalt sind es ca. 21 000 Haushalte.

Es ist gut, dass die Einbeziehung weiterer Einkommensgruppen geprüft wird, da oftmals jene aus dem Blick geraten, die gerade so viel verdienen, um staatliche Unterstützung zu erfahren, aber zu wenig, um Kostensteigerungen problemlos abfedern zu können.

Es sind weitere Maßnahmen auf dem Weg, zum Beispiel die stufenlose Abschaffung der EEG-Umlage   auch das ist angesprochen worden  , die 20 % des Preises ausmacht. Bereits in diesem Jahr wird EEG-Umlage zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien auf 3,72 Cent pro Kilowattstunde sinken. Im vorigen Jahr zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher noch 6,5 Cent pro Kilowattstunde. Durch die Senkung um 43 % spart ein Dreipersonenhaushalt 100 € im Jahr und ein Einpersonenhaushalt knapp 50 €. Auch das bringt Entlastung. Ab dem Jahr 2023 entfällt die EEG-Umlage ganz.

(Zuruf von Ulrich Siegmund)

Das entlastet die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft. Infolgedessen kann die Nutzung von Strom bei der E Mobilität oder Wärmeversorgung günstiger werden.

Auf der Bundesebene wird auch geprüft, wie man Strom- und Gassperren unter allen Umständen verhindern kann. Da das nicht einseitig zulasten der Energieversorger gehen darf, müssen verschiedene Lösungsmöglichkeiten geprüft werden. Zur Diskussion stehen hierbei wohl Ratenzahlungsmodelle, aber auch eine zeitlich begrenzte Übernahme der Strom- und Heizkosten.

Eine weitere Maßnahme ist die Anpassung zum Beispiel auch der Pendlerpauschale aus sozialpolitischer Sicht für Fernpendler, die derzeit umgesetzt wird. Sie entlastet Haushalte, in denen Beschäftigte auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, weil sie größere Wegstrecken zurücklegen müssen. Diese Debatte macht auch deutlich, wie wichtig es jetzt ist, dass die gesetzliche Anhebung des Mindestlohns folgt. Es ist daher gut, dass die SPD-geführte Ampel den Mindestlohn im Oktober 2022 auf 12 € anheben will. Das wird kommen, sehr geehrte Damen und Herren.

(Zustimmung)

Die Anhebung würde für ungefähr 8 Millionen Beschäftigte, davon vornehmlich Frauen und Bürgerinnen und Bürger aus der Region Ost, teilweise eine erhebliche Lohnerhöhung bedeuten. Jede Erwerbsarbeit verdient ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Wertschätzung. Allein in Sachsen-Anhalt profitieren davon 84 000 Vollzeitbeschäftigte.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie sehen, es werden kurzfristig Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Diese Veränderung müssen wir aber aktiv begleiten und so gestalten, dass sich das Leben der Menschen in unserem Land verbessert und dass die Gesellschaft als Ganzes vorankommt.

Aus energiepolitischer Sicht müssen wir längerfristig unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern senken. Auch die Bundesregierung plant Gesetzesvorhaben für die Aufsplittung der Tarife in der Grundversorgung, sodass sich das verändern wird. Das ist zu begrüßen, bedarf aber einer längerfristigen Planung.

Die Frage der künftigen Energie ist und bleibt die Zukunftsfrage, wobei der Ausbau erneuerbarer Energien nicht belastet, sondern entlastet. Die Energiewende in Deutschland kann nur gelingen, wenn Energiepreise für alle bezahlbar bleiben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke, auch Ihre Ausführungen veranlassen zu Nachfragen bzw. Kurzinterventionen. - Diese erfolgen in der Reihenfolge des Meldens. Herr Striegel hat eine Nachfrage, er beginnt. Dann kommt Herr Scharfenort mit einer Zwischenintervention und dann kommt Frau Eisenreich mit einer Nachfrage. - Herr Striegel, bitte.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Kollegin, Sie haben die Ursache für die nur wenig gefüllten Gasspeicher in den Blick genommen und haben den kalten und langen Winter im vergangenen Jahr im Verdacht. Gibt es denn aus Ihrer Sicht noch weitere, darüber hinausgehende Gründe, z. B. die deutlich verringerten Erdgaslieferungen aus Russland? Deutschland ist einer der größten Abnehmer, ich glaube, sogar der größte Abnehmer für russisches Erdgas. Ist es nach Ihrer Einschätzung so, dass der Kreml versucht, politisch Druck zu machen

(Zurufe)

und Erdgas als politisches Instrument zu nutzen? Das ist meine erste Frage.

(Zuruf)

Meine zweite Frage in dem Zusammenhang: Ist nach Ihrer Kenntnis die Leitungskapazität beim Erdgas, unter anderem über die Ukraine, bereits ausgeschöpft? Oder gibt es dort weitere Möglichkeiten zur Aufstockung?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke, bitte.


Katrin Gensecke (SPD):

Auf diese Diskussion möchte ich jetzt nicht weiter eingehen.

(Lachen)

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich hier als sozialpolitische Sprecherin gesprochen habe. Darauf möchte ich keine Antwort geben. Ich weiß es, ehrlich gesagt, auch nicht.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Striegel, Sie haben eine Nachfrage? - Aber kurz bitte.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Ja, dazu habe ich eine Nachfrage. - Ihre Partei, die Sozialdemokratie, versucht an dieser Stelle immer wieder, Nord Stream 2 ins Gespräch zu bringen.

(Zuruf)

Wenn Sie diese Fragen hier nicht beantworten können oder wollen, dann interessiert mich schon, wie Sie versuchen wollen, Nord Stream 2 tatsächlich zu begründen. Diese Pipeline ist nämlich nicht notwendig.

(Zurufe: Das ist doch ein Extra-Tagesordnungspunkt! - Das kommt nachher!)


Katrin Gensecke (SPD):

Herr Striegel, wir haben dazu morgen noch eine Debatte. Darauf möchte ich verweisen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Also, wer in seiner Rede darauf Bezug nimmt, der muss sich dann auch Fragen gefallen lassen!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Erben möchte das Rederecht des Fraktionsvorsitzenden in Anspruch nehmen.


Rüdiger Erben (SPD):

Lieber Kollege Striegel! Zunächst einmal: Die Kollegin Katrin Gensecke hat, glaube ich, alles dazu gesagt: Wir befinden uns in einer sozialpolitischen Debatte.

Ich will aber auf folgenden Punkt hinweisen. Man kann hier über die politischen Anschauungen und das Machen von Putin kräftig diskutieren,

(Zuruf)

aber es ist unbestritten, dass die Lieferanten des russischen Erdgases ihre Verträge erfüllen.

(Zustimmung)

Sie haben hier gerade behauptet, Russland hätte seine Gaslieferungen zurückgefahren. Das ist eine unzutreffende Behauptung.

(Zustimmung)

Russland hat seine Gaslieferungen nicht zurückgefahren.

(Beifall)

Sie liefern nicht so viel Erdgas zusätzlich, wie wir es vielleicht gern hätten, damit die Preise an den Märkten sinken. Hier aber zu behaupten, Russland habe seine Gaslieferungen zurückgefahren, ist eine unzutreffende Behauptung.

(Zurufe: Richtig! - Ja! - Weitere Zurufe)

Ich nutze gern die Möglichkeit des Übergangs des Rederechts des Fraktionsvorsitzenden, um das hier klarzustellen.

(Zustimmung - Zuruf: Jawohl!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Damit haben Sie die Rednerliste verändert. - Jetzt hat Herr Scharfenort die Möglichkeit zu einer Intervention. Er steht schon die gesamte Zeit über am Mikrofon.


Jan Scharfenort (AfD):

Sie haben zu Recht ein Teilproblem herausgegriffen, das die kurz- und langfristigen Verträge beim Einkauf der Energielieferanten und  vermittler betrifft. Sie haben das Problem hauptsächlich auf die kurzfristigen Verträge zurückgeführt. Was meinen Sie, was in Zukunft los sein wird, wenn nämlich auch die Stadtwerke, wenn auch die großen Konzerne, die langfristige Verträge haben, neu einkaufen müssen? Das werden sie tun. Das werden sie im nächsten Jahr tun, und zwar zu strukturell viel zu hohen Preisen; denn die Preise werden hoch bleiben. Erst dann werden wir das beim Verbraucher richtig sehen. Was denken Sie, was dann los ist? Haben Sie das auch zur Kenntnis genommen? Wie gehen Sie dann damit um? Was raten Sie dann den Leuten? Was sollen sie machen? Wollen Sie dann die Preise noch stärker subventionieren oder was ist Ihre Idee dafür?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke, das war eigentlich eine Kurzintervention. Sie müssen jetzt nicht darauf antworten, aber das müssen Sie auch bei Fragen nicht.


Katrin Gensecke (SPD):

Nein, ich möchte nicht darauf antworten.

(Zurufe)

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt hat Frau Eisenreich das Wort.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Gensecke, ich habe eine kurze Rückfrage. Sie haben gesagt, dass die Heizkostenzuschüsse zum Wohngeld laut der Bauministerin im Sommer gezahlt werden sollen, und Sie sagten, das sei gut, weil das ungefähr der Zeitpunkt ist, zu dem auch die Betriebskostenabrechnungen eintrudeln. Nun ist es in der Praxis aber so, dass Energieversorger derzeit die Vorauszahlungen schon massiv erhöht haben. Das bringt Haushalte mit geringen Einkommen natürlich schon jetzt in Schwierigkeiten. Sehen Sie nicht eine Diskrepanz darin, wenn das Geld im Sommer kommt, die Menschen es aber eigentlich jetzt brauchen?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke.


Katrin Gensecke (SPD):

Ich habe diese Ausführungen deswegen getätigt, weil ich der Meinung war, dass in diesem Bereich hauptsächlich im Sommer die Nachforderungen kommen. Deswegen halte ich die Idee, diesen Wohngeldzuschuss im Sommer auszuzahlen, für richtig. Hoffentlich wird es gelingen   es sieht im Moment ganz gut aus  , dass am Ende des Jahres das Gesetz verabschiedet wird und dann seinen Weg nimmt, sodass wir dann wirklich sagen können, das funktioniert und im Sommer können die Wohngeldbezieher von diesen einmaligen Zahlungen profitieren. - Vielen Dank.