Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Tagesordnung der Landtagssitzung gelesen habe, habe ich mich gewundert und gefragt, wie dieser Antrag in den Prioblock gekommen ist. Die Einbringung und die bisherigen Reden haben bestätigt, dass er dort nicht hingehört; denn das ist ein Stück weit ein triviales Geschäft, das wir auch ohne Debatte und an anderer Stelle hinbekommen hätten.
Aber wenn denn schon geredet werden soll und muss, möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Blick einmal auf den wirklich miserablen und schrägen Tarifabschluss zu lenken, den wir jetzt ordnungsgemäß auf unsere Beamtinnen und Beamten übertragen. Es ist zwar nicht direkt unser Beritt, dort etwas Eigenes zu machen, aber es ändert nichts daran, dass die Landesregierung Verantwortung dafür trägt, dass sie als Mitglied der TdL dieses Geschäft vor Ort mitbetrieben hat. Die öffentlichen Arbeitgeber haben in schwierigen Coronazeiten den Gewerkschaften einen Abschluss aufgezwungen, der nichts weiter ist als eine Missachtung der Leistungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, und die Gewerkschaften leiden erheblich darunter.
(Zustimmung)
Das macht sich schon daran fest, dass die Arbeitgeber in den Verhandlungen bis in die Schlussphase hinein überhaupt kein Angebot vorgelegt und auch keine Bewegung gezeigt haben. Es macht sich daran fest, dass der Abschluss insgesamt mindestens bei den mittleren und höheren Eingruppierungen über die 24 Monate Laufzeit zu einem Reallohnverlust führt und vor allem die nur einmalige Steigerung, nämlich erst in einem Jahr, um 2,8 % tabellenwirksam die Attraktivität des öffentlichen Dienstes weiter verschlechtern wird. Wir hängen uns weiter ab.
Dazu kommt, dass der Ausgleich für die Nicht-Tariferhöhungen im Jahr 2022 in einer Coronasonderzahlung gesucht wird. Das ist sogar der „BILD“-Zeitung aufgefallen. Wir lehnen heute Morgen im Sondervermögen so etwas für die Beschäftigten im Gesundheitswesen ab und die fragen: Wieso bekommen jetzt die Beamten, und zwar alle Beamten eine Coronasonderzahlung, wenn andere diese nicht bekommen haben?
Nun sind Einmalzahlungen ohnehin ein grundsätzliches Problem im Tarifgeschäft, weil sie in der Regel nicht tabellenwirksam werden und auch an künftigen Steigerungen nicht teilnehmen. Bei der Coronasonderzahlung anstelle einer Tariferhöhung kommt dazu, dass dies reiner Betrug und Missbrauch von Regelungen ist, Missbrauch des Einkommensteuergesetzes; denn beim Bezug heißt es, dass diese Coronazahlungen steuer- und abgabenfrei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu zahlen seien. Geschuldet wäre aber eine Tariferhöhung und nicht eine Coronasonderzahlung.
(Zustimmung)
Es ist Betrug an den Beschäftigten, weil die Zahlungen nicht versorgungs- und rentenwirksam sind. Es ist Betrug an den Gemeinden, denen ihre Anteile an der Einkommensteuer, die ansonsten zu zahlen wäre, vorenthalten werden im Übrigen auch dem Bund, aber dieser kann das natürlich besser verkraften als die Gemeinden , und es ist Betrug am Sozialsystem, weil darauf keine Abgaben gezahlt werden. Es ist also mehr als nur eine Mogelpackung, es ist ein Sündenfall in der Tarifpolitik.
Den meisten Beschäftigten wird es im Wesentlichen natürlich egal sein, woher das Geld kommt. Einige von Ihnen können aber auch rechnen und durchschauen es natürlich auch. Was aber notwendig ist: Die Landesregierung als Teil der öffentlichen Arbeitgeber muss künftig mehr ordnungspolitische Verantwortung und mehr Achtung für die Beschäftigten aufbringen.
Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses eben nicht einfach darüber hinwegschauen und zur Tagesordnung übergehen. Wir als Landtag müssen bei kommenden Tarifverhandlungen wieder mehr hinschauen und auch denen auf die Finger klopfen bei dem, was dort in Potsdam, oder wo auch immer die Verhandlungen stattfinden, getrieben wird; denn am Ende hängen wir als Gesetzgeber, als Haushaltsgesetzgeber und als Besoldungsgesetzgeber, mit drin. Das darf uns nicht egal sein.
(Beifall - Guido Heuer, CDU: Das ist schwer zu ertragen!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Lippmann, Abg. Herr Gürth hat eine Frage. Möchten Sie sie beantworten?
Detlef Gürth (CDU):
Frau Präsidentin, eine Zwischenintervention. - Kollege Lippmann, ich bin total entsetzt über Ihre Rede,
(Zustimmung)
wie Sie als ehemaliger hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär Ihre Gewerkschaftskollegen, die in harten Runden verhandelt und nichts verschenkt haben, als Betrüger bezeichnen können.
Sie haben hier mehrfach von Betrug gesprochen, bei so vielen Dingen. Wer etwas unterzeichnet, das offenkundig Betrug ist, der ist selbst ein Betrüger. Können Sie selbst noch in den Spiegel schauen, wenn Sie Ihre Gewerkschaftskollegen hier im Plenum als Betrüger bezeichnen? - Ich bin total entsetzt.
(Beifall)
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Lieber Kollege Gürth, weil es so ist, wie Sie es angesprochen haben, weil ich oft genug und lange genug in Potsdam dabei gewesen bin und an solchen Verhandlungen teilgenommen habe, weil ich natürlich auch mit meinen Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen gesprochen habe denn dieser Tarifabschluss ist im Übrigen, über eine lange Zeit gesehen, natürlich nicht der einzige, der ihnen schwer im Magen liegt und quer im Hals sitzt , weil die öffentlichen Arbeitgeber mit der Coronakeule auf die Gewerkschaften eingehauen haben, weil sie wussten, dass die Gewerkschaften letztlich natürlich, obwohl sie etwas zustande gebracht haben, schaumgebremst in ihren Tarifkämpfen sind, und weil sie am Ende einfach die Taschen zugemacht haben. Es ist Sache der Arbeitgeber, Angebote vorzulegen, und nicht Sache der Gewerkschaften, sozusagen Angebote zu schreiben. Das war nach dem Motto „friss Vogel oder stirb“. Am Ende sind die Gewerkschaften nach Hause gegangen mit dem, was man ihnen angeboten hat.
Es ist die Verantwortung der öffentlichen Arbeitgeber, auch auf die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu schauen. Dem ist ein Bärendienst erwiesen worden.
Die Frage der Unehrlichkeit: Also, auf diese Idee zu kommen, eine Coronasonderzahlung zur Ersatzzahlung für einen Tarifabschluss zu machen ich habe alles andere aufgezählt, wo die Betrügereien sind; das wiederhole ich jetzt nicht noch einmal ,
(Guido Heuer, CDU: Das wurde aber unterschrieben von ver.di!)
das sind ganz konkrete Geschichten.
(Guido Heuer, CDU: Das ist doch nicht normal!)
- Nein, die Kollegen hätten eine ordentliche Tariferhöhung der Tabellenentgelte verdient und nicht eine Coronasonderzahlung.
(Beifall - Guido Heuer, CDU: Ver.di hat es doch unterschrieben! Der hat es doch unterschrieben! Also, das ist doch nicht mehr normal! - Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)
- Es ist doch irre, wie ihr den Spieß herumdreht.
(Guido Heuer, CDU: Nein! Sie erzählen Blödsinn! Das ist normal!)
- Geht doch einmal dorthin. Wenn die öffentlichen Arbeitgeber bis zum Schluss die Taschen zuhalten und sagen, ansonsten bekommt ihr gar nichts, und dann mit solchen Taschenspielertricks kommen
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
Für die Beschäftigten ist wichtig, dass sie Geld in der Tasche haben, aber ordnungspolitisch ist das ein Sündenfall.
(Zuruf: Hört doch einmal auf hier! Das ist doch nicht mehr normal! - Weitere Zurufe)
Den haben die Arbeitgeber zu verantworten, nicht die Gewerkschaften.
(Beifall)