Andreas Henke (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Mitglieder der Landesregierung! Mit der Ausgestaltung des Finanzausgleichsgesetzes entscheiden wir in einem sehr erheblichen Maße darüber, wie wir dem verfassungsmäßigen Auftrag gerecht werden, dass die Kommunen unseres Landes, die Landkreise, die Städte und Gemeinden über die Finanzvolumina verfügen, die sie zur angemessenen Bewältigung ihrer Aufgaben brauchen, wie es im Vorwort zum Gesetzentwurf beschrieben ist. Die Juristen unter Ihnen werden bestätigen können, dass sich trefflich ein Diskurs darüber entfachen ließe, was in diesem Fall „angemessen“ bedeutet.
Ursächlich ließe sich solch ein Diskurs an den im Gesetzentwurf verwendeten Begriffen festmachen, die einen unterschiedlichen Grad an inhaltlicher Bestimmtheit aufweisen und damit viel Spielraum für Auslegung und Interpretation zulassen. Ob etwas angemessen, unzureichend oder gar mangelhaft ist, entspricht also wie so oft bei unbestimmten Rechtsbegriffen der unterschiedlichen Sicht auf Sachverhalte und Bewertungen, die zu einem großen Teil aus einem persönlichen Erleben der Gesetze dort entspringen, wo sie ihre Wirkung entfalten, wo sie die Lebenswirklichkeiten berühren, in diesem Fall auf der örtlichen Ebene der Landkreise, der Städte und Gemeinden.
Nach der Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfes definiert sich der Maßstab der Bemessung der Landeszuweisung an notwendigen kommunalen Aufgaben und ihrer effizienten Erledigung. Es bedarf also keiner großen Vorstellungskraft, dass allein die Begrifflichkeiten „notwendig“ und „effizient" streitbefangen sind und unterschiedliche Positionen der Einbringer des Gesetzentwurfes und der kommunalpolitischen Akteure offenbaren. Allein bei der Daseinsvorsorge, bei freiwilligen Leistungen, wie sie von Kollegen Rausch erwähnt wurden, scheiden sich erfahrungsgemäß die Geister.
So gibt es erwartungsgemäß wesentliche Kritikpunkte seitens der kommunalen Spitzenverbände, des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes, die am Modus der Berechnung der Steuerschätzungen, an bedarfsmindernden Anrechnungen von Bundesmitteln, an ungenügender Erhöhung der Finanzausgleichsmasse mit Volumen unter dem Inflationsausgleich festgemacht werden oder wie vom Landkreistag formuliert, die für eine ordnungsgemäße Erfüllung der kommunalen Aufgaben nicht auskömmlich bemessen seien.
Hingegen schreibt die Landesregierung in der Begründung, dass mit der Festsetzung der FAG-Masse ab dem Jahr 2017 der Verfassungsauftrag, den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung zukommen zu lassen, deutlich übererfüllt wurde und mehr noch, dass sie damit für etwaige Konjunktureinbrüche hätten Vorsorge treffen können. Mit Verlaub, werte Mitglieder der Landesregierung, sehr geehrter Herr Finanzminister, diese Einschätzung trifft nicht die Wirklichkeit,
(Beifall)
nicht die Erfahrung vieler Landräte, Bürgermeister, vieler Kommunalpolitiker, die sich ehrenamtlich für ihre Heimatorte und Regionen engagieren und erst recht nicht die Erfahrung der Menschen in den Städten und Dörfern unseres Landes, die seit Jahren miterleben müssen, wie sich ihre Stadt- und Gemeinderäte von Konsolidierungskonzept zu Konsolidierungskonzept, von Sparmaßnahme zu Sparmaßnahme hangeln, die Gebührenerhöhungen miterleben, die um die Fortführung von Kultureinrichtungen, Theatern, Museen, Bibliotheken oder Freibädern bangen oder erneut auf die längst überfällige Sanierung von Straßen, Schulen und Kindertagesstätten warten.
Angehörige freiwilliger Feuerwehren weil es heute in der Presse war kaufen sich ihre Einsatzkleidung selbst, weil das, was in den Bekleidungskammern vorrätig ist, weit unter dem Second-Hand-Standard liegt. Das weiß ich aus eigenem Erleben. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die Wirklichkeit.
(Beifall)
Sie wissen alle, wie es in Ihren Heimatorten um die Finanzsituation, die Frage der Liquidität und den Schuldenstand Ihrer Kommune bestellt ist. Viele von Ihnen sind oder waren in kommunalen Gremien aktiv. Auch dass die Finanznot der Städte und Gemeinden nicht erst seit Corona präsent, sondern nun schon seit Jahrzehnten chronisch ausgeprägt ist, ist Ihnen bekannt. Diese mittlerweile verfestigten Finanznöte haben pandemiebedingt eine zusätzliche Dramatik erfahren. Aber leere Kassen in den Kommunen sind kein alleiniges Problem von Sachsen-Anhalt, Defizite und Verschuldung der kommunalen Haushalte finden sich nahezu in allen Bundesländern, was in der Tat für die Schwäche des vertikalen Finanzsystems spricht.
Umso mehr sollten wir uns bewusst sein, dass wir alles daran setzen sollten, eine stabile, verlässliche Partnerschaft zwischen den Kommunen des Landes, den Landkreisen, Städten und Gemeinden und dem Land herzustellen, auch, sehr geehrter Herr Minister, wenn das einer Quadratur des Kreises gleicht, auch wenn es große Herausforderungen bei der Aufstellung des Landeshaushalts geben wird. Wir müssen mit auskömmlichen Zuweisungen Impulse setzen, und das ist wichtig Motor der Landesentwicklung sind und bleiben die Städte und Gemeinden; denn dort erfolgt die Wertschöpfung.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Henke, Sie beherrschen es wirklich, ohne Luft zu holen zu sprechen, aber ich muss Sie leider trotzdem unterbrechen. Bringen Sie den kurzen Satz noch zu Ende und dann ist es gut.
Andreas Henke (DIE LINKE):
Also, in den Kommunen wird das Geld erwirtschaftet, das wir hier verteilen. Das sollte uns bewusst sein. In dem Sinne plädieren auch wir für die Überweisung in die Ausschüsse. - Vielen Dank.
(Beifall)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Henke, warten Sie. Es gibt Erbarmen mit Ihnen. Herr Heuer will Ihnen eine Frage stellen. Würden Sie die beantworten wollen?
Andreas Henke (DIE LINKE):
Ja, klar.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dann können Sie die jetzt stellen. Bitte, Herr Heuer.
Guido Heuer (CDU):
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Henke, Sie waren Bürgermeister der Stadt Halberstadt und das ist meines Wissens ein Mittelzentrum. Bei der Frage der Auskömmlichkeit der Finanzierung durch das Land gehört eine gewisse Ehrlichkeit der Kommunen dazu. Ich will jetzt nicht auf irgendwelche kommunaleigenen Firmen etc. hinaus; auch das könnte man einmal thematisieren. Gerade Halberstadt ist die Stadt, die in den letzten Jahren aus dem Finanzausgleichsgesetz deutlich mehr Zuweisungen bekommen hat als alle anderen Kommunen. Das ist eine Tatsache.
Wären Sie dafür, dass sich Kommunen prüfen lassen und auch ihre Nebeneinkünfte; ich nenne es einmal so. Ich will keine Namen nennen, weil das in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hat. Das können wir gern einmal unter vier Augen machen. Glauben Sie wie ich, dass diese Ehrlichkeit auf beiden Seiten bestehen muss? Denn zu einer auskömmlichen Finanzierung der Kommunen gehört, wenn wir das mit gleichen Lebensverhältnissen in Stadt und Land ernst meinen, dass es einer gerechten Verteilung der Finanzzuweisungen an die Kreise und Kommunen bedarf.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können antworten.
Andreas Henke (DIE LINKE):
Kollege Heuer, da bin ich völlig bei Ihnen. Ich weiß nicht, was Sie unter Unehrlichkeit verstehen, wenn Sie von kommuneneigenen Firmen sprechen. Vielleicht zielen Sie auf die Halberstädter NOSA GmbH ab. Entschuldigung, das ist die Stadtentwicklungsgesellschaft der Stadt Halberstadt, unter deren Dach alle kommunalen Beteiligungen vereint sind. Die Stadt Halberstadt hat die NOSA GmbH im Jahr 1996 gegründet.
Das war ein Glücksfall für die Stadt; denn dadurch haben wir garantieren können, dass es durch die steuerliche Quersubventionierung, insbesondere durch die Gewinnbringer Stadtwerke und Wohnungsgesellschaft, in Halberstadt immer noch einen öffentlichen Personennahverkehr gibt, dass wir immer noch bewirtschaftete Sportanlagen haben, dass wir ein Freizeit- und Sportzentrum haben und dass dadurch nicht der städtische Haushalt belastet ist.
Wir sind froh, dass wir trotz vieler Jahre Haushaltskonsolidierung Sie können mir glauben, Halberstadt ist in dieser Frage wirklich erfahren immer noch Museen haben, dass wir immer noch eine Stadtbibliothek haben, dass wir immer noch einen Tiergarten haben und dass wir mit den Partnern Landkreis und Quedlinburg immer noch ein Theater finanzieren können. Ich weiß nicht, was daran unehrlich sein soll. Ich verstehe Ihre Frage vielleicht nicht ganz.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dafür, dass Sie die Frage nicht verstanden haben, Herr Henke, haben Sie sie ausführlich beantwortet.
(Lachen und Beifall)
Danke.
Andreas Henke (DIE LINKE):
Ich weiß nur nicht, ob er damit zufrieden ist.