Tagesordnungspunkt 13

a)    Aktuelle Debatte

Gelobt, beklatscht, aber schlecht bezahlt - Pflegenotstand auch in Sachsen-Anhalt immer akuter

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/482

b)    Beratung

Beschäftigte der landeseigenen Kliniken in Sachsen-Anhalt nicht benachteiligen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/464

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/527


Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Für die Einbringung stehen 15 Minuten zur Verfügung. Eine gesonderte Einbringung ist aber nicht vereinbart. Redereihenfolge: LINKE, CDU, AfD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD.

Zunächst hat die Antragstellerin DIE LINKE das Wort. Bei ihr werden sich zwei Abgeordnete die Redezeit teilen. Als Erstes spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Anger; sie kann bereits nach vorn kommen. - Frau Anger, Sie haben das Wort.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zum ersten Mal und auch nicht zum zweiten oder zum dritten Mal haben wir eine Debatte zur Situation der Arbeitsbedingungen und der unzureichenden Bezahlung im Gesundheitswesen. Ich habe die zahlreichen Debatten nicht nachgezählt. Fakt ist jedoch, wir sind die Einzigen, die dies hier immer wieder einbringen und anscheinend auch die Einzigen, die das verbessern wollen. Sie dagegen stecken einfach seit Jahren den Kopf in den Sand. Es ist doch kein Zufall, dass wir dieses Thema immer wieder anschieben müssen, und Sie als verantwortliche Regierung speisen immer wieder alle Betroffenen mit warmen Worten und Applaus ab.

(Beifall)

Die angespannte Situation des Personals im Gesundheitssystem ist eine Folge Ihrer falschen Politik. Die Rahmenbedingungen sind mittlerweile noch schwieriger für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Krankenhäusern geworden und mittlerweile ist es noch belastender, in der Pflege zu arbeiten.

Wie erwähnt: Der Worte gab es schon viele. Jetzt gab es dazu auch noch den Applaus in der Pandemie und das stetige Loben des Einsatzes der vielen Beschäftigten im Gesundheitssystem. Aber glauben Sie wirklich, dass das reicht?

Wie sieht denn so ein Alltag auf den Stationen aus? - Patienten und Patientinnen sowie Mitarbeitende berichten gleichermaßen, dass an vielem fehle. Dennoch ist die Bereitschaft und Ausdauer der Fachkräfte unglaublich hoch und reicht bis zur eigenen Erschöpfung. Ihnen fehlt es in den Schichten häufig an der Zeit, etwas zu essen, etwas zu trinken. Es können mitunter nur die notwendigsten pflegerischen Aufgaben gemacht werden. Weshalb? - Nicht selten wird eine Station von einer einzigen Pflegefachkraft betreut. Und diese kann dann eben nur das Allernotwendigste leisten.

Kranke, körperlich beeinträchtigte oder demente Patienten und Patientinnen brauchen aber ausreichend Zeit und vor allen Dingen Unterstützung, um zum Beispiel Essen einzunehmen oder etwas zu trinken. Und dabei rede ich noch nicht einmal von der empathischen Zuwendung, von Gesprächen, dem Zuhören, auch mal dem Handhalten und dem Zusprechen von Mut; das alles sind Dinge, die sie auch mit einer Digitalisierung nie hinbekommen werden.

Meine sehr geehrten Damen Herren, die Beschäftigten halten unter diesen Bedingungen durch, aus Verantwortung für ihren Beruf und vor allen Dingen aus Verantwortung für die Menschen. Aber die Mitarbeitenden in den Kliniken brauchen nicht nur mehr Zeit für die Pflege. Viele von ihnen arbeiten aus familiären Gründen, aber auch aus Gründen der Überlastung in Teilzeit. Sie brauchen auch einen Lohn, der sie vor Aufstockung der Arbeitszeit bewahrt.

(Beifall)

Bundesweit müssen über 8 000 Fachkräfte der Gesundheitspflege und über 10 000 Fachkräfte der Altenhilfe aufstocken. Beides sind von Ihnen als systemrelevant gepriesene Jobs.

Nun wissen wir aber auch, dass gerade die privaten Krankenhäuser sich gern um einen Tariflohn drücken. Ameos hat bis heute keinen Tarifvertrag, seit zwei Jahren kämpfen die Beschäftigten dort darum. Aber dass die landeseigenen Krankenhäuser einen einheitlichen Tarifvertrag auch nicht anwenden, das spricht Bände.

Die Motivation der Mitarbeitenden steht aber ebenso in einem engen Zusammenhang mit einer fairen und gerechten Bezahlung. Diese Situation, die wir in den Krankenhäusern, aber auch in den Pflegeeinrichtungen vorfinden, haben Sie zu verantworten. Vieles davon wäre vermeidbar gewesen.

(Beifall)

Denn es ist Ihre Aufgabe als Landesregierung - und etliche von Ihnen gehören dieser seit Langem, seit vielen Jahren an  , diese Misere im Gesundheitssystem zu verhindern und dem vorzubeugen. Und ich sage Ihnen noch etwas: Mit Ihrer Vogel-Strauß-Politik wird es nicht besser werden.

(Beifall)

Denn in den kommenden zehn Jahren geht mindestens ein Drittel der Beschäftigten aus dem Ge-sundheitssystem in Rente, zusätzlich zu denen, die aus Gründen der Überlastung den Job hinschmeißen. Die Abgänge werden also noch größer, die negativen Auswirkungen für die Gesundheit der Menschen noch massiver.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haben Sie sich schon einmal klargemacht, welche Auswirkungen so ein Job in der Pflege auf die Angestellten hat? - Menschen in Schichtarbeit haben eine um bis zu acht Jahren verringerte Lebenserwartung. Sie reiben sich wortwörtlich für die Menschen auf.

Kommt Ihnen da nicht einmal in den Sinn, für diese Berufsgruppen endlich mehr zu tun? - Wir brauchen Anreize. Diejenigen, denen wir unsere Gesundheit, ja unser Leben anvertrauen, müssen wir besser bezahlen.

(Beifall)

Haben wir bereits lange vor der Pandemie auf die Profitorientierung des Gesundheitssystems und der damit verbundenden fehlenden bedarfsgerechten und nicht nachhaltigen Personalsituation hingewiesen, ein Umdenken gefordert, so hat sich dies in der Pandemie verschärft. Das Gesundheitssystem leidet unter akutem Personalmangel. Und das Personal, welches noch durchhält, wird verschlissen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befinden sich in einem Strudel. Diejenigen, die noch da sind, versuchen alles aufzufangen, was anliegt, reiben sich auf, erschöpfen, werden durch Überlastung selbst krank und fallen aus. Diejenigen, die durchhalten, reiben sich weiter auf. Und sie alle wollen eine gute Arbeit machen. Das können sie nur, wenn der Personalschlüssel stimmt.

Meine Damen und Herren! Was tut man in diesem Land in einer Zeit, in der das Gesundheitssystem mehr denn je leisten muss, durch eine Pandemie an den Rand seiner Möglichkeiten gedrängt? Man lässt das Personal allein.

Und weil sich ein Teil der Beschäftigten gegen ihren Beruf, oftmals gegen die Berufung entscheidet, schließt man auch noch Krankenhäuser. Merken Sie etwas? - Da geht doch einiges mächtig schief.

Und jetzt stehen wir wieder vor einer sehr angespannten Situation. Ein nicht unerheblicher Teil an geplanten Operationen muss aktuell verschoben werden, da die Intensivbetten an ihr Limit kommen. Sprach doch selbst die Gesundheitsministerin am Dienstag von einem Tiefstand der freien Intensivbetten.

(Zurufe)

Aber ein freies Intensivbett und ein Beatmungsgerät allein reichen noch nicht aus. Entscheidend ist, ob wir an dieses Bett noch Personal stellen können. Zusätzlich werden seitens des Bundes mal eben noch die Pflegepersonaluntergrenzen einfach aufgehoben. Folge: Jede und jeder Einzelne des ohnehin schon belasteten Personals muss noch mehr Patienten und Patientinnen betreuen. Man geht den vermeintlich einfachen Weg. Doch Sie müssen überlegen, wie man das Personal umgehend aufstocken kann. Sonst tragen Sie die Krise weiter auf dem Rücken der Beschäftigten aus.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen ein Umdenken, und zwar jetzt und sofort. Das Pflegepersonal muss sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. Dabei sind die individuellen Bedürfnisse, ebenso wie die individuellen Genesungsprozesse, relevant. Wir brauchen ein radikales Umdenken.

Ein Gesundheitssystem, welches Gewinne erwirtschaften muss, kann nur krank werden. Es muss in der Gesundheitspolitik konsequent umgesteuert werden. Die Finanzierung durch die sogenannten Fallpauschalen gefährdet die Qualität der Behandlung. Sie gefährden den Genesungsprozess. Solche existenziellen Dinge, wie die Gesundheitsversorgung, dürfen nicht vom Profit abhängig gemacht werden.

(Beifall)

Die Beschäftigten im Gesundheitssystem sind mehr als nur systemrelevant. Sie sichern das Leben von uns allen ab, sie wirken am Gemeinwohl aller aktiv mit. Lassen Sie Ihrem Applaus endlich Taten folgen. Ziehen Sie endlich Ihre Lehren aus der Pandemie, schaffen Sie gute Arbeitsbedingungen und flächendeckende Tarifverträge, führen Sie alle Krankenhäuser in die öffentliche Hand zurück und sorgen Sie dafür, dass auch in den ländlichen Regionen die Menschen, von jung bis alt, ausreichend medizinischen versorgt sind.

Pflegemaßnahmen müssen für alle Menschen in unserem Land gewährleistet werden. Nehmen Sie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ernst und setzen Sie diese um. Das Erste, was Sie jetzt tun können und tun müssen, ist, die landeseigenen Beschäftigten nicht im Regen stehen zu lassen. Und dazu wird mein Fraktionskollege Herr Lange noch Weiteres ausführen.

(Beifall)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Bevor Herr Lange ausführt, Frau Anger, gibt es die Möglichkeit, eine Frage zu beantworten, wenn Sie das wollen, und zwar eine Frage von Herrn Hövelmann.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Möchte ich nicht.