Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Nach den anfänglichen Einlassungen der Antragstellerin und auch des Ministers habe ich eigentlich gedacht, dass man hier durchaus eine sehr vernunftvolle Diskussion auf den Weg bringt. Aber, na klar, die drei Vorredner haben ein bisschen gezeigt, dass es doch notwendig ist, ein paar Fakten zu nennen. Dabei will ich gern weiterhelfen und komme hiermit zu unserem Beitrag zur Aktuellen Debatte zum Thema „Atomkraft? - Nein, danke!“
(Lachen)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder flammt in der Debatte um die notwendige drastische Reduzierung von Treibhausgasemissionen zur Erreichung der Klimaschutzziele die Atomkraft als vermeintlicher Heilsbringer auf. Da reihte sich auch der Wirtschaftsminister des Landes mit seiner Forderung nach einer Debatte zur Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Deutschland ein. Angeführt werden dabei Argumente, dass Atomstrom vermeintlich CO2-neutral sei und erzeugter Strom besonders günstig. Ja, auch die schwärmerischen Reden des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die suggerieren, der Ausbau der Atomkraft sei nachhaltig und zum Erreichen der Klimaziele unverzichtbar, haben so ihre Tücken, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zwar entsteht bei der Stromerzeugung selbst kein CO2, richtig. Aber zur Wahrheit gehört dazu, dass der komplette Lebensweg betrachtet werden muss, und der ist keineswegs CO2-frei, insbesondere in Deutschland, wo die Energie für vorgelagerte Prozesse, also zum Beispiel den Uranabbau und die Brennelementeherstellung, immer noch im Wesentlichen aus fossilen Brennstoffen kommt, und dabei entstehen nun einmal CO2-Emissionen. Die entstehen im Übrigen auch beim Kraftwerksaus- und -rückbau usw.
(Zuruf)
Erneuerbare Energien erzeugen allerdings ebenso wenig und nach neuesten Berechnungen sogar weniger Treibhausgase als Kernenergie. Sie sind nicht null; das behauptet niemand.
Dann wäre da auch noch der Mythos, dass Strom aus Atomkraft besonders günstig sei.
(Zuruf)
Nun ja, wenn man bedenkt, wie stark Atomstrom subventioniert wird, verwundert es nicht. Aber tatsächlich ist Atomstrom in Europa der teuerste überhaupt,
(Beifall)
wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme festgestellt hat. Beispielhaft hierfür steht der Hochtemperaturreaktor im normannischen Flamanville. Dieser Meiler kostet inzwischen 19 Milliarden €. Er ist damit dreimal so teuer wie ursprünglich gedacht und er ist übrigens immer noch nicht am Netz. Er sollte im Jahr 2012 ans Netz gehen und wird voraussichtlich im Jahr 2023 den ersten Strom liefern. Allerdings wird der dort produzierte Strom dann doppelt so teuer wie z. B. der derzeit produzierte Atomstrom. Damit ist er vor allem wesentlich teurer als Strom aus Erneuerbaren.
(Zuruf)
Die sicherheitstechnischen Anforderungen an den Neubau von Kernkraftwerken führen zu diesen erheblichen Investitionskosten, die sich nur über sehr, sehr lange Zeiträume überhaupt wirtschaftlich abbilden lassen.
(Zuruf)
Darüber können die nun in Frankreich propagierten Kleinkraftwerke auch nicht hinwegtäuschen. Die müssen nämlich im Übrigen alle extra polizeilich bewacht werden, produzieren ebenfalls Atommüll und sind schwerer aufzubauen als Erneuerbare. Das zeigt sich auch an den sehr langen Planungszeiträumen.
Dann bleibt natürlich auch noch die bisher ungelöste Frage: Wohin mit den radioaktiven Abfällen? Trotz einer fast 70-jährigen Geschichte der Kraftwerke haben wir dieses Problem bisher überhaupt nicht lösen können, und die gegenwärtigen Prozesse zur Endlagersuche in Deutschland verdeutlichen dies noch einmal. Völlig verständlich, niemand möchte ja eigentlich diesen Abfall vor der eigenen Haustür haben. Auch darüber haben wir hier im Hohen Haus schon mehrfach debattiert.
Vor diesem Hintergrund, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Diskussion um eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland geradezu absurd.
(Beifall)
Es kommt hinzu, dass die Kosten für die Endlagerung inzwischen vollständig auf die Allgemeinheit abgewälzt wurden, während die Betreiber gegen eine geringe Einmalzahlung aus der Verantwortung genommen wurden.
(Zustimmung)
Dann wäre da noch die Sicherheit der Atomkraftwerke, insbesondere im Falle von Naturkatastrophen oder auch möglichen Terrorangriffen, aber eben auch durch menschliches Fehlverhalten. Ist denn tatsächlich das menschliche Gedächtnis so kurz, dass Fukushima und Tschernobyl schon wieder vergessen sind? Dabei sind diese beiden doch nur die Spitze eines Eisberges zahlreicher Zwischenfälle mit erheblichen Kontaminationen und natürlich den entsprechenden Folgen für Gesundheit, Umwelt und auch Wirtschaft.
Im Übrigen fordert die CDU ja gerade immer wieder, dass das mit dem Kohleausstiegsgesetz festgelegte Datum von 2038 eingehalten werde, um der Wirtschaft Planungssicherheit zu geben.
(Zustimmung)
Wir debattieren hier schon in mehreren Runden darüber. Das ist insofern interessant, als Sie den gesetzlich für 2022 festgelegten Ausstieg aus der Kernenergie nun wiederum in Deutschland infrage stellen.
(Zuruf)
Also, selbst die Betreiberkonzerne haben doch nun inzwischen dieses Datum akzeptiert und dann kommen Sie mit einer Rolle rückwärts. - So viel zur Planungssicherheit.
(Beifall)
Die aktuelle Erderwärmung führt inzwischen zu weiteren Problemen beim Betrieb von Kernkraftwerken. So können die Flüsse, die zur Kühlung der Kraftwerke genutzt werden, ihre Kühlfunktion in den heißen Sommern gar nicht mehr ausreichend wahrnehmen, weil sie einfach zu warm sind. Die Dürre in den vergangenen Jahren hat in den Flüssen Niedrigwasser verursacht und auch dies verursacht Probleme bei der Kühlung der Kraftwerke. Das Problem wird sich in der Zukunft weiter zuspitzen; denn die Konkurrenz um Wasser und seine Nutzung hat schon längst zugenommen.
Meine Damen und Herren! Der Fokus auf Atomkraft ist und bleibt daher ein Irrweg und blendet aus, dass wir die Energiewende mit Erneuerbaren vorantreiben müssen. Frankreich ist dafür ein beredtes Beispiel. Daran führt nämlich kein Weg vorbei. Die Kosten für die erneuerbaren Energien werden sich immer weiter verringern. Sie sind schon geringer als die - ich habe das vorhin dargestellt - für Atomenergie.
Das gilt im Übrigen auch für die Speichertechnologien, die es voranzutreiben gilt. Es kommt hinzu, dass diese durch die Sektorkoppelung wesentlich effizienter werden, wenn wir sie denn nun endlich einmal konsequent umsetzen würden. Ja, wir benötigen momentan Übergangstechnologien zur Absicherung der Grundlast. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Atomkraftwerke sind wenig flexibel und sie harmonieren eben nicht mit den Erneuerbaren aus Wind und Sonne. Das schaffen Gaskraftwerke nun einmal deutlich besser, bei denen der fossile Energieträger Erdgas allerdings das ist klar zunehmend und stetig durch erneuerbar hergestellte synthetische Energieträger, eben auch Wasserstoff, ersetzt werden kann und muss. Dass das technologisch möglich ist, zeigt auch die Energieversorgung Halle, die mit ihrem Gaskraftwerk dafür schon die Voraussetzungen geschaffen hat.
(Beifall)
Aus unserer Sicht liegen keinerlei vernünftige Gründe zu einer Rückkehr zur Atomkraft in dieser Form vor. Deshalb sagen auch wir: Atomkraft? - Nein, danke!
(Beifall)