Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Keine Angst, es wird relativ kurz.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Gut. - Bitte sehr.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie haben natürlich recht: Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, waren Teil der letzten Landesregierung. Und ja, auch als Teil der letzten Landesregierung haben wir Verantwortung für die Coronapolitik in der letzten Legislatur getragen. In unseren Augen - das hat auch Frau Lüddemann an dieser Stelle sehr deutlich gemacht - hat auch damals in unseren Augen die Landesregierung an vielen Stellen zu zögerlich reagiert.

(Beifall)

Das ist eine Erfahrung, die die Landesregierung auch jetzt macht. Koalitionen sind eben nicht so, dass sich einer mit seiner Haltung durchsetzen kann, mag sie noch so wissenschaftsbasiert sein, sondern Koalitionen sind ein Abwägen und ein Aushandeln zwischen unterschiedlichen Positionen. Man kann nur hoffen, dass das dann von Verantwortung und Wissenschaft getragen ist.

An die AfD - wirklich auch nur Reaktion  : Überraschung! Die Pandemie hält sich nicht an unsere Pläne. Das müssen wir hier alle gerade schmerzlich feststellen. Sie hält sich nicht an unsere Wünsche, andernfalls wäre sie vorbei, sondern sie hat ihre eigenen Gesetze. Die besagen im Moment z. B: Erstens. Wir haben es mit einer Mutation zu tun, die nach Aussagen der Wissenschaft nachweislich deutlich ansteckender ist als die Wildform, die noch vor einem Jahr vorherrschend war. Deswegen gelten wissenschaftliche Annahmen von vor einem Jahr heute nicht mehr in diesem Ausmaß.

Wir haben zweitens eine Impfquote, die deutlich geringer ist, als wir sie erwartet haben. Daran sind auch Sie mit Ihrer politischen Verhetzung schuld. Auch deswegen haben wir eine andere Situation als noch vor einem Jahr.

(Beifall - Zurufe)

Es ist die Aufgabe von Politik, verantwortlich auf neue Entwicklungen zu reagieren. Man kann sich an so einer Stelle in einer solchen Lage nicht an das halten, was vor einem Jahr galt, was aber heute, weil sich Dinge fortentwickelt haben, anders ist. Das wäre unverantwortlich. Aber das ist die Art und Weise, in der Sie ohnehin Politik machen.

Ansonsten war eigentlich alles, was Sie heute vorgetragen haben, ein Paradebeispiel für die Art und Weise, wie die Desinformation im Moment - ich habe es in meiner Eingangsrede erwähnt - zusammengestrickt wird. Es waren willkürlich herausgezogene Zahlen, halbgar recherchierte Beispiele. Mit einem kurzen Faktencheck lässt sich das Allermeiste sofort widerlegen.

Ein kleines Beispiel zu Ihrer lustigen Idee aus Gibraltar. Sie haben eine Ahnung, worum die sehr, sehr hohe Impfquote in Gibraltar so ist, wie sie ist? Ich kann es Ihnen erklären. 34 000 Einwohnerinnen und Einwohner sind in Gibraltar doppelt geimpft worden. Auch etwa 8 000 spanische Pendlerinnen und Pendler sind in Gibraltar doppelt geimpft worden. Die sind aber in der Impfquote nicht miterfasst, weil sie keine Gibraltarerinnen und Gibraltarer sind. Aus dem Grund liegt die Impfquote in Gibraltar deutlich über 100 %, weil die natürlich bei den verabreichten Impfdosen sehr wohl miterfasst sind.

(Beifall - Zurufe)

In Gibraltar gibt es aktuell 281 aktive Infektionen, davon 254 einheimische Infektionen. Die allerwenigsten davon verlaufen schwer. Das ist Folge der tatsächlich nicht über 100 %, aber sehr hohen Impfquote.

(Beifall)

Gibraltar fährt im Übrigen die Strategie „No Covid“. Gibraltar hat sich entschieden, covidfrei sein zu wollen. Aus diesem Grund reagieren sie dort jetzt sehr schnell auf diese geringe Erhöhung der Inzidenz.

(Zurufe)

- Haben Sie mir gerade zugehört? Es sind keine 100 %.

(Unruhe - Zurufe)

Ein zweites Beispiel, weil Sie immer unterstellen, die Zahl der Geimpften auf den Intensivstationen sei übermäßig hoch. Eine Meldung der Ärztekammer Sachsen von heute: Aktuelle Zahlen. In den Krankenhäusern in Sachsen sind 70 % der Patientinnen mit Corona ungeimpft und neun von zehn Patientinnen auf den Intensivstationen sind ungeimpft. Das sind Zahlen von heute.

(Zuruf)

Eine kleine Intervention oder eine kleine Erklärung zu Ihrer kleinen lustigen Geschichte von Mumps:

(Zuruf)

Das war ausgesprochen schlecht recherchiert und vor allem schlecht ins Verhältnis gesetzt. Die Zahlen, über die wir bei Corona reden, sind Verdachtszahlen. Das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht nicht bestätigte Nebenwirkungen, sondern es publiziert die Verdachtszahlen für Nebenwirkungen. Natürlich sind die zu dem Zeitpunkt, zu dem die eingehen, bei einer wachsenden Zahl von Impfungen auch aufwachsend. Die werden dann überprüft, irgendwann ins Verhältnis gesetzt und irgendwann steht es im Beipackzettel mit einer schönen Einordnung wie „tritt häufig auf“, „tritt selten auf“, „tritt sehr selten auf“. Das gibt dann eine statistische Einordnung, wie häufig es tatsächlich stattfindet.

Bei Mumps sagten Sie etwas von fünf Fällen. Ich habe mal kurz in den Beipackzettel für die Mumpsimpfung geguckt. Bei der Mumpsimpfung treten bei fünf von zehn Geimpften lokale Reaktionen auf. Bei der Anzahl der bisher verimpften Mumpsimpfungen muss das eine große Zahl im Millionenbereich sein, wo es diese Impfreaktion gibt. Zwei bis fünf von hundert Geimpften kriegen einen Hautausschlag, die sogenannten Impfmasern, weil das nämlich wie Masern aussieht. Gelegentlich treten Schwellungen der Ohrspeicheldrüse auf, selten Hodenschwellungen und Gelenkbeschwerden, und sehr selten, das bedeutet zwischen ein und zehn Personen von 10 000 Geimpften, treten schwere allergische Reaktionen auf. In einzelnen Fällen werden Gehirnentzündungen beschrieben. Das sind bestätigte Impfnebenwirkungen, ganz im Gegensatz zu dem, was das Paul-Ehrlich-Institut einmal erfasst.

Arbeiten Sie mit realistischen Zahlen, setzen Sie diese ins richtige Verhältnis, dann können wir darüber reden, ob irgendetwas von dem, was Sie hier sagen, der Wahrheit entspricht. - Danke schön.

(Beifall)