Andreas Henke (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank. Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Kabinettsmitglieder! Ich denke, dass es zu großen Teilen in diesem Haus eine Übereinkunft in der Auffassung gibt, dass es zu unseren vordringlichen Aufgaben gehört, die Pandemie sowohl in der Akutlage als auch in den Langzeitfolgen für eine Vielzahl gesellschaftlicher Bereiche in ihrer wechselseitigen Durchdringung zu bekämpfen.

(Beifall)

Pandemiebekämpfung ist zweifelsohne eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gleichwohl setzen wir mit unseren Haushaltsbeschlüssen und der Verständigung zu deren Inhalten, Schwerpunkten und Maßnahmen natürlich wichtige Leitplanken und Impulse. Insofern wird auch meine Fraktion DIE LINKE den vorgelegten Nachtragshaushaltsentwurf vom Grundsatz her aufgeschlossen, im Detail jedoch sehr kritisch begleiten.

Während die Bundesregierung sehr entschlossen bereits 2020 einen dreistelligen Milliardenkredit zur Gesundheitsvorsorge in Krisenzeiten sowie zur Abfederung von Pandemiefolgen für Beschäftigte, für Selbstständige und für Unternehmen auf den Weg gebracht hat oder das Nachbarland Thüringen am Ende des Jahres 2020 für das Jahr 2021 einen Milliardenkredit auf den Weg gebracht hat, war der Doppelhaushalt des Landes Sachsen-Anhalt trotz eingeplanter 4 Millionen € für Corona-Schutzmaßnahmen, trotz eingeplanter 150 Millionen € für notwendige Krankenhausfinanzierung und trotz eines gesetzten Bürgschaftsrahmens noch immer an dem Prinzip der schwarzen Null orientiert.

Keine Frage, das ist ehrbar mit Blick auf die Stabilität der Landesfinanzen, auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit, aber es ist völlig unzureichend geeignet, um einer Pandemie mit ihren sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen vollumfänglich begegnen zu können.

(Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter diesen Bedingungen ist mit der schwarzen Null kein Staat mehr zu machen.

(Zustimmung)

Meine Fraktion hatte bereits im Februar dieses Jahres eindringlich darauf hingewiesen, dass der Doppelhaushalt 2020/2021 nicht geeignet ist, um allen notwendigen Aufgaben zur Stärkung des Gesundheitswesens, zur Revitalisierung der Wirtschaft und vor allem zur Gestaltungsfähigkeit der Städte- und Gemeinden zu entsprechen, weshalb auch die Einrichtung eines Sondervermögens aus unserer Sicht unausweichlich ist.

Ein Nachtragshaushalt hätte wesentlich eher diskutiert werden müssen. Von der ersten Erörterung im Kabinett bis zur Einbringung in das Plenum ist ja fast ein Jahr vergangen. Noch vor der Landtagswahl, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätten die Pflöcke an dieser Stelle eingeschlagen werden müssen.

(Beifall)

Diese ist eine Auffassung, die unter anderem auch von anderen gesellschaftlichen Partnern geteilt wird. So hatte der DGB Sachsen-Anhalt bereits im Juli 2020 mit seinem Drei-Säulen-Konzept, das auf den Schutz der Gesundheit, der Stärkung der Binnennachfrage und der gezielten Nutzung von Zukunftschancen abzielte, einen Nachtragshaushalt für coronabedingte und impulsgebende Kredite vorgeschlagen, und zwar für Kredite mit langfristigen Tilgungen, was einem haushaltswirtschaftlichen Prinzip folgt, nämlich langfristig genutzte und langfristig wirkende Investitionen auch langfristig zu kreditieren und zu finanzieren.

Alles andere, d. h. eine Tilgung in wenigen Jahren, hätte sehr wahrscheinlich massive Kürzungen zulasten anderer, aber ebenso wichtiger Aufgaben des Landes bedeutet, was erneut eine Belastung für die Zukunftsfähigkeit des Landes gewesen wäre. Aber besser spät als gar nicht folgt nun auch das Eingeständnis der Landesregierung, dass wir noch einige Jahre die Folgen des Lockdowns und der Pandemie spüren werden und ihnen ohne Nutzung der Notlagenkreditermächtigung und ohne Neuverschuldung nicht wirksam begegnen können.

So räumt die Landesregierung selbst ein, dass etwa 30 % der Unternehmen in Sachsen-Anhalt - wahrscheinlich werden es auch ein paar mehr sein, sogar ganze Branche - noch bis mindestens über die Legislaturperiode hinaus an den Folgen zu tragen haben. Insofern überrascht natürlich Ihre positive Annahme mit Blick auf die Entwicklung der Steuereinnahmen. Möglicherweise gehen Sie in der Prognose bereits von einer positiven Wirkung der Anreize des Sondervermögens aus. Sei es, wie es sei.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eingangs angemerkt, dass meine Fraktion den Nachtragshaushalt kritisch begleiten wird, was wir natürlich auch in den folgenden Ausschussberatungen anführen und an Details auch festmachen werden. Daher werde ich an dieser Stelle nur kurz auf einige Aspekte eingehen.

Ein Anteil von etwa zwei Dritteln des Sondervermögens wird durch drei Ministerien bewirtschaftet, und zwar 432 Millionen € durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, 550 Millionen € durch das Ministerium für Infrastruktur und Digitales und 525 Millionen € durch das Ministerium der Finanzen. Diese Bewirtschaftung dient zu großen Teilen notwendigen Investitionen; keine Frage. In gewisser Weise ist es aber auch ein Anerkenntnis dafür, dass der Investitionsstau im Land mit der schwarzen Null nicht aufzulösen war.

(Beifall)

Von den 60 Maßnahmen haben aus unserer Sicht viele einen unmittelbaren, andere aber nur einen mittelbaren Bezug zur Pandemie. Daher wird die vorgesehene Mittelzuteilung zumindest in der Höhe zu hinterfragen sein, wenn nicht sogar gänzlich infrage zu stellen sein. Aus unserer Sicht sollten zur Stärkung der Kommunen auf jeden Fall die Themen der Investitionsförderung und des Ausgleichs von Steuereinnahmen ein größeres Gewicht erlangen.

(Beifall)

Hierzu erwarten wir noch mit Spannung die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt.

Das Bildungsministerium braucht 54 Millionen €, um die Schulen bis 2027 pandemieresilient aufzustellen. Herr Minister Richter hat zu Recht gesagt, Pandemiebekämpfung könne nicht warten, Pandemie sei heute und Luftfilter würden jetzt gebraucht.

(Beifall)

Den ÖPNV-Unternehmen sollen zur Kofinanzierung des Bundesprogramms rund 8,3 Millionen € zukommen, einmalig in 2022. Auch wenn die zusätzlichen pandemiebedingten Regionalisierungsmittel eine Hilfe für die ÖPNV-Unternehmen sind - keine Frage  , leiden diese Unternehmen unter den wirtschaftlichen Folgen über das Jahr 2022 hinaus. Also muss auch an dieser Stelle nachgesteuert werden.

(Beifall)

100 Millionen € hätte das Sozialministerium für die Sanierung und für den Einbau von Luftfiltern in Einrichtungen der freien Träger der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit veranschlagt. Wir haben es vorhin schon bei der Regierungsbefragung gehört. Übrig geblieben sind 4,6 Millionen €. Also muss auch hier dringend nachgesteuert werden.

(Zustimmung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf die Verfassungskonformität sollten wir uns in den folgenden Ausschussberatungen sehr gründlich mit den Einzelmaßnahmen und natürlich auch besonders mit ihrer Begründung befassen. Damit plädiert auch meine Fraktion für die Überweisung in die Ausschüsse. - Vielen Dank.

(Zustimmung)